Das E-Rezept wurde bereits in zwei Regionen getestet und soll stufenweise bis zum Frühjahr 2023 in ganz Deutschland ausgerollt werden. Doch die Umsetzung zieht sich. Welche Bedenken gibt es? Wie funktioniert es eigentlich? Und was braucht man dafür?
Von Anita Stall und Maria Gassner
Foto: Tbel Abuseridze/Unsplash
Das elektronische Rezept (E-Rezept) soll der Nachfolger des klassischen rosa Papier-Rezepts werden. Dieses Rezept wird auch Muster 16 genannt und gilt ausschließlich für Kassenpatient*innen. Bundesweit soll das E-Rezept zukünftig das Muster 16 ablösen und die Medikamentenabgabe sicherer und einfacher machen.
Doch der bundesweite Start zieht sich – etwa aus Datenschutzgründen und weil zentrale Mitspieler, wie die Krankenkassen, ausgestiegen sind. Die Gematik, die Nationale Agentur für Digitale Medizin, die unter anderem auch die E-Rezept-App betreibt, hält weiterhin an einer flächendeckenden Einführung im Jahr 2023 fest, wie sie in einer Pressemitteilung bekannt gab.
Wo gibt es das E-Rezept schon?
Die erste Testphase, “Roll-Out” genannt, ist in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe bereits angelaufen. Dort stellten Ärzte das E-Rezept schon aus. Beide Regionen galten als Testregionen, doch mittlerweile sind sie aus der Testphase ausgestiegen. Westfalen-Lippe Anfang November, Schleswig-Holstein schon im August. Der Grund: Ein Abruf über die Elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wurde gestrichen – aus Datenschutzbedenken. Dieser Abrufweg war allerdings für die kassenärztlichen Vereinigungen eine Bedingung für die Teilnahme.
Was ist das E-Rezept?
Das E-Rezept ist ein digitaler Schlüssel, ähnlich dem QR-Code. Der wird von der Arztpraxis auf einen digitalen Server geladen, eine Art Speicherplatz im Internet. Genauer: Auf die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI). Dort bleibt der Code für 100 Tage gespeichert. Von der TI kann er über eine extra dafür entwickelte App abgerufen werden. Mit dieser kann das Medikament in der Apotheke eingelöst oder über Versandapotheken bestellt werden.
Wie funktioniert das E-Rezept genau?
Aktuell gibt es zwei Varianten, das E-Rezept abzurufen: per Ausdruck und per App.
Variante eins: Einlösen per App
In komplett digitaler Form kann das E-Rezept nur mit der kostenlosen E-Rezept-App der Firma Gematik übermittelt werden. Es wird empfohlen, nur die offizielle App zu nutzen, um die Datensicherheit zu gewähren. In dieser App muss man sich erst einmal anmelden, dafür braucht es eine NFC-fähige Gesundheitskarte, über die Daten kontaktlos ausgetauscht werden können, ähnlich wie bei einer EC Karte. Auch das Handy muss für die App NFC-fähig sein. Auf der eGK findet sich eine sechsstellige Nummer, die in der App eingetragen werden muss. Wer die NFC-fähige Gesundheitskarte beantragt, bekommt auch automatisch eine PIN, die ebenfalls zum Einloggen in die App gebraucht wird.
Ist der QR-Code in der App gespeichert, können ihn Apotheker*innen einscannen. Der Code verrät keine persönlichen Daten über Patient*innen oder die verschriebenen Medikamente. Erst wenn er eingescannt wird, sind die verschriebenen Medikamente von dem*der Apotheker*in einsehbar.
Voraussetzung für diese Möglichkeit ist allerdings die neue eGK. Nicht jeder Mensch in Deutschland hat diese bereits. Offenbar ist auch fast niemand bereit, sich diese zu besorgen, das hat die erste Phase des Roll-Outs gezeigt. Denn um an eine eGK mit Pin zu kommen, muss man sich persönlich dafür verifizieren. Ein Weg, den wohl viele scheuen.
Variante zwei: per Ausdruck
Die gute Nachricht: Die App kann auch ohne die neue Gesundheitskarte genutzt werden. Man kann sich auch mit der elektronischen Patienten Akte-App seiner Krankenkasse in der E-Rezept-App anmelden. Eine Registrierung in der elektronischen Patienten Akte-App wird dann allerdings vorausgesetzt.
