In Deutschland gibt es nur zwölf ausgebildete Schokoladen-Sommeliers. Einer davon lebt im Hamburger Umland. Beim Tasting erklärt Jan Klüver, wieso kuriose Kombinationen mit Koriander, Speck und Roquefort-Käse so gut funktionieren.
Sie sieht aus wie normale Schokolade, doch sie schmeckt nach Curry – aber nicht nur. Ganz gleichmäßig wirken die weiße Schokolade und das kräftige indische Gewürz im Mund. Kein Geschmack dominiert den anderen, Süße und Schärfe sind völlig ausgewogen. Die Stille beim Probieren bringt Jan Klüver zum Lächeln.
„Da muss man genau die Balance halten”, sagt der Schokoladen-Sommelier. “Ein Nullachtfünfzehn-Curry würde einfach verschwinden, aber die dominantere Variante fügt sich gut neben der Schokolade ein.“ Dieses Gleichgewicht zu halten und die feinteilige Aromatik kennenzulernen, war eine der wichtigsten Lehren während seiner Ausbildung. Zusammen mit seiner Frau Danila hat Klüver 2015 im Hamburger Vorort Uetersen die Schokoladen-Manufaktur Daja Chocolate eröffnet. Seit letzten Herbst ist er einer von deutschlandweit zwölf ausgebildeten Schokoladen-Sommeliers.
Aroma-Experimente in Uetersen
In den knapp sechs Monaten Ausbildung lernte Klüver den Geschmack verschiedener Schokoladen zu beschreiben und auch etwas zum Anbau und zur Herkunft der Rohstoffe. Besonders spannend fand er das Food-Pairing, also das Kombinieren verschiedener Lebensmittel. „Man muss sich das wie ein großes Zahnrad vorstellen. Jeder Rohstoff lässt sich in ganz viele verschiedene Aromen zerlegen – teilweise mit 100 bis 200 Verästelungen. Verhaken sich die Zahnräder, kann man zwei Dinge miteinander kombinieren.“
So erklärt sich, warum ungewöhnliche Paarungen funktionieren, wie Tonkabohne-Mohn, Kardamom-Pistazie oder Limette-Koriander. Der Sommelier liebt Experimente. An einem Projekttag in der Ausbildung kreierte er sogar eine Barbecue-Praline.
„Vor uns lagen ein paar Zutaten – unter anderem auch Bacon, Salami und Tomaten”, sagt er. Schnell entstand die Idee zur Barbecue-Schokolade. “Wir haben eine Schokolade verwendet, die sehr rauchig schmeckt, Bacon und Salami angebraten und mit der Tomate in eine Praline reingebracht.“ Bisher war die Praline noch nicht im Laden – im Sommer will Jan Klüver aber auch diese ungewöhnliche Sorte im Verkauf testen.
Eine kleine Gruppe an Besuchern ist diesmal zum Tasting nach Uetersen gekommen. Sie hat hinter der Schokoladen-Manufaktur im Café Platz genommen. Es duftet nach Kakao. Die Sonne scheint durch große Fenster auf die norddeutsche Holzmöbel. An den Wänden hängen Bilder von Kakaobohnen, Urkunden von Pralinenwettbewerben und eine Weltkarte, die die verschiedenen Anbaugebiete zeigt.
Als Nächstes wird die Sorte “Azteken Gold” gereicht. “Das ist eine Schokolade, bei der man sich Zeit lassen muss”, sagt Jan Klüver. Je länger das Stück auf der Zunge liegt, desto mehr kommen verschiedene Geschmacksrichtungen heraus: eine scharfe Chili-Flocke, etwas Kardamom, schwarze und rote Pfefferkörner. “Eigentlich war die Gewürzmischung zum Grillen gedacht. Manchmal reichen aber auch die einfachen Sachen, um eine spannende Schokolade zu kreieren.”
Neuer Trend: die Herkunftsschokolade
Jeder Deutsche isst knapp 9,5 Kilo Schokolade im Jahr – zum großen Teil Industrieschokolade. In den letzten Jahren werden aber Herkunftsschokoladen immer beliebter. Weinkäufer achten bereits seit Jahrzehnten auf Anbaugebiete und Jahrgänge – ein Trend, der jetzt auch die Schokoladenszene erreicht. Schließlich wirken das Klima, der Boden und die verwendeten Kakaosorten auf das Aroma der Bohne ein.
„Drei verschiedene Schokoladen mit 70 Prozent können komplett unterschiedlich schmecken”, sagt auch Jan Klüver. “Nach verschiedenen Zuckern, Hölzern, Tabaknoten, Fruchtnoten und im Grunde allen erdenklichen Aromen.” Vieles hängt schon davon ab, wo der Kakaobaum wächst: Steht er alleine auf einer Kakaoplantage oder mitten im Urwald? Dort könnten Aromen von angrenzenden Mango- und Bananenbäumen auf die Kakaobohnen übergehen. Das herauszuschmecken, ist eine der Aufgaben des Sommeliers.
Die letzte Praline
Nur noch eine Praline liegt auf dem Probierteller – es soll auch die letzte sein. „Chili-Pralinen probiert man am besten immer zum Schluss. Es könnte scharf werden“, sagt Jan Klüver warnend. Beim ersten Bissen schmeckt man nur die fruchtig-süße Kirsche – mit ein paar Sekunden Verspätung breitet sich auch die Schärfe im Mund aus. Das kleine Feuer reiht sich aber schnell wieder neben die Frucht ein.
Der Sommelier behält recht: Nach dem Tasting liegt die Schärfe noch lange im Mund. Der Teller ist leer. “Ich kann auch nicht unendlich viel am Tag probieren”, erzählt Jan Klüver. Höchstens noch ein Stückchen seiner Lieblingssorte: „Den Klassiker Vollmilch. Vollmilch-Haselnuss, um genau zu sein. Dafür lass ich auch alles andere liegen.“