Eva Müller ist selbstständige Illustratorin. In ihren Comics beschäftigt sie sich mit Tabuthemen. „Sterben ist echt das Letzte“ ist ihr erster veröffentlichter Comic und gleichzeitig ihre Bachelorarbeit.
Eva Müller kommt aus dem Saarland. An der FH Koblenz hat sie Sozialarbeit studiert und nach ihrem Diplom in Hamburg als Sozialpädagogin gearbeitet. Ihren zweiten Bachelor in Illustration an der HAW hat sie 2017 abgeschlossen. Seitdem ist sie selbstständige Illustratorin und leitet Comic- und Zeichenworkshops. “Sterben ist echt das Letzte” ist ihr Comic-Debüt.
FINK.HAMBURG: Du hast drei Jahre an dem Comic „Sterben ist echt das Letzte“ gearbeitet. Welche Wirkung hatte das auf dich?
Eva Müller: Es hat für mich etwas Therapeutisches. Ich habe große Angst vor dem Tod, vor Leichen oder davor, dass Freunde oder Bekannte sterben. Diese ganzen Ängste sind durch die Arbeit an meinem Comic besser geworden, weil ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe.
Woher kommt dein Interesse, den Tod und das Sterben in deiner Bachelorarbeit aufzugreifen?
Es gibt ein Zitat von Andy Warhol, dass alles was er macht, mit dem Tod zu tun hat. Mir ist aufgefallen, dass es bei mir auch so ist. In jedem Buch und in jeder Geschichte kommt der Tod vor. Das ist eine Art Obsession. Erst dachte ich, ich wäre morbide, aber das stimmt nicht. Es ist einfach interessant. Und bei so einem dicken Buch brauche ich ein Thema, das mich wirklich interessiert, sonst mache ich das nicht.
Aber ich glaube, ich habe mich schon immer zu solchen Themen hingezogen gefühlt. Auch als Sozialpädagogin habe ich keine fröhliche Arbeit gemacht. Ich habe in Hamburg mit Strichern am Hauptbahnhof gearbeitet. Für junge Männer in St. Georg, die sich prostituieren. Auch da gab es schon eine gewisse Richtung für mich.
Du hast vorher Sozialpädagogik studiert. Wie bist du zum Zeichnen und Illustrieren gekommen?
Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Mit Kunst oder Zeichnungen sein Geld zu verdienen, war nie ein Thema bei uns. Deswegen habe ich es auch nie als Möglichkeit gesehen. Ich bin aber während meiner Arbeit als Sozialpädagogin nach Rumänien gegangen und habe dort gearbeitet. Am Anfang war ich sehr viel alleine unterwegs. Da habe ich wieder angefangen, zu zeichnen. Das war mein Rückzugsort. Daheim in Deutschland haben dann immer mehr Leute zu mir gesagt: „Mach das in eine Mappe und gib das ab!“.
Die Eignungsprüfung habe ich bestanden, obwohl ich nur meinen Wasserfarbkasten dabei hatte. Ich habe das Studium dann angefangen, bin da irgendwie reingerutscht. Und dann war das viel besser als alles, was ich vorher gemacht habe.
Oft schreiben Autoren über sich, benutzen aber eine fiktive Person. Du bist in all deinen Werken Protagonistin. Warum?
Ich erfinde oft Geschichten, die ich gar nicht erlebt habe und benutze mich einfach als Figur. Ich würde das erweiterte Autobiografie nennen. Das fällt mir leichter. Ich arbeite viel mit Fotos, die ich von mir selber mache und zeichne. Es ist ein leichter Zugang zu mir. So kann ich besser erzählen, weil ich mich selbst am besten kenne.
Wie ist die Resonanz auf deinen Comic?