Brauche ich ein Smartphone dafür?
Nicht unbedingt. Der Code für das Rezept kann auch auf Papier gedruckt und dem*der Patient*in übergeben werden. Der Code wird dann in der Apotheke eingescannt und man bekommt sein Medikament. Der gesamte Prozess kann also ohne Handy ablaufen. Doch das ist natürlich nicht unbedingt der Sinn.
Geht’s auch noch anders?
Prinzipiell gab es noch die Möglichkeit, das E-Rezept über die eGK zu übermitteln. Die Apotheke hätte sich dabei über das Kartenterminal in die eGK einlesen und das jeweilige Rezept vom Server abrufen können. Diese Möglichkeit wurde jedoch aus Datenschutzbedenken gestrichen.
Lesetipp der FINK.HAMBURG-Redaktion:
Hacker im Interview : Das sagt er zur Datensicherheit des E-Rezeptes
Ursprünglich war auch geplant, das E-Rezept per E-Mail oder SMS zu versenden. Das wurde aber kurz vor dem Beginn des Roll-Outs gestoppt. Der Grund: Die Daten sind nicht sicher, so das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz. Denn die Nachrichten werden bei Emails und SMS nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt, wie es beispielsweise beim Messengerdienst “Signal” der Fall ist. Fremde könnten sie also prinzipiell mitlesen.
Welche Apotheken in Hamburg nehmen das E-Rezept an?
In Hamburg kann man sich das E-Rezept zwar noch nicht ausstellen lassen, dafür aber einlösen. Ein Überblick über die Apotheken in Hamburg, bei denen das geht, zeigt die E-Rezept-Webseite der Gematik, in der Apothekensuche. Dort kann auch nach Postleitzahl gefiltert werden.
Und nun? Wer unentschieden ist, hier noch einmal Vor- und Nachteile im Überblick.
Das sind die Vor- und Nachteile
Das E-Rezept bietet viele Vorteile zum bisherigen rosa Papier-Rezept. Allerdings gibt es Probleme beim Datenschutz und der realistischen Umsetzung einzelner Verfahren. Wir von FINK.HAMBURG haben die möglichen Vor- und Nachteile gegenübergestellt.
Mögliche Vorteile:
- Mit dem komplett digitalen E-Rezept wird weniger Papier verbraucht.
- Die Abwicklung, bis der*die Patient*in das Rezept bekommt, ist schneller. Die Ärzt*innen können auf digitalem Weg das Rezept an die Patient*innen schicken, auch wenn diese nicht vor Ort sein können.
- Mithilfe der E-Rezept-App kann vorab geprüft werden, ob das benötigte Medikament in der gewünschten Apotheke verfügbar ist. Das spart unnötige Fahrzeit ein.
- Prinzipiell kann das E-Rezept auch schnell in Versandapotheken eingelöst werden.
Mögliche Nachteile:
- Die technischen Voraussetzungen müssen nicht nur bei Arztpraxen und Apotheken, sondern auch bei Patient*innen gegeben sein. Für die E-Rezept App wird ein Smartphone benötigt.
- Für die Vermittlung des E-Rezepts über die elektronische Gesundheitskarte müssen Patient*innen die neue eGK mit NFC Funktion und PIN haben. Um diese zu bekommen, müssen sich die Patient*innen persönlich verifizieren.
- Probleme in der Testphase mit dem Datenschutz lassen Angst vor Datenmissbrauch steigen. So kritisiert etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD), dass der Zugang zu den Daten von Versicherten ohne einen Prüfnachweis möglich ist. Die Gefahr bestünde, dass Unbefugte allein mit der Versichertennummer die Daten des E-Rezepts ansehen könnten, etwa Mitarbeiter*innen in einer Apotheke oder IT-Personal.
- Wenn das elektronische System ausfällt, kann kein einziges Rezept mehr ausgestellt werden. Hierfür muss ein Notfallplan erstellt werden.
- Die Patient*innen können beim E-Rezept nicht immer sehen, was ihnen genau verschrieben wurde. Erst in der Apotheke sehen sie die Namen der Medikamente.
- Die tatsächliche Schnelligkeit des E-Rezepts hängt vom Verfahren ab, wie das E-Rezept übermittelt wird. Für das E-Rezept auf Papier müssen Patient*innen das Rezept persönlich abholen und einlösen.