Das geplante Selbstbestimmungsgesetz soll es vereinfachen, in seiner Geschlechtsidentität anerkannt zu werden. Aktuell geschieht das Gegenteil: Transfeindlichkeit und irrationale Ängste werden lauter, Opfer werden zu Tätern erklärt.

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Wer einen rosa Rock trägt, muss deshalb keine Frau sein, und wer leidenschaftlich Fußball spielt, ist nicht automatisch ein Mann. Was so selbstverständlich wirkt, scheint in Deutschlands aktueller Gesetzgebung immer noch nicht angekommen. Menschen, die in Deutschland ihren Namen und Personenstand ändern wollen, müssen dazu nach dem aktuellen Transsexuellengesetz langwierige und teure Gutachten vorweisen. Laut einer Studie der Humboldt-Universität zu Berlin werden Kleidung und Hobbys der antragstellenden Person dabei auf überholte Geschlechterstereotypen geprüft. Von körperlichen Untersuchungen mit erniedrigendem Charakter über intime Fragen zur sexuellen Orientierung – Die Studie kommt zu dem Ergebnis: Die Gutachten verletzen die Grundrechte der Betroffenen, sind menschenunwürdig und diskriminierend.

Als trans* Person bezeichnen sich Menschen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde. Das Sternchen steht laut der Beratungsstelle TransInterQueer e.V. für eine Vielzahl möglicher Endungen, wie z. B. transgeschlechtlich, transsexuell, transident oder transgender. Inter bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen. Nicht-Binär wird als Selbstbezeichnung für Menschen die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren definiert.

Auf den Weg kommt nun, was schon so lange überfällig ist: Das Selbstbestimmungsgesetz. Es soll trans*, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen – über eine Selbstauskunft beim Standesamt, ganz ohne Begutachtung.

Es geht dabei nicht um medizinischen Maßnahmen, sondern nur um einen neuen Namen und ein Kreuzchen an einer anderen Stelle, das über männlich, weiblich oder divers bestimmt. Viele finden das nicht gut: Darunter konservative, rechte und radikalfeministische Gruppierungen, wie „Fairness für Frauen“ oder „Demo für alle“. Sie sehen in dem Gesetzesentwurf eine Gefährdung ihrer Kinder, die Auflösung der Kategorie Frau oder gar das Ende der Meinungsfreiheit in Deutschland. Kurz gesagt: Den Untergang einer konservativen cisgender Gesellschaft wegen eines wandernden Kreuzchens.

Die Debatte ist eine lehrbuchhafte “moral panic”, ein Vorgang, den die Wikipedia so definiert: “ein Phänomen, bei dem eine soziale Gruppe oder Kategorie aufgrund ihres Verhaltens von der breiten Öffentlichkeit als Gefahr für die moralische Ordnung der Gesellschaft gekennzeichnet wird”. Dabei bedrohen trans* Personen niemanden.

Als cis wird eine Person bezeichnet, die sich mit dem Geschlecht identifiziert, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde. Cis ist das Gegenstück zu trans*.

Für die Sauna ins Standesamt?

Beatrix von Storch (AfD) bezeichnet den neuen Entwurf trotzdem als „Schlag ins Gesicht von Frauen, die sich mit Männern auseinandersetzen müssen, die sich selbst als Frauen definieren“. In den sozialen Medien liegt das Hauptaugenmerk auf Missbräuchen des Gesetzes in Bezug auf Frauenschutzräume wie Saunen. Kritiker*innen befürchten: Männer, die sich als Frauen ausgeben, hätten nun freien Zugang, Frauen in ihren Schutzräumen zu belästigen. „Wenn Frauen in die Sauna gehen, einen Raum haben wollen, in dem sich nur Frauen befinden, wer soll das dann sicherstellen?“, beklagt Silvia Breher, stellvertretende Vorsitzende der CDU, in einem Twitterbeitrag.