Leute sprechen mich an, weil sie sich in manchen Geschichten wiederfinden und sich freuen, dass jemand über den Tod redet. Ganz viele fangen auch mit mir an, über den Tod zu reden, obwohl sie mich gar nicht kennen. Ich glaube, das liegt daran, dass mein Buch nicht nur mystifiziert und melancholisch ist, sondern auch witzig und ehrlich. Dass man auch sagt: „Ich hab Schiss davor“, und damit umgeht. Deswegen ist die Resonanz auch durchweg positiv.
Möchtest du mit deiner Arbeit Tabuthemen in der Gesellschaft ansprechen?
Das weiß ich nicht. Ich mache das, was mich interessiert. Am liebsten schaue ich düstere Filme. Und wenn ich zeichne, schaue ich die ganze Zeit Dokumentationen über Serienmörder. Völlig Banane. Aber tatsächlich entspannt mich das. Ich neige eher zu brutalen und düsteren Themen, die fesseln mich mehr. Aber ich bin überhaupt nicht brutal. Und das hat auch gar nichts damit zu tun, dass man morbide ist. Für mich ist es einfach spannender, gruselige Sachen anzuschauen und zu zeichnen.
Warum ziehst du Bücher einem digitalen Medium vor?
Bücher schaffen eine andere Atmosphäre als etwas Digitales. Es ist mir schon wichtig, dass es etwas zum Anfassen und Mitnehmen ist. Ich zeichne alles von Hand und färbe es dann mit Photoshop ein. Da bin ich vielleicht ein bisschen oldschool, aber ich liebe das Zeichnen. Es tut mir einfach gut.
Du hast dich über die dreijährige Arbeit an dem Buch ständig mit Sterben und Tod auseinandergesetzt. Wie möchtest du denn sterben und bestattet werden?
Eigentlich will ich gar nicht sterben, das fände ich am tollsten. Aber das geht halt nicht. Deswegen habe ich mich an den Gedanken gewöhnt. Am liebsten würde ich ganz alt einschlafen. Ich finde alt werden geil!
Ich will nicht verbrannt werden. Das finde ich brutal. Der Körper ist ja organisch, den legt man hin und dann verschwindet er von selbst. Deswegen würde ich am liebsten in ein Tuch gewickelt und in die Erde gelassen werden. Das gibt ja auch den ganzen Pflanzen und der Erde viel zurück. Das finde ich viel logischer. Außerdem möchte ich einen Ort haben, wo meine Freunde und Verwandte hingehen können. Ich finde Friedhofskultur sehr schön. Viele schreckt das ab, aber ich gehe total gerne auf Friedhöfe.
Und die Bestattungsfeier sollen die Menschen planen, wie es für sie gut ist. Ich finde es ganz befremdlich, wenn von den Verstorbenen die Trauerfeier organisiert wird, aber die Trauergemeinde damit nichts anfangen kann. Das will ich niemandem aufzwingen.
Wie gehen die Leute damit um, dass du so offen über den Tod zeichnest und sprichst?
Ich habe den Eindruck, dass die Leute mir krasse Geheimnisse verraten. Die sind erleichtert, dass sie jemandem erzählen können, dass sie Angst davor haben zu sterben oder wie sie sich den Tod vorstellen. Der Bedarf, darüber zu reden, ist auf jeden Fall da.
Außerdem entwerfe ich auch Beileidskarten. Da steht dann nicht „Herzliches Beileid“, sondern ehrliche Dinge wie „Ich habe gerade keine Worte dafür. Es tut mir leid.“ Da kann ich dann auch als Zeichnerin oder Designerin etwas verändern, denn solche Karten gibt es noch gar nicht. Es muss doch nicht auf jeder Karte eine Taube oder ein fallendes Blatt sein. Das sind doch einfach Klischees.
Was ist denn dein nächstes großes Projekt?
Das ist noch nicht ganz klar, aber es geht um das Thema Arbeit. Wie man Geld verdient und die Arbeitsstrukturen in der Welt funktionieren. Gleichzeitig aber auch welchen Zwängen man ausgesetzt ist.
Der Comic “Sterben ist echt das Letzte” ist im Schwarzer Turm Verlag erschienen und für 12 Euro erhältlich.