Foto: Kristina Lunz/ Pressematerial
Frauen gründen immer noch deutlich seltener als Männer. Auf welche Hürden Gründerinnen stoßen und was sich in unserer Gesellschaft ändern muss, erklärt Gründerin und Aktivistin Kristina Lunz im Interview.
Kristina Lunz ist eine deutsche Aktivistin, Autorin und Mitgründerin des Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP). 2024 wurde sie als Impact Entrepreneurin des Jahres vom Bundesverband Deutsche Startups ausgezeichnet. Lunz hält Vorträge zu Themen wie Feminismus, sozialem Wandel, Mut oder Unternehmertum. Zur Eröffnung der Female Entrepreneurship Week an der HAW Hamburg im November war sie als Speakerin vertreten.
FINK.HAMBURG: Frau Lunz, warum sind Events wie die Female Entrepreneurship Week wichtig?
Die Female Entrepreneurship Week ist eine vom Gründungsservice der HAW Hamburg initiierte Woche für gründungsinteressierte Frauen und Gründerinnen. Es wurde ein kostenloses Programm erstellt, das auf die Bedürfnisse und Herausforderungen von Gründerinnen eingeht. Frauen können an unterstützenden und inspirierenden Workshops teilnehmen sowie sich untereinander vernetzen.
Kristina Lunz: Weil es in Deutschland, aber auch weltweit, viel zu wenige Gründerinnen gibt, da kaum Geld an sie gegeben wird: In unserer patriarchalen Gesellschaft wird Geld von Männerhand an Männerhand gegeben – so ist das eben auch beim Gründen. Genau deshalb brauchen wir solche Events. Es muss noch viel mehr darauf aufmerksam gemacht werden, dass Frauen Geld brauchen, um zu gründen.
Wie gehen Sie mit Widerständen im Unternehmer*innentum um?
In keinem Land der Welt ist Gleichberechtigung verwirklicht. Aktivistische Arbeit und der Einsatz für Frauenrechte, für Menschenrechte, ist ein ständiger Kampf gegen Windmühlen – im Unternehmer*innentum ist das genauso. Es gibt zu viele Hürden für Unternehmerinnen, vor allem für Gründerinnen: Zu wenige Vorbilder, zu wenige Räume, zu wenig Geld. Die Hartnäckigkeit aus dem Aktivismus, sich von Widerständen nicht entmutigen zu lassen, ist sehr hilfreich im Unternehmer*innentum.
Auf welche Widerstände sind Sie während Ihrer Gründung gestoßen?
Meine Organisation, das Center for Feminist Foreign Policy, ist eine feministische, gemeinnützige Organisation im zivilgesellschaftlichen Bereich. Das bedeutet, dass wir es mit mehreren Hürden zu tun haben. Zum einen bekommen Gründerinnen viel weniger Geld als Gründer. Zweitens, ist zivilgesellschaftliche Arbeit zu unterfinanziert, um große gesellschaftlichen Herausforderungen wirklich anzugehen. Und drittens, werden feministische Projekte in patriarchalen Gesellschaften an den Rand gedrängt.
Rund 87 Prozent des gesamten Gründungskapitals in Deutschland, gingen im Jahr 2023 an männliche Start-up-Gründer. Der Rest ging an Firmen, in denen sowohl Männer als auch Frauen das Gründungsteam bilden. Das zeigt eine Studie der Prüfungsgesellschaft EY. Zudem gibt es deutlich mehr männliche Start-up-Investoren: 2021 lag die Zahl der männlichen Business Angels, also Start-up Investoren, bei 87 Prozent. Das belegt der Startupdetector Report 2021, eine Analyse von über 5.435 Start-ups in ganz Deutschland. Auch unter Gründer*innen selbst sind mehr Männer als Business Angel aktiv. Der Female Founders Monitor Studie 2022 zufolge sind sechs Prozent der Gründerinnen als Business Angel tätig, wohingegen es bei Gründern 16 Prozent sind.
Was würden Sie Gründerinnen raten?
Was mir beim Gründen geholfen hat und weiterhin hilft, ist sehr viele Fragen zu stellen und um Hilfe zu bitten – vor allem, wenn ich mir sicher bin, dass andere bessere Ideen oder bestimmte Erfahrungen schon gemacht haben. Der Mut, sich in solchen Momenten zu öffnen und eine Art Vulnerabilität einzugestehen, bringt dich weiter. Die meisten Menschen sind großzügig und sehr gerne bereit zu unterstützen.
