Titelbild: Fynn Hornberg
Die Stadt veranstaltet neuerdings sogenannte Thermotouren in Hamburg. Die Stadtteilspaziergänge mit Wärmebildkamera sollen auch zukünftigen Hausbesitzern Möglichkeiten zum Energiesparen aufzeigen. Unterwegs mit einem Energielotsen.
Der Mond scheint hell auf die Einfamilienhaussiedlung in Bergedorf. An diesem Abend ist er nicht die einzige Lichtquelle, die den vereinbarten Treffpunkt an der Haltestelle Billwiese erleuchtet. Auch das Kameralicht der anwesenden Pressevertreter*innen flutet den Ort des Geschehens.
Trotz minus drei Grad und Schnee auf den Bürgersteigen hat sich eine Gruppe von Interessierten zusammengefunden. Anlass des Treffens ist die vorläufig letzte von drei angesetzten „Thermotouren“ – ein als Stadtteilspaziergang deklariertes Pilotprojekt der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) in Hamburg zum Thema energiesparende Haussanierung.
Unterwegs mit einem Energielotsen
Erwartungsvoll schaut Lars Beckmannshagen in die Runde. „Schön, dass Sie trotz des kalten Wetters alle hier sind, dann können wir ja gleich mal loslegen“, ruft er der wartenden Gruppe zu und klatscht dabei auffordernd in die Hände.
„Ich hab noch kein Eigenheim – steht aber ganz oben auf meiner To-do-Liste!“
Das Interesse an den Hamburger Thermotouren sei groß. Schon im Vorfeld hätten sich viele Leute angemeldet, erzählt der Energieberater. „Wir haben natürlich Bewohner da, die dabei sind, weil sie wollen, dass ihre Häuser heute angeschaut werden. Die wollen ganz konkret erste Ideen und Hinweise mitnehmen.“ Bei den anderen, hoffe er, dass sie von ihren Nachbarinnen und Nachbarn lernen wollen, fügt er hinzu.
Etwas abseits steht ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren. „Ich hab noch kein Eigenheim – ist aber ganz oben auf meiner To-do-Liste! “, erzählt Tim P. und grinst. Er freue sich aber auch aus einem ganz anderen Grund über das Angebot: „Beruflich habe ich mit Drohnenfotografie Erfahrung, vor allem im Bereich Fotovoltaik.“ Aber die Möglichkeiten der energiesparenden Haussanierung mal von einem Energielotsen erklärt zu bekommen, sei wirklich wichtig – dadurch könne er die ganzen Entwicklungen hoffentlich besser nachvollziehen, erzählt er. Damit er in der Kälte lange durchhält, habe er sich extra eine Thermounterhose, Winterschuhe und seinen warmen Parka angezogen.
„Es geht darum, dass wir uns heute Gebäude von außen anschauen“, sagt Beckmannshagen. Die Idee dabei: „Dass Sie auf den ersten Blick erkennen können, welche Bauteile schon etwas energiesparender, und welche noch nicht so gut sind.” Es gehe darum, ein Gefühl dafür zu entwickeln.
Lars Beckmannshagen ist Diplomingenieur und Architekt bei der ZEBAU – Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt GmbH. Seit 2019 arbeitet er im Auftrag der Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft als sogenannter Energielotse. Das heißt: „Mein Job ist es, eine kostenfreie Erstberatung durchzuführen für Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hamburg, die eine Immobilie renovieren, oder speziell energetisch sanieren wollen.“
Hintergrundinformation:
Die Hamburger Energielotsen arbeiten im Auftrag der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft der Stadt Hamburg. Sie sind eine Kooperation der ZEBAU – Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt GmbH, Verbraucherzentrale Hamburg mit der Bundesförderung für Energieberatung der Verbraucherzentrale sowie der Handwerkskammer Hamburg.
Wärmebilder: Der Schein kann trügen
„Als Erstes gehen wir zum Haus von Herrn Hancke“, sagt Beckmannshagen und blickt sich suchend um. Ein großer schlanker Mann mit grauem Zopf meldet sich: „Ja hier, das bin ich. Kommen Sie mir einfach nach!“ Mit erhobener Hand geht der aufgerufene Hausbesitzer voran. „Sie dürfen hier ruhig aufs Gras treten“, ruft er, als sich alle in den verschneiten Vorgarten seines Reihenhauses in Bergedorf drängen.
