Ein Drittel aller Wohngebäude in Hamburg sind sanierungsbedürftig. Das soll sich bald ändern: Bis 2045 sollen Hamburgs Wohngebäude klimaneutral werden, so der Hamburger Senat. Müssen Mietende bald draufzahlen?

Nicht nur auf der Weltklimakonferenz in Dubai haben rund 200 Staaten über Lösungen für die Klimakrise diskutiert. Auch Hamburg setzt sich ambitionierte Ziele, um Energie zu sparen – und ist damit im Gebäudesektor bundesweiter Vorreiter. Mindestens 87.000 Wohngebäude in Hamburg sollen bis spätestens 2045 energetisch saniert werden, teilte die Stadt Hamburg in einer Pressemitteilung im Oktober mit. Die geschätzten Kosten der Sanierungen: Mindestens 32 Milliarden Euro. Um die Kosten zu decken, sind Fördermittel in Höhe von 210 Millionen Euro geplant.

Der Rest könnte allerdings auf die Mietenden umgelagert werden. Dabei gilt Hamburgs Wohn- und Mietsituation als angespannt: Laut der Center for Real Estate Studies (CRES) Studie der Hochschule Steinbeis lag der durchschnittliche Kaltmietpreis 2022 bei knapp 9 Euro pro Quadratmeter. Das könnte sich allerdings bald ändern. Wie sieht es mit einer Sanierungspflicht in der Hansestadt aus? Müssen Hamburger*innen bald mit höheren Mieten rechnen? Wir werfen einen Blick auf die Lage in der EU, Deutschland und Hamburg.

EU will Sanierungspflicht für alte Gebäude

Auf EU-Ebene kam es Anfang Dezember zu der Einigung, dass bis 2030 der Energieverbrauch von Wohngebäuden im Schnitt um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent sinken soll. Darauf einigten sich das EU-Trilog. Auch wenn die befürchtete Sanierungspflicht für Privathäuser ausbleibt, fordert die EU-Komission energieeffizientere Gebäude. Die EU-Kommission schätzt, dass etwa 30 Millionen Gebäude in der EU für eine Sanierung in Frage kämen, um die Energieeffizienz auf ein Mindestmaß zu bringen. In Deutschland schätzt der Eigentümerverband Haus & Grund, dass 7,2 Millionen Wohnungen und bis zu sieben Millionen Eigenheime betroffen sein könnten sein. Aktuell verursacht der Energieverbrauch von Wohngebäuden in Deutschland im bundesweiten Durchschnitt etwa 35 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO₂-Emissionen.

Der Schwerpunkt soll bis 2030 laut EU-Kommision auf der Sanierung von Gebäuden unter der Energieeffizienzklasse E liegen. Häuser sollen nach ihren Energieeffizienzklassen eingeteilt und nach dem “Worst First” – also Häuser mit schlechter Energieeffizienz zuerst – saniert werden.

Welche hat Energieefizienklasse mein Zuhause?

Ausschnitt eines Energieausweises
Ausschnitt eines Energieausweises. Sie werden für Gebäude ausgestellt. Foto: Jakob Somorjai

Schon einmal gesehen? Dieses Stück Papier informiert über die Energieklasse des dazugehörigen Gebäudes. Jedes Gebäude besitzt einen solchen Energieausweis. Der Balken zeigt, wie es um die Energieeffizienz des Gebäudes steht. Grün symbolisiert dabei eine besonders gute Energieeffizienz, rot eine besonders schlechte. Der Energieausweis enthält außerdem Informationen über die genutzten Heizstoffe, die Dämmung und den Bedarf an Strom und Warmwasser.

Die Maßeinheit kwh/(m²a) liefert den Richtwert über den Energiebedarf eines Gebäudes in Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter (m²) und Jahr (a).

Die wichtigsten Effizienzklassen und ihre Bedeutung:

  • Energieeffizienzklasse A+ und A: Gebäude in Klasse A sind energetisch hocheffizient. Sie zeichnen sich durch einen sehr geringen Energieverbrauch aus und erfüllen die höchsten Standards der Energieeffizienz. Sie sind in der Regel gut isoliert, verwenden moderne Heizungs- und Belüftungssysteme sowie erneuerbare Energien.
  • Energieeffizienzklasse B bis E: Gebäude in den Klassen B bis E sind ebenfalls energetisch effizient, jedoch in absteigender Reihenfolge. Sie stehen für eine moderate bis durchschnittliche Energieeffizienz und stellen einen Großteil des derzeitigen Gebäudebestands dar.
  • Energieeffizienzklasse F bis H: Gebäude in den Klassen F bis H  weisen eine geringe bis sehr geringe Energieeffizienz auf. Sie sind in der Regel schlecht isoliert, haben veraltete Heizungssysteme und verbrauchen vergleichsweise viel Energie. Diese Klassen repräsentieren die schlechteste Energiebilanz und sollten durch Sanierungsmaßnahmen deutlich verbessert werden.

