Drei von vier Haushaltshilfen arbeiten ohne Steuern zu zahlen. Jeder kennt jemanden, aber keiner will es gewesen sein. Zwei Arbeitgeber und eine Putzfrau schildern ihre Erfahrungen mit Schwarzarbeit.
Carina Nowak* aus Hamburg putzt schwarz und hat kein Problem damit, darüber zu sprechen. Sie ist fast fünfzig und kommt gebürtig aus Polen. “Muss ich das wirklich sagen? Das hört man doch”, sagt sie lachend. Dann wird sie ernst. Sie hat eine kaufmännische Ausbildung gemacht und arbeitet in Hamburg bei einer großen Einzelhandelskette. Nach Feierabend putzt sie die Wohnungen anderer, um über die Runden zu kommen. Denn von ihrem Teilzeitgehalt können ihre Tochter und sie nicht leben: “Keiner fragt mich, ob ich klarkomme. Irgendwann vernachlässigst du dein Kind und dein eigenes Leben. Eigentlich ist das gar kein Leben mehr, ich vegetiere nur vor mich hin.”
Schwarzarbeit als Wirtschaftsbremse
Wie viele Menschen in Deutschland arbeiten, ohne Steuern zu zahlen, ist schwer zu sagen. Umfragen sind nur bedingt aussagekräftig, weil nur Wenige zugeben, selbst schwarz zu arbeiten. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln leisteten im Jahr 2013 nur zwei Prozent Schwarzarbeit, 27 Prozent kannten aber jemanden aus dem Bekanntenkreis, der schwarz arbeitet.
Als Schwarzarbeit gelten laut IW unter anderem Leistungen, bei denen sozialversicherungsrechtliche oder steuerliche Pflichten nicht erfüllt werden oder Sozialleistungsempfänger ihrer Mitteilungspflicht nicht nachkommen. Völlig in Ordnung ist es dagegen, wenn der Nachbarsjunge den Rasen mäht und dafür fünf Euro bekommt. Leistungen, die nicht auf Gewinn abzielen, und von Angehörigen, Lebenspartner aus Gefälligkeit oder im Rahmen der Nachbarschaftshilfe getätigt werden, sind keine Schwarzarbeit.
Für eine Stunde Schwarzarbeit bekommt man in Deutschland durchschnittlich zehn Euro, wobei der Stundenlohn in einigen Bereichen auch deutlich nach oben abweichen kann. Handwerker, Gebäudereiniger und Angestellte von Sicherheitsdiensten arbeiten am häufigsten schwarz. Laut dem aktuellen IW-Report entgehen dem Deutschen Staat durch Schwarzarbeit jährlich etwa 70 Milliarden Euro. Die Summe setzt sich aus dem Arbeitseinsatz und dem Materialeinsatz zusammen.
Jeder zehnte Haushalt leistet sich eine Haushaltshilfe
Haushaltshilfen arbeiten besonders häufig schwarz. Nach Berechnungen des IW sind zwischen 73 und 85 Prozent der im Haushalt beschäftigten Hilfskräfte nicht angemeldet. In Deutschland waren es 2016 ca. 2,8 Millionen Personen, die in Privathaushalten illegal kochen, putzen und Kinder beaufsichtigen. Fast jeder zehnte Haushalt leistet sich den Luxus einer Haushaltshilfe – die wenigsten tun das legal. Der Wohnort spielt dabei eine entscheidende Rolle: In Hamburg und Bremen kann sich mehr als jeder zehnte eine Haushaltshilfe leisten, in ländlichen Regionen und den östlichen Bundesländern sind es deutlich weniger.
