Ali Abbasis „The Apprentice“ versucht, den Aufstieg Donald Trumps auch aus dessen Perspektive verständlich zu machen – und ist doch eine Geschichte von Missbrauch, Manipulation und dem rücksichtslosen Verlangen nach Ruhm.
„Es gibt kein richtig oder falsch. Es gibt keine Moral. […] Alles was zählt, ist zu gewinnen.“ Was nach einem Zitat von Donald Trump klingt, stammt von dessen Mentor Roy Cohn – zumindest in dem Film “The Apprentice”, der am 17. Oktober in die deutschen Kinos kommt. 120 Minuten begleiten Zuschauer*innen Trump bei seiner Antiheldenreise von Queens nach Manhattan, vom Nepo-Baby zum Immobiliengiganten. Beim Hamburger Filmfest war der Film für den Publikumspreis nominiert (am Ende gewann „Freiheit im Herzen – Lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein“).
Schon die erste Szene versetzt das Publikum mitten in das Lebensgefühl der 70er Jahre in New York City: Hohe Kriminalität, schlechte Zukunftsperspektiven und verrauchte Lokale. Im „Le Club“ trifft der junge Donald Trump (Sebastian Stan) im Jahr 1973 Roy Cohn (Jeremy Strong). Der Anwalt, der sonst Mafiabosse und Politiker vertritt, nimmt sich des neureichen Donald Trump an. Mit Cohns Hilfe wird Trump schnell zu einem der mächtigsten Immobilienentwickler von New York City.
Style and Substance
Statt auf pompöse Stilmittel und dramatische Schnitte setzt Regisseur Ali Abbasi auf das Dokumentarische. Teils verwackelte Bilder im Look von TV-Aufnahmen aus den Siebzigerjahren versetzen die Zuschauer*innen in die Vergangenheit – nahtlos verknüpft mit Original-TV-Material aus der Zeit. Manchmal wirkt es, als würde man selbst mit Roy Cohn und Donald Trump in einem eleganten Auto durch die Straßen New Yorks kutschiert.
Oft wirkt das etwas verwirrend: Die Geschichte wird zeitlich nicht eingeordnet, Jahreszahlen werden kaum erwähnt. Wer Interesse an dem Film hat, sollte sich also vorher zumindest kurz über die Erfolgsgeschichte Donald Trumps informieren.
Im Laufe des Films verwandelt sich Stan jedoch immer mehr zu dem Trump, den wir heute kennen: arrogant, selbstüberzeugt und größenwahnsinnig.
Zu Beginn erkennt man eher einen verkleideten Sebastian Stan als einen jungen Donald Trump. Anfangs gibt es noch Momente der Menschlichkeit – einmal sieht man Trump sogar weinen.
Im Laufe des Films verwandelt sich Stan jedoch immer mehr zu dem Trump, den wir heute kennen: arrogant, selbstüberzeugt und größenwahnsinnig. Minute für Minute adaptiert er mehr und mehr Eigenarten des Ex-Präsidenten, ob das die gespitzten Lippen oder die hinter dem Rücken verschränkten Hände sind. Trumps Aufstieg und wachsendes Selbstbewusstsein stehen im Kontrast zu dem Absturz seines anfangs in jeder Hinsicht überlegenen Mentors Roy Cohn. Dessen wachsende Isolation und Verzweiflung verkörpert “Succession”-Star Jeremy Strong mit der Erbarmungslosigkeit, die man mittlerweile von ihm erwartet.
Wie viel Wahrheit über Trump zeigt „The Apprentice“?
Abbasi schreckt vor den zahlreichen unangenehmen Kapiteln im Leben von Donald Trump nicht zurück. Drastische Szenen von Vergewaltigung und Schönheits-OPs zeigen eine Seite des Präsidentschaftskandidaten, die die Öffentlichkeit normalerweise nicht zu Gesicht bekommt. In einem Interview mit „TheWrap“ gab Abbasi an, alle Informationen aus dem Film seien sorgfältig geprüft. Diversen Medienberichten zufolge hat Ivana Trump im Zuge des Scheidungsverfahrens unter Eid bestätigt, dass sie von ihrem damaligen Ehemann vergewaltigt wurde. Diese Aussage zog sie jedoch Jahre später wieder zurück.
Trump versuchte schon im Mai, den Film mit einer Klage zu stoppen. Auf seiner eigenen Plattform Truth Social schrieb er außerdem: „A FAKE and CLASSLESS Movie written about me, called, The Apprentice (Do they even have the right to use that name without approval?), will hopefully ‘bomb’“. („EIN UNWAHER und NIVEAULOSER Film über mich, The Apprentice (haben sie überhaupt das Recht, diesen Namen ohne Genehmigung zu verwenden?), wird hoffentlich ‘floppen’“.)
Abbasi zeigt einen Trump, der zumindest aus seiner Perspektive die Welt verbessern will
Trotz der 120 Minuten Laufzeit wird das Biopic nicht langweilig. Trump beim Böse-Werden zuzusehen, macht zwar keinen Spaß, ist aber sehr spannend. Der Film versucht, die oft verwirrenden Sichtweisen des Ex-Präsidenten nachvollziehbar zu machen. Abbasi zeigt einen Trump, der zumindest aus seiner Perspektive die Welt verbessern will, etwa durch sein erstes großes Projekt, den Trump Tower.
Am Ende des Films ist Trump noch weit von der ersten Präsidentschaftskandidatur entfernt, doch das Monster, zu dem er sich selbst mit Cohns Hilfe geformt hat, scheint schon fast fertig. Trump hat die skrupellosen Regeln seines Mentors verinnerlicht, den Mann selbst aber gnadenlos fallen lassen.
Eine klare Empfehlung für Trump-Fans, -Kritiker*innen, und alles dazwischen. 8/10 Kinosterne.