2023 war global gesehen das heißeste Jahr seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch in Hamburg macht sich die Klimakrise bemerkbar und es braucht Gegenmaßnahmen. Ein Überblick in Zahlen und Grafiken.
Foto: Karsten Bergmann, Fotomontage: Jolan Geusen
Mehr heiße Tage, steigende Durchschnittstemperaturen und Extremwetterereignisse mit massiven Auswirkungen: Die Klimakrise macht sich zunehmend bemerkbar – auch und besonders im Jahr 2023. Laut dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus war 2023 global gesehen das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen Mitte des 19. Jahrhunderts.
Hunderte Forscher*innen und Staatsvertreter*innen betonen, wie wichtig es ist, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten und die Erderwärmung global auf 1,5 Grad zu begrenzen. Erreichbar scheint das nicht mehr zu sein: Dass wir die 1,5 Grad zumindest zeitweise überschreiten werden, ist so gut wie sicher, sagen Forschende.
Was hat das mit Hamburg zu tun?
Es ist schwer vorstellbar, wie genau sich so ein Temperaturanstieg auf den Alltag auswirken würde. Und global hört sich weit weg an – vielleicht sogar weit weg genug. Aber die Folgen der Klimakrise lassen sich nicht nur global, sondern auch regional beobachten. In Hamburg etwa ist die Jahresmitteltemperatur seit den 2000ern deutlich angestiegen. So liegt die Jahresmitteltemperatur in Hamburg bereits heute 1,7 Grad über dem vorindustriellen Niveau, also Ende des 19. Jahrhunderts. Das hat konkrete Auswirkungen auf die Lebensbedingungen innerhalb der Stadt.
Vor allem in Städten gibt es weniger Möglichkeiten, Hitze abzubauen. Durch die enge Bebauung fängt sich die Hitze in den Straßen und speichert sich in den Außenfassaden der Gebäude. Nachts geben sie die Wärme wieder ab. Es entstehen sogenannte Wärmeinseln. Besonders betroffen davon sind die Stadtteile in Hamburgs Zentrum, zeigt die Stadtklimaanalyse von 2017. Die Temperatur einer Sommernacht lag in den Außenbezirken wie Bergedorf oder Harburg durchschnittlich bei 13 bis 15 Grad. Im Bezirk Mitte und in den Wohngebieten rund um die Alster wurden hingegen 18 bis 20 Grad gemessen.
Im Klimafolgen-Monitoring der Stadt lassen sich die Konsequenzen eines Temperaturanstiegs und anderer klimatischer Veränderungen spezifisch für Hamburg nachvollziehen. Temperaturbedingt werden beispielsweise die Böden trockener, Wasser versickert nicht mehr, sondern fließt ab oder verdunstet. Dadurch sinkt der Grundwasserspiegel in Hamburg. Die Stadt bezieht Trinkwasser vollständigen aus diesen Wasserbeständen, sagt die Umweltbehörde. Weniger Grundwasser gefährdet also die Trinkwasserversorgung.
Schlechte Nachrichten auch für alle, die die Sommertage gerne an oder auf der Alster verbringen: Bei hohen Temperaturen vermehren sich Blaualgen. Sie können bei Menschen, wenn sie mit dem Wasser in Kontakt kommen, zu Hautreizungen und Magen-Darm-Beschwerden führen. Blaualgen produzieren eine Reihe von giftigen Stoffen, die auch für Fische und sogar Hunde lebensbedrohlich sind. In den „Rekordsommern“ 2018 bis 2020 wurden bereits mehrfach kritische Werte an Blaualgen in der Alster gemessen.
So wird sich das Klima in Hamburg ändern
Schon heute sind die Effekte der Klimakrise in Hamburg also messbar und spürbar. Das Climate Service Center Germany (Gerics), das zu Folgen und Lösungen der Klimakrise forscht und berät, hat errechnet, mit welchen Änderungen wir in Zukunft noch rechnen müssen.
In drei Szenarien simulierten Forscher*innen, wie sich Temperatur, Regen, Hitze und Frost in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich entwickeln werden. Die Szenarien gehen einmal von einem kontinuierlichen Anstieg der Emissionen mit einer Stabilisierung auf hohem Niveau Ende des 21. Jahrhunderts aus (RCP8.5). In diesem Fall könnte die Jahresmitteltemperatur in Hamburg Ende des Jahrhunderts um weitere 3,4 Grad angestiegen sein. Die beiden anderen Szenarien gehen von moderaten Klimaschutz-Maßnahmen (RCP4.5) und ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen mit netto-Entnahmen von CO2 aus der Atmosphäre (RCP2.6) aus. Aber auch in diesen Fällen wird die Temperatur zumindest vorerst ansteigen.
„Representative Concentration Pathways“ (RCP)
RCP8.5: Weiterer kontinuierlicher Anstieg der Emissionen mit einer Stabilisierung der Emissionen auf einem sehr hohen Niveau zum Ende des 21. Jahrhunderts.