Die Angst vor Trans-Spanner*innen in geschützten Räumen ist schlichtweg fehl am Platz. Schließlich sind es gerade trans* Frauen, die Orte wie Saunen aufgrund von Diskriminierung meiden. Alex Mariah Peter, selbst eine trans* Frau, beschreibt in dem YouTube Format „13 Fragen“ des ZDF, wie sie fast täglich belästigt wird: Von Frauen. „Mir ist Missbrauch durch männliche Aggressoren bekannt. Viel öfter sind es aber Frauen, die mir einfach an die Brüste fassen, mich fragen, ob ich schon operiert bin.“ Trans* Frauen wie sie werden in unserer Gesellschaft häufig übersexualisiert, fetischisiert und stereotypisiert – sie sind Opfer, keine Täter. Dass Frauen in gemischten Toiletten Männer belästigen könnten, ist schließlich auch kein Thema.

Noch größer ist die Angst vor Männern, die ihren Geschlechtseintrag nur ändern lassen könnten, um Frauen nachzustellen. Dabei haben es Männer, die Frauen belästigen wollen, an anderen Orten viel einfacher. Es passiert auf der Arbeit, am Badesee und in der Bahn – ganz ohne dafür selbst zur Frau werden zu müssen. Und Männer, die es wirklich darauf anlegen, nackte Frauen in der Sauna zu begaffen, würden statt ins Standesamt vermutlich einfach in eine gemischte Sauna gehen.

Schluss mit dem Narrativ des verkleideten Mannes

Auf der Suche nach einem Gesetz, das Menschen in ihrer Identität anerkennt und respektiert, wurde genau das Gegenteil bestärkt – Das Narrativ von trans* Frauen als verkleideten Männern und Tätern. Viel zu lange hat die Ampel aufgrund von irrationalen Ängsten mit dem Entwurf des Selbstbestimmungsgesetz gezögert. Dabei gibt es bereits 15 weitere Länder, die es als Positivbeispiele vormachen und ein ähnliches Gesetz zur Selbstbestimmung beschlossen haben. Dazu zählen Argentinien, die Schweiz und Portugal.

Trans* Personen sind und waren schon viel zu lange Opfer gesellschaftlicher Geschlechternormen. Sie werden bis heute täglich mit massiver Diskriminierung konfrontiert, vor dem Staat gezwungen, sich für ihre Identität zu rechtfertigen, in ihren Lebensmodellen verurteilt. Bis 2011 mussten sich trans* Personen in Deutschland laut dem Transsexuellengesetz zur Änderung ihres Personenstands sogar zwangssterilisieren lassen. Bis heute ohne Entschädigungen, noch offizielle Entschuldigung.

Jetzt so lange über ein Selbstbestimmungsgesetz zu diskutieren und auf Argumente einzugehen, die fernab von jeder Lebensrealität sind, ist für die Betroffenen eine Zumutung. Es bleibt zu hoffen, dass das neue Gesetz wie geplant noch vor der Sommerpause verabschiedet wird. Es wäre ein erster Schritt. Eine Politik und Gesellschaft, die ihre Geschlechtervorstellungen der Realität anpasst, der nächste.

Lena Gaul, Jahrgang 1998, filmt und tanzt auf fremden Hochzeiten: Sie arbeitet seit
ihrem Bachelor-Abschluss in Medien und Kommunikation für eine Hamburger
Hochzeitsagentur. Lena ist in Ingelheim geboren, und obwohl ihre Mutter aus
Thailand stammt, hält sich ihr Fernweh in Grenzen. So zog Lena zwar für ihr
Studium nach Passau, jedoch ohne die Stadt jemals besucht zu haben. Mittlerweile
will sie nicht mehr Hochzeitsplanerin werden, sondern lieber wieder mehr schreiben,
wie bereits in ihrem Praktikum in einer Social-Media-Agentur. Das geht auch ohne zu
verreisen. (Kürzel: len)

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