Mund-zu-Mund-Beatmung und Herz-Rhythmus-Massage – Diese Erste Hilfe lernt man spätestens in der Fahrschule. Aber wer kann Erste Hilfe für die mentale Gesundheit leisten? Mental Health First Aid bildet Ersthelfer aus.

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Eine fremde Frau in einem vollen Bus bekommt während der Fahrt eine Panikattacke – zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie ist überfordert. Weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Niemand hilft ihr. So könnte eine psychische Akutsituation im Alltag aussehen.

Um in solchen Situationen den Betroffenen helfen zu können, bildet Mental Health First Aid (MHFA) Ersthelfer*innen aus. FINK.HAMBURG wirft einen genauen Blick auf die Erste-Hilfe-Kurse für mentale Gesundheit und hat dafür mit der Sozialpädagogin und MHFA-Instruktorin Claudia Duwe gesprochen.

Was ist das Ziel von Mental Health First Aid?

Erste Hilfe leisten bei psychischen Gesundheitsproblemen und auch in Akutsituationen: Das ist das Ziel von MHFA. Allerdings ersetzt eine solche Hilfe keine Therapie. „Am Anfang wird ganz klar definiert: Was ist die Rolle?“, erzählt Claudia Duwe. Sie arbeitet bei der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG) und bietet dort die Erste-Hilfe-Kurse für mentale Gesundheit an. Weiter sagt sie: „Die Ersthelfenden können und sollen keine Ärzt*innen oder Therapeut*innen ersetzen, sondern unterstützen, bis professionelle Hilfe verfügbar ist. Darauf liegt der Fokus.“ Als Ersthelfer*in kann man die Betroffenen jederzeit weiter unterstützen.

Erste Hilfe wird in der Regel in akuten Notfällen angewandt. Dies ist auch bei der mentalen Ersten Hilfe der Fall, doch der Wirkungskreis ist erweitert. Duwe erklärt: „Es geht auch um Menschen, die ein psychisches Gesundheitsproblem haben. Zum Beispiel, wenn ich sehe, dass es einer Person in meinem Umfeld aufgrund einer Depression schlechter geht. Eine akute Krise wäre beispielsweise, wenn die Person suizidal ist.“ In beiden Situationen können Ersthelfende handeln.

Porträtbild von Claudia Duwe
Claudia Duwe leitet die Erste-Hilfe Kurse für mentale Gesundheit bei der HAG. Foto: Jule Ahles

So wird man Ersthelfer für mentale Gesundheit

Wer zertifizierte*r Ersthelfer*in werden möchte, muss einen zwölfstündigen Kurs mit abschließender Prüfung belegen. Die Kurse greifen die Themen Wissen, Handlung und Rat auf. Kursteilnehmer*innen lernen Anzeichen, Symptome und Risikofaktoren bei psychischen Gesundheitsproblemen. Sie bekommen zudem einen Handlungsplan vermittelt. „Dieser Plan hilft einem in Situationen, in denen es drauf ankommt, dass man da mit Selbstvertrauen reagieren kann“, erklärt Claudia Duwe. Solche Situationen können beispielsweise Panikattacken oder suizidale Handlungen von Personen sein. Um in Rollenspielen reale Gegebenheiten und Reaktionen üben zu können, ist die maximale Personenanzahl auf 20 Teilnehmer*innen festgelegt. Geleitet werden die Kurse von Instruktor*innen, welche von der gemeinnützigen Einrichtung MHFA Ersthelfer in fünf Schulungstagen zu einer solchen Kursleitung ausgebildet werden.

Wie viel kostet der Erste-Hilfe-Kurs?

An der HAW Hamburg ist es gelegentlich möglich, die Kurse kostenlos zu belegen. Das Projekt CamPuls fördert regelmäßige Kurse, um durch ausgebildete Ersthelfer*innen an den Fakultäten Studierenden bei psychischen Problemen in den ersten Schritten zu helfen, so Sabine Bart. Sie ist Gesundheitswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei CamPuls. Über diese Angebote werden Studierende per Rundmail von CamPuls informiert. Ohne eine solche Förderung kosten die Erste-Hilfe-Kurse für mentale Gesundheit bei der HAG für Privatpersonen 220 Euro.