Hamburgs Energieeffizienz: Ein bundesweiter Vergleich

Deutschlandweit ist in Sachen Gebäudesanierung noch eine Menge zu tun, aber wie ist die Lage in Hamburg? Laut einer umfassenden Studie des Immobilienmaklerunternehmens McMakler steht die Hansestadt vergleichsweise ziemlich gut da: Rund 17 Prozent der untersuchten Wohngebäude haben den Energiewert A+, A oder B. Sie müssten nach der geplanten EU-Sanierungspflicht also nicht saniert werden. Schlusslichter sind Hessen und Sachsen-Anhalt. In Hessen weisen 8,6 Prozent der Immobilien einen Energiewert von A+, A oder B auf in Sachsen-Anhalt sogar nur 2,4 Prozent.

Auch bei der niedrigsten Energieeffizienzklasse schneidet Hamburg im Vergleich sehr gut ab: Mit 12,5 Prozent besitzt Hamburg die wenigsten Gebäude der Kennwerte H und G. Am häufigsten finden sich Wohnhäuser der niedrigsten Energieeffizienzklasse in Mecklenburg-Vorpommern (mit etwa 42 Prozent) und Berlin (mit knapp 39 Prozent).

Rund 25 Prozent der Gebäude in Hamburg stammen laut Statistischem Bundesamt aus den Baujahren 1919 bis 1949. In den östlichen Bundesländern ist die Zahl mit über 50 Prozent deutlich höher. Gerade Bauwerke aus dieser Zeit sind heute besonders sanierungsbedürftig – Materialmangel nach den Kriegen führte zu einer eher einfachen Bauweise. Insbesondere der Wärmeschutz ist aufgrund der dünnen Außenwände häufig mangelhaft.

Zwei Drittel der Hamburger Wohngebäude müssen saniert werden

Zwar weisen Gebäude in der Hansestadt im bundesweiten Vergleich seltener die Energieeffizienzklasse H auf, aber dennoch hat der Großteil der Hamburger Immobilien eins gemeinsam: Sie sind alt. Und damit häufig trotzdem sanierungsbedürftig. Die Hansestadt führte eine eigene Machbarkeitsstudie über das Alter und den Zustand der Wohngebäuden der Stadt durch. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Hamburger Wohngebäude müssten unter Energiegesichtspunkten saniert werden.

Das Alter eines Gebäudes kann entscheidend dafür sein, wie viel Energie es verbraucht. Am meisten Energie verbrauchen Gebäude, die unmittelbar vor, während und nach dem Krieg erbaut worden sind. Teilweise sogar das Dreifache im Vergleich zu Gebäuden, die ab 2009 gebaut wurden. Erst ab dem Baujahr 1980 sind die Bauten im Schnitt über der Energieeffizienzklasse E und damit laut der EU-Sanierungspflicht nicht mehr sanierungsbedürftig.

Fenster und Dächer zuerst

Eine Befragung vom Insstitut für Wohnen und Stadtentwicklung von Hamburger Gebäudeeigentümern im Sommer 2021 sollte die energetischen Sanierungszustände der Gebäude in Hamburg realitätsnah und systematisch abbilden. Die Studie erfasst das Baujahr und den Modernisierungzustand rund 12.000 Gebäuden. Darunter auch die Modernisierungen der Außenwände, der Fenster, der Dachflächen, der Geschossdecken sowie der Kellerdecken der einzelnen Gebäude. Vor allem Dach- und Fensterflächen wurden demnach bei alten Gebäuden besonders häufig saniert.

Hamburger Klimaplan: Bis 2045 klimaneutral

Hamburgs Wohngebäude sollen in den nächsten 22 Jahren 94 Prozent weniger CO₂-Emissionen verbrauchen. Das möchte die Stadt noch in diesem Jahr gesetzlich verankern: im Hamburgischen Klimaschutzgesetzt. Schon jetzt müssen Neubauten in Hamburg mit Photovoltaikanlagen ausgestattet und erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung genutzt werden.

