Hamburg baut in den letzten Jahren so viele Radwege wie nie zuvor. Trotzdem kratzt die Zahl nur an den Ausbauzielen. Hat Hamburg das Zeug zur Fahrradstadt und was hat sie bisher dafür getan?

Hamburg will Fahrradstadt werden. Bis 2030 sollen die Hamburger*innen ein Viertel aller Wege mit dem Rad zurücklegen. Bis zu 100 Kilometer Radweg will der Senat dafür jährlich bauen und erneuern. Vorbilder sind keine geringeren als Kopenhagen und Amsterdam.

Fahrradstadt:

Was genau eine Stadt zur Fahrradstadt macht, ist nicht genau definiert. Der Copenhagenize Index, der die Fahrradfreundlichkeit von Städten bewertet, betrachtet dabei 14 Kriterien: Vom Ausbau der Radwege, der Sicherheit auf dem Fahrrad, über den Anteil von Radfahrer*innen am Gesamtverkehr, bis zu den Ausbauplänen der jeweiligen Stadt. 

Wie bewerten Hamburger*innen die Fahrradfreundlichkeit?

Beim letzten Index aus dem Jahr 2019 landet Hamburg bei der Fahrradfreundlichkeit lediglich auf dem 20. Platz. Andere deutsche Großstädte wie Berlin und Bremen schnitten mit Platz 15 und 11 deutlich besser ab.  

Im Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) aus dem Jahr 2022 landet Hamburg auf dem sechsten von 14 Plätzen – bei einer Schulnote von 4,0. Die größten Mankos laut Befragung: Schmale Wege, schlechte Fahroberfläche, Hindernisse und Falschparkende, die Ampelschaltung für Radfahrende und fehlende Sicherheit der Radwege.  

Bei der Sicherheit sind die Hamburger*innen deutschlandweit sogar am unzufriedensten. Das zeigt eine Umfrage der Allianz pro Schiene aus dem Jahr 2022. Nur 34 Prozent der Hanseat*innen gaben da an, dass ihnen ausreichend sichere Radwege zur Verfügung stünden.   

Radeln nichtsdestotrotz

Aber: Das hält die Hamburger*innen nicht davon ab, immer mehr Fahrrad zu fahren. Seit Anfang des Jahrhunderts hat sich der Radverkehr in Hamburg mehr als verdoppelt. 22 Prozent aller Verkehrswege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt.  

Zufrieden sind die Hamburger Radler*innen laut ADFC vor allem mit der Verkehrsanbindung ins Zentrum. Auch öffentliche Fahrräder, wie die von Stadtrad, zählen zu den positiven Aspekten, genau wie die für Radler*innen beidseitig befahrbaren Einbahnstraßen. 

Vision Fahrradstadt

So weit, so mäßig. Aber Hamburg will aufholen. 2022 veröffentlichte das „Bündnis für den Rad- und Fußverkehr” einen ambitionierten Plan für den Radnetzausbau. Das Bündnis untersteht der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende und formierte sich 2016 – damals noch mit dem alleinigen Fokus auf den Radverkehrsausbau.  

Bis 2030 sollen 80 Prozent aller Wege in Hamburg mit dem sogenannten Umweltverbund zurückgelegt werden, also mit einer Kombination aus Rad, ÖPNV und Fußverkehr. Derzeit liegt der Anteil bei 68 Prozent. 

Vor allem mit Blick auf den Klimaplan Hamburgs wird es immer wichtiger, auf den Sattel oder in die Bahn zu steigen, statt ins eigene Auto. Fahrrad fahren muss also schneller, komfortabler und sicherer werden. Sei es, um zur nächsten Haltestelle zu kommen, oder den gesamten Weg in die Pedale zu treten. 

Wie läuft es also beim Radweg-Ausbau?

2023 wurden in Hamburg 57 Radkilometer ausgebaut. Das ist einerseits der zweithöchste jemals erreichte Wert, andererseits liegt er noch drei Kilometer unter dem angestrebten Wert. 

Eigentlich sollen jährlich nämlich 60 bis 80 neue Radwegkilometer entstehen. Hinzu kommen 10.000 Fahrradstellplätze in der Innenstadt, Ausbau der Velorouten und Radschnellstraßen, besserer Laub- und Winterdienst. Alles bis Ende dieses Jahrzehnts.  