Gespannt richten sich die Blicke auf die hochgehaltene Wärmebildkamera. Das kleine schwarze Gerät, nicht viel größer als eine Digitalkamera, stellt die Fläche des Hauses in knalligen Farben dar. Die grafische Aufbereitung macht die Temperaturunterschiede auf der Außenwand sichtbar. „Wenn wir im Extremfall eine Einfachverglasung haben, dann kann es sein, dass es auf der Wärmebildkamera weiß erscheint.“ Das sei dann im Prinzip die wärmste Farbe. Auch rot oder orange weisen laut dem Experten eher auf eine schlechte Dämmung hin. Je kälter ein Bauteil sei, desto mehr gehe es dann ins Dunkelblau rein – „dann ist also alles in Ordnung“ ,erklärt Beckmannhagen.
Durch das Verfahren der Thermografie bekomme man auf jeden Fall einen ersten Eindruck, wie viel Wärme zum Beispiel durch ein Fenster durchkommt. „Man muss beim Messen immer ein bisschen vorsichtig sein. Es gibt auch Flächen, wie Glas oder Metall, die reflektieren“, sagt der Energielotse. Da könne es passieren, dass man nicht die richtige Oberflächentemperatur zurückkriegt. Die Kamera führt dann auf eine falsche Fährte.
Die energetische Sicht der Dinge
„Ein ganz wichtiges Thema ist Wärmedämmung der Gebäude“, sagt Beckmannshagen. „Wir haben ganz viele Gebäude in Hamburg, die teilweise immer noch so schlecht gedämmt sind, dass sich Schimmel bilden kann. Gerade, weil wir so niedrige Oberflächentemperaturen haben.“ Das Andere, seien immer wieder Fenster und Türen, die erneuert werden müssten, erklärt er.
Genau diese Dämm-Problematik zeigt sich auch bei dem Reihenhaus der Hanckes: „Wir wissen ungefähr um den Zustand“, sagt der Besitzer und positioniert sich vor seiner Eingangstür. Besonders das kleine Vordach über der Tür mache ihm zu schaffen. „Auch wenn das ein Gestaltungselement der gesamten Häuserreihe ist, müsste es aus energetischer Sicht eigentlich entfernt werden.” Denn darüber sei direkt das Badezimmer – „und das kriegen wir dadurch nicht warm”. Auch die Haustür sei wahrscheinlich nicht mehr dicht, die Fassade müsste gedämmt werden „und klar, die Fenster müssen auch neu“.
Die Aufnahmen der Wärmebildkamera geben ihm Recht. Ganz besonders drastisch zeige sich das energetische Sanierungspotenzial im direkten Vergleich zum Nachbarhaus: „Bei dem Nachbarhaus kann man direkt die sechs Zentimeter Dämmung erkennen”, sagt Lars Beckmannshagen. Man sehe hier ein Beispiel dafür, wie viel eine Wärmedämmung ausmache. „Plötzlich ist nämlich die Fassade nicht mehr warm, sondern deutlich kälter.“ Einen zusätzlichen Wärmeschutz bringen ihm zufolge etwa auch die Außenrollos.
Hamburg – klimaneutral bis 2045?
Hinter dem Angebot der Energielotsen steht das große Vorhaben, die Hansestadt bis 2045 klimaneutral zu gestalten. Denn: Seit Beginn dieses Jahres gilt eine geänderte Version des Hamburger Klimaschutzgesetzes. Die Änderungen geben vor, dass ganz Hamburg bis 2045 weitestgehend CO2-neutral leben und wirtschaften soll – dass sind fünf Jahre früher als im ursprünglichen Gesetz geplant.
„Dafür wurde in Hamburg ein Klimaplan aufgesetzt, der verschiedene Sektorziele beinhaltet“, sagt Sophia Brauer, Leiterin des ProjektsAuch sie ist bei der Thermotour dabei. Insgesamt wurden für die vier Sektoren Industrie, Gewerbe-Dienstleistung-Handel, Private Haushalte und Verkehr knapp vierzig Maßnahmenbereiche festgelegt. „Grundsätzlich gehe es darum, Energie einzusparen und die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, erklärt sie. Die Hauptstellschraube für die privaten Haushalte sei die Gebäudesanierung.
