Fossile Energie ohne Emissionen – geht das?

Hintertürchen CO2-Speicherung

Überschüssiges Gas wird am Industriepark für Erdöl und Petrochemie „ Jose Antonio Anzoategui
Die globalen CO2-Emissionen durch fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas steigen weiter an. Kann CO2-Speicherung Abhilfe schaffen? Foto: Stringer/dpa

Das Leben und Wirtschaften in Industrieländern treibt den CO2-Ausstoß in die Höhe. Welche Hoffnung bieten Technologien wie die Speicherung von Kohlendioxid, die das Gas einfangen sollen?

Eine der wichtigsten Fragen bei der Weltklimakonferenz lautet: Ringt sich die Staatengemeinschaft zu einem Ausstieg aus den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas durch — und unter welchen Bedingungen? Gerade Ölstaaten pochen darauf, dass die Konferenz allenfalls ein Bekenntnis zum Ausstieg aus den entstehenden Emissionen vereinbart — und nicht einen Abschied von den Energieträgern selbst. Das würde ein ziemlich großes Hintertürchen für Technologien offenlassen, um klimaschädliches Kohlendioxid wieder einzufangen und zu speichern. Kritiker fürchten, dass das am Ende nur als Feigenblatt dient, um weiter viel Treibhausgase auszustoßen.

Was ist CCS?

CCS steht als englische Abkürzung für Carbon Dioxide Capture and Storage. Gemeint ist die Abscheidung und unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CO2), das beispielsweise in Industrieanlagen und bei der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle entsteht. Mit energieintensiven Verfahren wird das Treibhausgas eingefangen, unter Druck verflüssigt und dann etwa in ehemaligen Gas- und Erdöllagerstätten, in salzwasserhaltigem Gestein oder in den Meeresuntergrund gepresst und eingelagert. Das soll verhindern, dass das CO2 in die Atmosphäre gelangt und die Erderwärmung beschleunigt.

CCU geht noch etwas weiter. Der Begriff steht für “Carbon Dioxide Utilization”. Das abgeschiedene Kohlendioxid wird dabei weiter genutzt, etwa als Grundstoff für die chemische Industrie.

Wird CCS schon eingesetzt?

Ja, sogar schon eine ganze Weile. Bereits seit 1996 etwa wird CCS im industriellen Maßstab im Untergrund der Nordsee vor der Küste Norwegens eingesetzt, schreibt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf ihrer Webseite. Laut Global CCS Institute sind bislang weltweit gut 40 Anlagen in Betrieb, die 49 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern können. Das entspricht deutlich weniger als zwei Promille der globalen Emissionen durch fossile Energieträger. Viele weitere Projekte seien in Planung.

Welche Risiken sind damit verbunden?

Als problematisch sieht das Umweltbundesamt vor allem den „enormen zusätzlichen Energieaufwand” für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von CO2 an: „Der Einsatz der CCS-Technik erhöht den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent.” Im Normalbetrieb seien in aller Regel keine gesundheitlichen Auswirkungen für den Menschen zu erwarten. Risiken gebe es jedoch durch Unfälle, bei denen CO2 schlagartig entweiche, oder durch eine allmähliche Freisetzung, so das Umweltbundesamt auf seiner Website.  2020 mussten in den USA nach Behördenangaben 40 Menschen behandelt werden, weil es zu einem Schaden an einer Pipeline kam, die unter anderem CO2 transportierte.

Durch CO2-Lecks könnten auch Risiken für das Grundwasser und für den Boden entstehen, erklärt das Umweltbundesamt. Das entwichene CO2 könne auch Schadstoffe im Untergrund freisetzen.

Was wird mit Blick auf den Klimaschutz befürchtet?

Kritiker wie Umweltverbände warnen, dass es international noch langsamer vorangeht mit dem Klimaschutz, wenn die Technologie zum Einsatz kommt. Wenn CO2 wieder eingefangen werden könne, dann werde man sich weniger bemühen, es von vornherein zu vermeiden, argumentieren sie. „Die CCS-Technik stellt die völlig falschen Weichen. Die Schwerindustrie könnte weitermachen wie bisher, statt ihre klimaschädliche Produktion umzubauen und nachhaltige Produkte zu entwickeln”, meint der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

Soll CCS auch in Deutschland eine Rolle spielen?

Ja. In Deutschland finden sich geeignete geologische Gegebenheiten, laut BGR beispielsweise in Norddeutschland. Die Bundesregierung fasst aber stattdessen den Export ins Auge. Ein wichtiges Zielland dafür wäre Norwegen, das jahrzehntelange Erfahrung mit der CO2-Speicherung tief unter dem Meeresboden hat. Den Einsatz der Technologie befürworten inzwischen selbst die Grünen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck. In manchen Industrien, etwa in Zementwerken, lasse sich die Produktion nicht vollkommen CO2-frei gestalten, weshalb hier begrenzt auch CCS zum Einsatz kommen soll.

Aktuell ist es laut Gesetz in Deutschland nur zur Erforschung, Erprobung und Demonstration in begrenztem Ausmaß erlaubt, CO2 zu speichern. Die Bundesregierung möchte das ändern, um den Bau von CO2-Leitungen zu erleichtern, eine Nutzung von CO2 zu regeln sowie Hindernisse für den Export abzubauen.

Eigentlich hatte die Bundesregierung für dieses Jahr eine „Carbon-Management Strategie” angekündigt. Die Arbeiten seien „bereits weit fortgeschritten”, versichert das Klima- und Wirtschaftsministerium.

Welches Potenzial hat CCS weltweit?

Die technisch mögliche geologische Speicherkapazität wird laut Weltklimarat IPCC auf die Größenordnung von 1000 Milliarden Tonnen CO2 geschätzt. Das sei mehr als bis zum Jahr 2100 nötig sei, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Eine begrenzende Rolle könnte jedoch die regionale Verfügbarkeit der Speicher spielen und: „Die Umsetzung von CCS stößt derzeit auf technologische, wirtschaftliche, institutionelle, ökologisch-umweltmäßige und soziokulturelle Hindernisse”, schreibt der IPCC in seinem Sachstandsbericht von 2022.

Aktuell liege die CCS-Nutzung weit unter dem, was nötig sei, um die globale Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, schreibt der IPCC. Im Energiebereich haben demnach andere Optionen ein Vielfaches an Einsparpotenzial, kosten aber nur einen Bruchteil von CCS. Konkret nennt der IPCC unter anderem die Solar- und Windkraft sowie die Reduktion des Methans, das beim Einsatz von Kohle, Öl und Gas entweicht.

mol/dpa

Moritz Löhn, Jahrgang 1996, hat schon einmal ein Sachbuch in 30 Tagen geschrieben. “Fußball Fakten – Von der Bundesliga bis zur WM” heißt es und enthält 40 Geschichten über das schönste Spiel der Welt. Fürs Fußballschauen wird Moritz sogar bezahlt: Er tickert für sport.de und hat schon in der Online-Redaktion von Sport1 gearbeitet. Sportjournalismus ist auch sein Berufsziel – am liebsten investigativ. Studiert hat er Medien und Information an der HAW Hamburg. Auch ehrenamtlich engagiert er sich: Er betreut ein Ferienzeltlager in Dänemark und ist Co-Trainer bei der vierten Herrenmannschaft des USC Paloma. Moritz ist Mate- und Mario-Kart-süchtig. Eine gute Grundlage für die nächsten Bücher.
(Kürzel: mol)