Das Ausbauziel bei den Radkilometern sei vor allem ein Richtwert, sagt Dennis Krämer, Sprecher der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM). Viel wichtiger sei es, die neuen Wege sicher zu gestalten.

Die Radwege der Zukunft sind nach Möglichkeit mindestens 2,5 Meter breit und baulich vom restlichen Verkehr getrennt. Hamburg setzt deswegen auf:

  •  Fahrradstraßen wie an der Außenalster, auf der Thadenstraße oder Chemnitzstraße. 
  • „Kopenhagener Radwege” (leicht erhöhte Radwege mit Bordstein zu Straße und Gehweg) wie auf Teilen der Elbchaussee und Max-Brauer-Allee 
  • Protected Bikelanes (Radwege mit Schutzpollern) wie an der Hannoverschen Straße, Esplanade, Dammtordamm, Sievekingdamm, Vogt-Wells-Straße 

Better safe than sorry

Von den im letzten Jahr gebauten Wegen sind 67 Prozent baulich vom Autoverkehr getrennt. Das sind circa 38 der 57 Kilometer neu gebauten Radwege.

Noch in diesem Jahr sollen nach Angaben von Krämer beispielweise aus der Kirchenstraße in Altona eine Fahrradstraße werden, auf der Louise-Schröder-Straße, ebenfalls in Altona, ein geschützter Radweg entstehen und die Bauarbeiten an der Kaiser-Wilhelm-Straße fertiggestellt werden. Hier entstehen zwei Radstreifen für die Veloroute 1.  

Auf dem Radweg in die Innenstadt

Die insgesamt 14 Velorouten in Hamburg sollen Radler*innen auf 280 Kilometern komfortabel von den Wohngebieten mit der Innenstadt verbinden. Bis 2025 soll das Netz ausgebaut und beschildert sein: 


75 Prozent des Netzes sind bereits heute fertiggestellt. Oft fehlen Teilstrecken, die die Route vollständig verbinden. Wo es wann vorangeht, trackt die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende auf einer interaktiven Grafik 

Mit dem Rad zur Bahn

Von den weiteren Entwicklungsziele, wie zum Beispiel Begrünung und Fahrradständer, ist im Kurzbericht des BVM vorerst nichts zu lesen. Auf Anfrage sagt die Behörde aber, 2024 das Konzept von Fahrradgaragen zu erproben. 

Die Garagen können Hamburger*innen mieten, die an ihrem Wohnort keine sichere Abstellmöglichkeit für ihr Fahrrad haben. 100 von ihnen testen das Konzept ab Mitte des Jahres. Langfristig sollen die Garagen die runden Fahrradhäuschen ersetzten.  

Genauso wie die Bike and Ride Anlagen sollen die Fahrradgaragen für mehr Sicherheit sorgen. Immerhin bemängelten fast 80 Prozent der vom ADFC Befragten, wie häufig Fahrräder in Hamburg gestohlen oder beschädigt werden.  

Gut, aber es geht besser

Was genau nötig ist, um Hamburg im Ranking weiter nach vorne zu bringen? Samina Mir, die ADFC Landesvorsitzende, sagt: „Hamburgs Radverkehrsbedingungen müssen in der Fläche besser werden.“ Denn es gibt Fortschritte. Nur spiegeln die sich nicht wirklich in der Zufriedenheit der Radfahrenden. 

Im Copenhagenize-Index steht es noch deutlicher: Hamburg kämpfe mit inkonsistenter Infrastrukturgestaltung und der für deutsche Städte so typischen autoorientierten Planung. Der Elefant im Raum sei das Auto, das etwas von seinem Platz auf der Straße in Zukunft an Fahrräder abtreten muss. 

Jule Ahles, Jahrgang 1999, aufgewachsen in Oberfranken, hat sich schon oft in der Küche die Haare gewaschen: In ihrer Stuttgarter WG war dort die Dusche untergebracht – Schwaben eben. Sie studierte dort “Crossmedia-Redaktion” und arbeitete beim SWR für das “Nachtcafé”. Bei einem Praktikum beim Magazin “Audimax” in Nürnberg schmiss Jule zusammen mit zwei weiteren Praktikantinnen die Redaktion. In ihrer Freizeit hält sie beim Faustballtraining Bälle in der Luft und erkundet mit dem Gravelbike begeistert die Umgebung von Hamburg – auch dabei gibt es gelegentlich eine kalte Dusche.