Monika Koban* gehört zu den Hamburgern, die sich eine Haushaltshilfe leisten. Sie ist 56 Jahre alt, lebt mit ihrer Familie in Bergstedt und ist im Handel als Projektassistentin tätig. Sie schätzt, dass 60 Prozent ihrer Bekannten eine Haushaltshilfe beschäftigen. Die wenigsten davon seien angemeldet. Darüber werde im Freundeskreis aber nicht gesprochen: “Es wird nur gefragt, ob man jemanden hat und wie viel man der Person zahlt. Die meisten wollen auch gar nicht angemeldet sein.” Auch bei Monikas Haushaltshilfe war das am Anfang so. Ihren Stundenlohn von zehn Euro wollte die Peruanerin vier Jahre lang nicht versteuern, dann hat sie es sich plötzlich anders überlegt und verlangte auch Urlaubsgeld. “Ich habe ihr zwar immer mal wieder angeboten, dass wir das auch als Minijob machen können, aber was genau damit zusammenhängt, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Urlaubsgeld ist nämlich gesetzlich vorgeschrieben.”
Vier legale Beschäftigungsarten
Auch Annika Schneider* bekommt seit drei Jahren Hilfe im Haushalt. Für die 40-Jährige aus Ottensen kam es bisher nicht in Frage, ihre Haushaltshilfe anzumelden: “Eigentlich hat das ausschließlich etwas mit Bequemlichkeit zu tun: Eine Freundin hat sie mir empfohlen und da war das eben so.” Die Grundschullehrerin hat drei Kinder und ist gerade in Elternzeit. Die meisten ihrer Freunde mit Kindern haben eine illegale Haushaltshilfe, die mindestens alle zwei Wochen für vier Stunden vorbeikommt. Der persönliche Draht und die Gewissheit, eine Person im Haus zu haben, die sie kennt, ist Annika dabei sehr wichtig: “Auch wenn sie einen Schlüssel hat, bin ich manchmal da, wenn sie kommt, und quatsche dann auch mal 20 Minuten mit ihr.”
Wie sie ihre Haushaltshilfe anmelden könnte und welche Vorteile das für beide Seiten hätte, damit habe sich Annika noch nicht viel beschäftigt: “Ich weiß nur, dass es diese Agenturen gibt und Angestellte dann besser abgesichert sind, weil sie dann auch versichert werden.” Dienstleistungsagenturen sind nur eine von vier Beschäftigungsformen, zwischen denen Haushaltshilfen wählen können. Neben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in einem Haushalt, besteht außerdem noch die Möglichkeit, die Arbeit als Minijob anzumelden oder sich selbstständig zu machen. Die Beschäftigungsarten unterscheiden sich vor allem im Hinblick auf den bürokratischen Aufwand, die Sicherheiten für den Arbeitnehmer und das Nettogehalt.
Carina fällt kein einziger Grund ein, warum sie ihre Arbeit als Haushaltshilfe anmelden sollte.
“Ich sehe das ehrlich gesagt nicht ein. Ich kenne genug Leute, die sind Anwälte und Bauunternehmer, verarschen von vorne bis hinten und kassieren schwarz so viel Kohle, wie ich nicht mal in einem Monat verdienen könnte.” Den kleinen Betrag, den sie im Monat dazu verdiene, könne man sich als Alleinerziehende mal gönnen.
“Die Anmeldung ist total einfach”
Laut Monika ist die Anmeldung total einfach: “Man schreibt der Minijob-Zentrale, gibt seine Daten und die der Haushaltshilfe an und bekommt eine Betriebsnummer.” Aufs Jahr gerechnet wendet sie nicht mehr als fünf bis zehn Stunden für das Ausfüllen der Stundenzettel und anderer Formulare auf – der Aufwand überfordert aus ihrer Sicht keinen. Nachteile durch die Anmeldung gebe es für sie keine. Selbst der Sozialversicherungsbeitrag, den sie zahlen muss, werde von der Minijob-Zentrale automatisch vom Konto abgebucht und kann von den Steuern abgesetzt werden.
Der Anreiz, die Beträge von den Steuern absetzen zu können, überzeugt Annika nicht. Dass ihre Haushaltshilfe versichert wäre, schon eher: “Dann könnte man durchaus darüber nachdenken. Vorausgesetzt sie möchte angemeldet werden. Ich hatte immer das Gefühl, dass ihr das Unverbindliche gerade gut passt.” Das eigentliche Dilemma ist für Annika ein ganz anderes: “Ich wollte nie, dass jemand für mich putzt. Nach meinem zweiten Kind brauchte ich dann Hilfe.” Dabei seien sie weder reich noch hätten sie eine Villa. Auch wenn die Kinder fragen, ob “heute unsere Putzfrau kommt”, ist ihr das sehr unangenehm. “Esmé* heißt sie, man sollte sie beim Namen nennen.”
Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt
Laut IW ist Schwarzarbeit für einen Großteil der Bevölkerung lediglich ein Kavaliersdelikt. Auch Annika ist nicht klar, was passieren würde, wenn sie auffliegt. Tatsächlich drohen hohe Strafen: “Arbeitgeber, die eine Haushaltshilfe schwarz beschäftigen, können wegen Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen bestraft werden. Arbeitnehmer, die schwarz arbeiten und Leistungen beziehen, können wegen Betruges oder Erschleichens von Sozialleistungen verfolgt werden. Das Strafmaß reicht von einer Geldstrafe bis hin zur mehrjährigen Haftstrafe”, sagt Ralf Deutschendorf, Fachbereichsleiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Hamburg.
Schwarzarbeit stoppen – aber wie?
Um der illegalen Beschäftigung entgegenzuwirken, wurde beim Zoll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ins Leben gerufen. An 100 Standorten beschäftigen sich täglich rund 6700 Mitarbeiter mit dem Thema. Davon arbeiten aktuell 130 in Hamburg. Die Behörde wird bis 2019 auf 180 Beschäftigte aufgestockt. Dies ist auch notwendig, um die vielen gemeldeten Fälle abarbeiten zu können.
Die meisten Hinweise kommen von Personen aus dem unmittelbaren Umfeld der Beschuldigten: “Man gönnt einander heutzutage nichts mehr. Das ist eine Missgunst, von der wir profitieren”, sagt Deutschendorf. Nicht selten sind die Fälle absurd: “Skurril ist es, wenn wir unsere Ermittlungsergebnisse vor Gericht präsentieren und der Ex-Partner, der uns ursprünglich den Hinweis gegeben hat, wieder neben dem Beschuldigten sitzt, weil sie sich versöhnt haben”, sagt Deutschendorf und lacht. Weil nicht jeder Haushalt unter Generalverdacht gestellt werden darf, ist eine Art “Hauspolizei” in Form von Kontrollen in Privatwohnungen nicht erlaubt. Hinweisen auf Schwarzarbeit darf jedoch nachgegangen werden, wenn sie sich erhärten und ein Durchsuchungsbeschluss vorliegt. Bei den Ermittlungen werden oft Computer, Notizbücher, Kalender und Smartphones beschlagnahmt, selbst WhatsApp-Chats können Aufschluss über ein mögliches Arbeitsverhältnis geben.
Um Schwarzarbeit nachhaltig entgegenzuwirken, müsse die Politik die Anreize für Schwarzarbeit verringern, sagt Dominik Enste, IW-Experte und Herausgeber des Reports. Dafür müsse es vor allem für Anbieter einfacher werden, sich legal selbständig zu machen. So könne es unattraktiver werden, sie illegal anzustellen oder zu beauftragen. Darüber hinaus solle der Staat deutlicher machen, wofür er Steuern einsetze. “Um Schwarzarbeit langfristig zu bekämpfen, darf sie nicht länger als Kavaliersdelikt durchgehen”, sagt Enste. Auch Deutschendorf ist dafür, an das Unrechtsbewusstsein zu appellieren. Dazu brauche es eine Mischung aus Abschreckung und Aufklärung.
Carina hat nicht das Gefühl, mit ihrer Nebentätigkeit etwas gesetzeswidriges zu tun. “Auch wenn das brutal klingt, finde ich es in Ordnung. Ich arbeite nicht viel und ich bin kein Verbrecher, ich mache weder etwas Verbotenes, noch bin ich kriminell.” Auf die Frage nach ihrem Traumberuf sagt Carina: “Ich hab keinen Traumberuf mehr, den hatte ich als ich jung war.” Sie lacht laut auf. “Mein Traum war es Friseurin zu werden, aber wenn ich jetzt so überlege, sind 8,30 Euro die Stunde auch eine Katastrophe. Ich kenne übrigens genug Friseurinnen, die schwarz arbeiten.”
*Namen von der Redaktion geändert