Für Hausbesitzer*innen gibt es bis jetzt allerdings keine konkrete Sanierungspflicht. Viel eher möchte die Stadt Hausbesitzer*innen das Sanieren attraktiv machen: Beispielsweise auf kostenlosen geführten Thermo-Touren. Hamburger*innen können dabei mit einer Wärmebildkamera die energetischen Einsparpotenziale von Wohngebäuden erkunden. So unkonkret die Sanierungsmaßnahmen, so konkret die Ziele: Hamburg möchte bis 2045 die Sanierungsrate von heute 1 Prozent auf 1,7 Prozent steigern  – ein ambitioniertes Ziel. Aber ist das wirklich möglich?

Die Netto-Null-Emissionen erreicht Hamburg allein durch die Sanierung der Hamburger Wohngebäude vermutlich nicht. Noch knapp 0,25 Millionen Tonnen Restemissionen würden auch in 2024 aufgrund von Fernwärme im Hamburger Gebäudesektor bleiben. Um das Ziel eines vollständig klimaneutralen Wohngebäudebestandes in Hamburg zu erreichen, plant die Stadt die Restemissionen durch deutschlandweite und städtische Senkenleistungen auszugleichen. Das können technische oder auch natürliche Senkenleistungen sein, die die übrigen CO2-Emissionen ausgleichen. Beispielsweise indem Waldflächen aufgeforstet werden.

"Aus unserer Sicht ist die Steigerung der Sanierungsquoten viel zu wenig ambitioniert", sagt Urbainity Solutions, ein Unternehmen für nachhaltige Immobilienprojekte zu FINK.HAMBURG. Es fehle generell an konkreten Maßnahmen, wie die Sanierungsquoten gesteigert werden können. Hauseigentümer*innen bräuchten konkrete Angebote für finanzielle Unterstützungen und vorbereitete Umsetzungskonzepte, so Henrik Diemann, Geschäftsführer von Urbainity Solutions. Schließlich sei nicht jeder Eigentümer Experte für das komplexe Thema der energetischen Sanierung.

So hoch ist der Preis für Mietende

Wenn jedes dritte Wohngebäude bis 2045 saniert werden soll, wirkt sich das auf die Mieten aus, so Rechtsanwältin Rebekka Auf’m Kampe von Mieter helfen Mietern im Interview mit FINK.HAMBURG. Doch mit welchen Kosten müssen Mietende rechnen, wenn die Sanierungspflicht kommt?

„Man unterscheidet rechtlich in Modernisierung und Instandsetzung“, erklärt Auf’m Kampe. Maßnahmen zur Instandhaltung sind Bauarbeiten, die im Laufe der Nutzung und Lebenszeit der Immobilie regelmäßig anfallen. Diese Kosten müssen Vermietende zahlen. Kosten, die zur Modernisierung eines Gebäudes beitragen, können auf Mietende umgelegt werden.

Altes heruntergekommenes Haus umgeben von eingekreisten Vorschlägen zur Sanierung
Gebäude können mit Sanierungen und Modernisierungen energetisch verbessert werden und so eine höhere Energieeffizienzklasse erreichen. Grafik: Sophia-Maria Kohn

Insgesamt können jährlich bis zu acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete gerechnet werden, so Auf’m Kampe. Durch die Sanierungsmaßnahmen werden aber auch Energiekosten eingespart. Doch diese gleichen die Mieterhöhung häufig nicht aus. „Rechnerisch lohnt sich das für Mieter nicht“, so Auf’m Kampe.

Wie können Mietende Geld sparen?

Im Interview mit FINK.HAMBURG empfiehlt der Geschäftsführer vom Mieterverein zu Hamburg, Dr. Ralf Bosse, sich über die eigenen Rechte und Ansprüche im Falle einer Sanierung zu informieren – darunter fallen Baufreiheit, Ersatzwohnung und Mietminderung. Außerdem sollten Betroffene prüfen, ob die Mieterhöhung nach der Sanierung sachgemäß berechnet wurde. Um Kosten zu mindern und Fehler zu vermeiden, empfiehlt der Rechtsanwalt den Gebäudezustand mit Fotos zu dokumentieren, Gutachter*innen zu beauftragen oder sich an eine Mieterberatung zu wenden.