„Unser Ziel für den Sektor der privaten Haushalte ist bis 2045 nochmal ein Drittel der Energie einzusparen, um die Klimaneutralität zu erreichen”, so Brauer. Aus einer 2019 durchgeführten Machbarkeitsstudie der BSW gehe hervor, „dass ungefähr ein Drittel der Gebäude noch relativ wenig saniert sind”. Bei einem weiteren Drittel sei vielleicht schon mal etwas gemacht, also zum Beispiel die Fenster oder das Dach saniert worden. Das letzte Drittel sei dagegen schon sehr gut modernisiert, sagt sie.
Die finanzielle Frage
Die Straße zum nächsten „Begutachtungsobjekt“, so heißt es im Fachsprech, führt leicht bergauf. „Wir sind hier ja schließlich in Bergedorf“, scherzt jemand schnaufend. Noch einmal um die Ecke und die Gruppe steht vor dem Haus von Frauke und Thorsten von Riegen. „Wir sind hier vor einem Jahr eingezogen das ist ein altes Haus – 1953 gebaut. Wir wissen, dass wir hier einiges machen müssten, um es auf den neusten Stand zu bringen“, erzählt Frauke von Riegen gleich vorweg.
„Für uns ist das ehrlich gesagt auch einfach eine finanzielle Geschichte“
Nach der Begutachtung sind sich beide einig: „Die größten Baustellen sind eigentlich die Außenwand und das Dach und die Dämmung über der Garage – das könnte man vielleicht als erstes machen.” Vieles, was die Begutachtung liefert, hatten sich beide auch schon gedacht. „Es war klar, dass wir viel machen müssen.“
So sehr sie auch wollen: Für sie sei es „ganz ehrlich gesagt“ auch eine finanzielle Geschichte, sagen sie. „Wir würden das bestimmt alles sofort machen, wenn man die Möglichkeiten hätte“, sagt Thorsten von Riegen. Sie seien da sicher nicht die einzigen. „Ich denke, das geht ganz vielen Hausbesitzern so, die so Altbestandshäuser haben oder wo ein Generationswechsel kommt“, gibt er zu bedenken.
Welche Fördermöglichkeiten gibt es?
„Die Sanierung ist natürlich freiwillig, wir versuchen das zu unterstützen als Stadt,“ sagt Sarah Brauer. Neben der kostenlosen Erstberatung durch die Energielotsen gäbe es außerdem Mittel der Hamburgischen Förderbank. Durch das Programm „Wärmeschutz und Gebäudestand“ könnten Einfamilienhausbesitzer einzelne Maßnahmen durch Zuschüsse fördern lassen.
Mit welchen Herausforderungen müssen Hausbesitzer*innen rechnen, wenn sie solche Zuschüsse beantragen? Anke Hunold, stellvertretende Pressesprecherin der BSW, antwortet vage: „Bei der Inanspruchnahme von Förderungen müssen die jeweils spezifischen Förderkriterien erfüllt sein sowie die technischen Vorgaben eingehalten werden.“ Was genau das im Einzelfall heißt, könne man so pauschal nicht sagen.
Keine Pauschallösungen für klimaneutrale Traumhäuser
Durchgefroren, trotz Thermounterhose, aber schlauer als vorher: Von dem Rundgang nehme er viel mit, sagt Tim P. Vor allem „dass es natürlich nie eine Pauschallösung für alles gibt – da muss man immer super individuell gucken.“ Aber bei einer Sache sei er sich jetzt sicher: „Mein zukünftiges Traumhaus hat definitiv eine Fotovoltaikanlage mit eingebautem Energiespeicher!“
val
Valerie Pfeiffer, Jahrgang 1994, träumte einst davon, für ihren Heimatverein 1.FC Köln zu spielen – im Männerkader. Beim Festkomitee Kölner Karneval machte sie eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau. Dreimal half sie dabei, den Rosenmontagszug zu organisieren und trug dort dann Warnweste statt Kostüm. In Friedrichshafen studierte sie Kommunikation, Kultur und Management, und arbeitete nebenher in einer Agentur für Gesundheitskommunikation – obwohl der Karneval am Bodensee Fasching heißt. In Hamburg sieht es bei diesem Thema noch finsterer aus, trotzdem entwickelte Valerie zuletzt digitale Veranstaltungsformate für die “ZEIT”. (Kürzel: val)