RCP4.5: Anstieg der Emissionen bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts, danach sinken sie. Das Szenario geht von moderaten Klimaschutzmaßnahmen aus.
RCP2.6: Ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen mit netto-Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre.
Um Hamburg auf Starkregenereignisse besser vorzubereiten, stellt die Stadt seit diesem Jahr eine interaktive Starkregen-Gefahrenkarte zur Verfügung. Sie zeigt auf, wo die Gefahr für Überschwemmungen besonders hoch ist, in welche Richtung das Wasser fließt und wo Entwässerungssysteme liegen.
Überflutungen werden durch den Klimawandel immer wahrscheinlicher, Starkregenereignisse nehmen zu und die Niederschlagsmenge steigt. Aber Hamburg versucht sich daran anzupassen: Stichwort Schwammstadt. Wasser soll möglichst direkt zu Mulden oder Grünflächen geleitet werden, wo es versickert, statt in ein überlastetes Kanalsystem. Und auch auf Dächern sollen mehr Grünflächen entstehen, Wasser aufnehmen und das Stadtklima verbessern. Um die konkreten Lösungsansätze kümmert sich das Projekt RISA der Hamburger Umweltbehörde und Hamburg Wasser. So wurden beispielsweise schon Schulhöfe mit Mulden, unterirdischen Versickerungskörpern und Gründächern regenfest gemacht, und die Wohnquartiere „Am Weißenberge” und „Vogelkamp” so umgestaltet, dass das Wasser direkt versickern kann.
Sich an das Klima anzupassen, ist eine Strategie. Aber mindestens genauso wichtig wird es sein, die Ursachen der Klimakrise zu bekämpfen. Ganz konkret geht es darum, den Ausstoß von Treibhausgasen, insbesondere CO2, zu verringern.
So viel CO2 stößt Hamburg aus
Hamburg war 2021 für knapp zwei Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich. 13,8 Millionen Tonnen CO2 hat die Stadt im selben Jahr ausgestoßen. Zum Vergleich: In Berlin waren es 15,3 Millionen Tonnen, in Stuttgart 3,6 Millionen Tonnen. 13,8 Millionen Tonnen CO2, das entspricht 69-mal dem Gewicht der Elbphilharmonie. Die Elbphilharmonie wiegt etwa 200.000 Tonnen. Alle vier Tage stoßen die Hamburger*innen also das Gewicht einer Elphi in Form von klimaschädlichem Gas in die Luft.
Die gute Nachricht ist: Die Hamburger Emissionen sinken seit Jahren. 1990 lagen sie noch bei 20,5 Millionen, heute sind sie um knapp ein Drittel geringer. 1998 formte sich die Initiative Arbeit und Klimaschutz, die erneuerbare Energien förderte – 2007 wurde das erste Klimaschutzkonzept vorgestellt. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, sind diese Fortschritte allerdings ausreichend. Das stellte der Klimabeirat Hamburg im Klimamonitor 2023 fest.
Hamburg auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Emissionen allerdings stärker und vor allem schneller sinken. Schon 2007 hat Hamburg ein erstes Klimaschutzkonzept beschlossen, das später in einen Klimaplan übersetzt wurde. Bis 2030 soll Hamburg seinen CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 70 Prozent reduziert haben. 2045 will die Stadt dann Netto-CO2-Neutralität erreicht haben.
Netto-CO2-Neutralität, auch Netto-Null-Emissionen
Netto-Null-Emissionen bedeutet, dass unterm Strich keine Emissionen ausgestoßen werden. Da einzelne Sektoren aber weiterhin CO2, Methan oder Lachgas emittieren werden, sollen die verbleibenden Emissionen durch „negative Emissionen” ausgeglichen werden. Das funktioniert zum Beispiel durch die Förderung von Mooren, Wäldern oder durch sogenannte „Carbon-Capture”- Ansätze, bei denen CO2 abgefangen und im Boden gespeichert wird.
Anders gesagt: So viel CO2, wie Hamburg heute in elf Tagen ausstößt, soll 2040 für ein ganzes Jahr ausreichen. Dann sollte der CO2-Ausstoß bei höchstens 424.000 Tonnen pro Jahr liegen.
2022 verursachte der Stromverbrauch in Hamburg 6 Millionen Tonnen CO2 – fast die Hälfte des Gesamtverbrauchs. 74 Prozent des lokal erzeugten Stromsstammten aus fossilen Quellen. Ihr Anteil hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 0,9 Prozentpunkte verringert. Erneuerbare Energien machten nur 22,5 Prozent der Stromerzeugungaus. Ein Drittel der Erneuerbaren Energien stammte aus Windenergie, Energie aus Biomasse stellte einen Anteil von einem Viertel. Nach Deponie,- Klärgas und Klärschlamm folgt Biogas mit etwa 13 Prozent an vierter Stelle.