Die zuständige Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) verweist im Gespräch mit FINK.HAMBURG auf finanzielle Hilfen für Mietende und Eigentümer*innen einer Immobilie, in der sie selbst wohnen. Das Wohngeld beinhalte beispielsweise seit Anfang des Jahres eine sogenannte Klimakomponente. Also ein zusätzlicher Betrag, der eine höhere Mieten ausgleicht, die durch eine Sanierung entsteht. Außerdem bietet die Stadt ein umfassendes Förderangebot für die Modernisierung von Mietwohnungen. Für Mietende gäbe es zudem mehrere Möglichkeiten während der Bauarbeiten eine Mietminderung zu erzielen – beispielsweise aufgrund von Lärmbelästigung.

Gemeinsam in eine klimafreundliche Zukunft

Hitzewellen, Sturmfluten, Waldbrände – das sind längst nicht mehr nur Themen der Auslandsberichterstattungen. Der Klimawandel ist in Deutschland angekommen. Es muss sich etwas ändern. Während die EU noch eine mögliche Sanierungspflicht plant, hat Hamburg schon Ziele für seine Gebäude definiert. Nun gilt es diese umzusetzen, damit der Hamburger Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral wird. Ralf Bosse hat dazu eine deutliche Meinung: „Wir brauchen erstens einen gesamtgesellschaftlichen Konsens darüber, dass etwas passieren muss, um unser Klima zu retten und das Fortbestehen unserer Lebensgrundlage zu sichern. Das Zweite ist, dass wir alle nach Kräften dazu beitragen müssen. Und drittens, dass diejenigen, die das stärker unterstützen können, auch tun.”

Sophia-Maria Kohn, Jahrgang 2000, hat drei unterschiedliche Falttechniken für ihre drei Sockensorten. Bei einem dreimonatigen Aufenthalt in Südafrika hat sie Kindern Handball beigebracht, ehe sie nach Sambia aufbrach – als Managerin des U17-Nationalteams (aber nur für eine Woche). Sie hat sich nicht nur auf die Socken gemacht, sondern hatte zu Hause auch früh ihren ersten Berührungspunkt mit Fink.Hamburg: Während ihres HAW-Bachelorstudiums in Medien und Information schrieb Sophia über ihre Heimatstadt aus der Perspektive Obdachloser. Handball spielt sie immer noch: bei den Frogs in Henstedt-Ulzburg in der dritten Bundesliga. (Kürzel: sok)

Alma Bartels, Jahrgang 1996, hat eine Schwäche für mongolischen Metal. Sie ist schon einmal kostenlos um die Welt gereist, kann sich aber kaum erinnern: Sie war erst zwei Jahre alt. Aufgewachsen zwischen Hamburg und Barcelona entwickelte sie ein Faible für Sprachen: Neben Englisch und Spanisch spricht sie auch Koreanisch und Katalanisch. Für Stern.de produzierte sie Videos über Fragen wie “Wie viele Nägel hat Ikea schon verkauft?”. In Bremen studierte sie Politologie und entdeckte ihre Liebe zum Kulturjournalismus. Am liebsten würde sie die mongolische Band Hanggai einmal danach fragen, wie das mit diesem Kehlkopfgesang eigentlich funktioniert. (Kürzel: aba)

Lena Gaul, Jahrgang 1998, filmt und tanzt auf fremden Hochzeiten: Sie arbeitet seit
ihrem Bachelor-Abschluss in Medien und Kommunikation für eine Hamburger
Hochzeitsagentur. Lena ist in Ingelheim geboren, und obwohl ihre Mutter aus
Thailand stammt, hält sich ihr Fernweh in Grenzen. So zog Lena zwar für ihr
Studium nach Passau, jedoch ohne die Stadt jemals besucht zu haben. Mittlerweile
will sie nicht mehr Hochzeitsplanerin werden, sondern lieber wieder mehr schreiben,
wie bereits in ihrem Praktikum in einer Social-Media-Agentur. Das geht auch ohne zu
verreisen. (Kürzel: len)

Jákob Zsolt Somorjai, Jahrgang 1998, hat schon einmal zehn Tage am Stück geschwiegen, in einem buddhistischen Kloster im Norden Thailands. Dabei fand er Antworten auf Fragen, die er sich noch nie zuvor gestellt hatte. Seine Familie hielt ihn danach vorübergehend für verschollen, dabei bereiste er nur Kambodscha. An der HAW Hamburg studierte er Medien und Information, arbeitete parallel beim Film- und Theaterfundus und später bei den Online Marketing Rockstars. Nach jeder Reise kehrt er immer wieder zurück zu seiner Perle – er schämt sich nicht mal für den HSV. Jákob glaubt ohnehin, dass Erwartungen nur zu Enttäuschungen führen. (Kürzel: som)