Wer kann Ersthelfer werden?

Das Programm von MHFA agiert nach dem Prinzip: von Erwachsenen für Erwachsene. „Dieses Wissen wird hier in den Kursen vermittelt. Kinder- und Jugendpsychiatrie ist nochmal anders”, so Claudia Duwe. In einigen Ländern, so auch Australien, ist MHFA Youth bereits etabliert. Dieses Programm solle sich von Erwachsenen an Jugendliche richten. „Das ist auch der Wunsch, dass das nach Deutschland kommt“, sagt die 54-jährige.

Interesse an Personen – das müsse man zudem im besten Fall laut Claudia Duwe mitbringen, um Ersthelfer*in für mentale Gesundheit zu werden. Auch für Personen, die selbst schon Erfahrungen mit psychischen Gesundheitsproblemen gemacht haben, ist es laut der Sozialpädagogin empfehlenswert, den Kurs zu belegen. Betroffene sollten jedoch so stabil sein, dass sie mit belastenden Themen umgehen können. Ist dies nicht der Fall, so solle man noch ein wenig warten.

Tipp: Die Sorge ansprechen

Die Frau im Bus mit einer Panikattacke könnte uns theoretisch schon morgen begegnen. Zeit für einen solchen Erste-Hilfe-Kurs gibt es bis dahin nicht. „Ansprechen. Einfach ansprechen.“ Diesen Tipp gibt Claudia Duwe jeder Person mit, die ein psychisches Gesundheitsproblem oder eine Krise im persönlichen Umfeld wahrnimmt. Dabei sollte das persönlich Wahrgenommene als Ich-Botschaft ausgesprochen werden. „Ich mache mir Sorgen, da …” oder zu fragen „Wie geht es dir?“ sind nur zwei Möglichkeiten, welche sie empfiehlt. „Aber bloß nicht aus Unsicherheit gar nichts sagen“, appelliert Duwe.

Hilfe bei psychischen Problemen

Geht es deiner mentalen Gesundheit nicht gut? Brauchst du einen Rat, wie du mit betroffenen Angehörigen umgehen kannst? Hilfe bekommst du unter anderem bei diesen Anlaufstellen:

  • Hamburger Krisentelefon: 040 428 11 3000
  • Nummer gegen Kummer – Kinder- und Jugendtelefon: 116 111
  • Nummer gegen Kummer – Elterntelefon: 0800 1110 550
  • Katholische TelefonSeelsorge in Hamburg der Caritas: 0800 111 0 222
  • Eine Übersicht psychosozialer Kontakt- und Beratungsstellen in Hamburg findest du hier.
  • Informationen zur psychologischen Beratung der HAW Hamburg findest du hier.

Hinweis: In einer ersten Version des Artikels stand, dass MHFA Youth derzeit in mehreren Ländern etabliert wird. Das Programm ist jedoch bereits in einigen Ländern gestartet. Zudem richtet es sich nicht nur von Lehrer*innen an Schüler*innen, sondern ist offen für alle Erwachsenen und Jugendlichen.

Jacqueline Kurjahn, Jahrgang 2000, gewann einmal einen Pokal für einen Laufwettbewerb, obwohl sie eigentlich gar nicht daran teilnehmen wollte – sie trat als einzige in ihrer Altersklasse an. Aufgewachsen ist sie in Visbek bei Oldenburg, bis heute organisiert sie dort Ferienlager für Jugendliche. In Salzgitter studierte sie Medienkommunikation. Um die mediale Aufmerksamkeit für unter anderem Start-ups bemühte sie sich in einer kleinen PR-Agentur. Als Werkstudentin setzt sie in der Vermarktungsabteilung der Hamburger Morgenpost Social-Media-Kampagnen für Anzeigenkunden um. Auch privat ist Jacqueline viel auf Instagram unterwegs – als lebendes Newsportal für Promi-Tratsch. (Kürzel: jac)