Das Verhältnis soll sich ändern. Seit Januar 2023 müssen auf Dächern von Neubauten Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Das Kohlekraftwerk Moorburg ging vom Netz und nach sieben Jahren Stillstand eröffnete 2023 eine neue Windanlage. Damit hat Hamburg jetzt 68 solcher Anlagen.
Allerdings deckt der lokal erzeugte Strom nur ein Viertel des Hamburger Energiebedarfs (2021). Es wird also auch wichtig, ob der Bund die Energiewende schafft und der Bundesstrommix insgesamt emissionsarmer wird.
Bruttostromerzeugung ist die insgesamt produzierte Strommenge. Zieht man von ihr den Eigenverbrauch der Kraftwerke ab, ergibt sich die Nettostromerzeugung. Das ist die Strommenge, die bei den Verbraucher*innen an der Steckdose ankommt.
Emissionsfaktor Wärmenetz
Mehr Einfluss hat Hamburg auf das Fernwärmenetz. Heute hat ein Viertel aller Haushalte der Hansestadt Zugang dazu. 2030 sollen es 35 Prozent sein. Bis dahin soll auch mindestens die Hälfte der Wärme erneuerbar hergestellt werden. Aktuell speisen vor allem Kohle- und Gaskraftwerke das Fernwärmenetz. Das Kohlekraftwerk Tiefstack, das heute den Großteil der Wärmeerzeugung stemmt, wird geplant bis spätestens 2030 vom Netz gehen.
Stattdessen heizt Hamburg, wenn alles nach Plan läuft, dann mit Abwärme aus Müllverbrennung, Industrieprozessen oder Klärwerken. Außerdem erzeugen schon heute eine Wind-zu-Wärme-Anlage beim Heizwerk Karoline im Karolinenviertel, eine Solarthermie in der Hafencity und ein Energiebunker in Wilhelmsburg erneuerbare Wärme.
Das will die Stadt verändern
2030 ist einer der Schlüsselzeitpunkte für den Hamburger Klimaplan. Zur Erinnerung: Bis dahin sollen die Emissionen 70 Prozent geringer sein als noch 1990, also um 14,4 Millionen Tonnen sinken. Allein durch die Dekarbonisierung, die Umstellung auf kohlenstofffreie Energie, von Fernwärme und Strom sollen 4,2 Millionen Tonnen CO2 von 2020 bis 2030 wegfallen. Damit hätte Hamburg schon 61 Prozent seines Einsparungsziels erreicht.
Die restlichen Emissionen (2,8 Millionen Tonnen) sollen die einzelnen Sektoren einsparen. Zum Beispiel, indem man Gebäude energieeffizient saniert, die Industrie-Produktionsprozesse auf Strom umstellt oder Wasserstoff nutzt und vor allem durch die Mobilitätswende. Knapp 620 Tausend Tonnen CO2 sollen alleine dadurch reduziert werden, indem Autos, Busse und andere Fahrzeuge der Stadt in Zukunft elektrisch fahren.
Klimabeirat fordert schnellere Dekarbonisierung
Der Klimabeirat der Stadt, besetzt mit verschiedenen Wissenschaftler*innen, bewertet seit 2023 die Klimapolitik Hamburgs in einem zukünftig jährlich erscheinenden Klimamonitor. Er sagt: Die Emissionen in Hamburg sinken zwar, aber nicht schnell genug, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. So wurde zuletzt die Sanierung von Häusern weniger gefördert und der Ausbau der erneuerbaren Energien stagniert.
Besondere Kritik gibt es für den Verkehrssektor, bei dem „keine strukturelle Emissionsreduktion” zu erkennen sei. Das zeigt sich auch in den Daten: Die Emissionen im Verkehr sind zwischen 2012 und 2017 sogar gestiegen. Und der Reduktionspfad ist – zumindest bis 2030 – deutlich flacher als bei den anderen Sektoren. Eine Erklärung dafür: Zuletzt gab es in Hamburg mehr PKWs als je zuvor.
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Eine Studie des Energieforschungsverbundes Hamburg (EFH) zeigt, dass zwei Drittel des Hamburger Strombedarfs alleine durch Solarstrom gedeckt werden könnten. Den Platz und die Möglichkeit für mehr Photovoltaik gibt es: Zum Beispiel auf Dächern von Wohnhäusern, Industriegebäuden und Parkplatzüberdachungen.
In den nächsten Jahren könnte es vorangehen. So hat die Hamburgische Bürgerschaft mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes im Dezember verankert, dass Photovoltaikanlagen schon ab 2024 auf Bestandsgebäuden Pflicht werden, sobald die Dächer erneuert werden. Zudem will die Stadt für ihre Fahrzeugflotte möglichst nur noch CO2-freie Fahrzeuge anschaffen.