Zusammen mit Ihren Kolleginnen Nina Bernarding und Marissa Conway haben Sie 2016 das Center for Feminist Foreign Policy gegründet. Was ist das Ziel Ihrer Arbeit?
Wir sind eine Mischung aus feministischem Think-Tank und Menschenrechtsorganisation und implementieren Projekte zu feministischer Außen- und Sicherheitspolitik. Es geht beispielsweise um die Zentrierung der Stimmen afghanischer Frauen dahingehend, wie die internationale Gemeinschaft gegenüber der Taliban auftreten soll. Bei einem anderen Projekt geben wir Erfolgsmethoden über zivilgesellschaftliche Demokratieverteidigung weiter.
Feministische Außenpolitik basiert auf Geschlechtergerechtigkeit und der Überwindung von Macht- und Gewaltstrukturen als Grundlage für Frieden. 2021 verankerte die Bundesregierung dieses Konzept im Koalitionsvertrag, 2023 konkretisierte das Auswärtige Amt die Leitlinien, an deren Entwicklung Lunz beratend mitwirkte. Ziel ist es, Frauen- und Mädchenrechte zu stärken, ihre Repräsentation in der Gesellschaft und Außenpolitik zu erhöhen und einen gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen wie Bildung und dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Frieden und Sicherheit, einschließlich Rüstungskontrolle und Abrüstung.
Ihr erstes Buch trägt den Titel „Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch”. Ihr neues Buch heißt „Empathie und Widerstand“ – worum geht es genau?
Das Buch handelt von Haltung. Es geht darum, wie wir in diesen anstrengenden und komplexen Zeiten einen moralischen Kompass für uns finden können. Es bietet Strategien und Ideen, wie wir uns für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen können. Dies erreichen wir, indem wir Empathie für die Perspektiven anderer aufbringen und gleichzeitig Widerstand leisten, wenn fundamentale Werte wie Menschenrechte oder Menschenwürde verletzt werden.
Was sind aktuell die größten Hürden bei Ihrer Arbeit und in der Gesellschaft?
Eines der größten Widerstände unserer Arbeit sind rechte und rechtsextreme Akteure, die am liebsten unsere Arbeit untergehen sehen würden.
Eines der größten Widerstände unserer Arbeit sind rechte und rechtsextreme Akteure, die am liebsten unsere Arbeit untergehen sehen würden. Es ist genauso eine Gesellschaft, die in sehr geringem Ausmaß nur bereit ist, Frauen- und Menschenrechtsarbeit zu finanzieren. Auch ist es ein zunehmend internationaler Wandel, hin zu mehr Autoritarismus und Militarisierung. Das sind Strömungen, die unserem Ziel für weltweite Menschenrechte, Sicherheit und Frieden entgegenstehen.
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Frauen, wie meine Mentorin Dr. Scilla Elworthy, die knapp 50 Jahre älter ist und dreimal mit dem Friedensnobelpreis für ihre Arbeit zur Friedensbildung nominiert wurde. Genauso die deutsche Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal und die Aktivistinnen, die 2017 den Friedensnobelpreis dafür erhalten haben, den Atomwaffenverbotsvertrag zu erwirken. Oder eine Ailbhe Smyth, die in Irland dazu beigetragen hat, dass 2018 Abtreibungen legalisiert wurden.
Eva Rabbe, Jahrgang 1999, kreidet auf den Straßen ihrer Heimatstadt Braunschweig sexualisierte Gewalt an und gründete 2020 die Initiative Catcallsofbs. Ihren Bachelor machte sie in Medienmanagement in Salzgitter. Für ein Praktikum bei Jung von Matt zog sie nach Hamburg. Dort entwickelte sie als Werkstudentin Social Media Konzepte für diverse Unternehmen: Nur Corona hielt sie davon ab, für Adidas den Halbmarathon in Berlin zu laufen. Privat joggt und fotografiert Eva gerne. Mittlerweile probiert sie sich zudem auf der Bühne im Thalia Theater aus. Kürzel: rab