Die Bürgerbewegung “Pulse of Europe” will ein Zeichen für Europa setzen. Statt der Jungen demonstrieren in Hamburg vor allem die Älteren für die Zukunft Europas. Das hat Vor- und Nachteile.
“Europa ist Demokratie, Wohlstand und Grundrechte”, ruft Verena Sperl vom Podium in die Menge. Die Menschen wedeln mit blau-gelben Flaggen. Die Stimmung bei “Pulse of Europe” ist gut, als die junge Frau ins Mikrofon spricht. Dafür, dass es hier um ernste Themen geht, wie die Verteidigung der bürgerlichen Freiheiten und der europäischen Grundrechte, ist das Publikum überraschend fröhlich. „Wir wollen die Politik wachrütteln, sich für Europa einzusetzen“, sagt Verena und erntet Applaus.
“Pulse of Europe” ist eine pro-europäische Bürgerbewegung. Seit Januar versammeln sich die Mitglieder an jedem Sonntag zu Kundgebungen. Mittlerweile ist die Initiative in über 70 Städten in ganz Europa aktiv, auch in Hamburg. “Pulse of Europe” wächst kontinuierlich, doch in Hamburg stagniert die Teilnehmerzahl bei knapp 1000. „Wir brauchen die Studenten“ sagt Sperl. Sie steht auf der Bühne am offenen Mikrofon und blickt auf viele Köpfe mit grauen Haaren herunter. Es sind nur sehr wenige junge Leute gekommen. In anderen Städten sieht es anders aus. “Der Tagesspiegel” berichtet, dass in Berlin nicht selten drei Generationen zusammenkommen, vom Enkel bis zum Großvater. In Hamburg sind die Europa-Fans auf dem Rathausmarkt sichtbar älteren Jahrgangs.
Verena ist da eine Ausnahme. Sie ist 28 Jahre alt und zog vor zwei Jahren aus Österreich nach Hamburg, um als selbständige Eventmanagerin zu arbeiten. Dafür brauchte sie weder Aufenthalts- noch Arbeitsgenehmigung. Ein gutes Beispiel für die Vorzüge, die die Europäische Union bietet. Deshalb engagiert sie sich auch im Hamburger Organisationsteam von “Pulse of Europe”. Der Kontakt kam durch eine Freundin zustande. Seitdem übernimmt Verena verschiedene Aufgaben, wie die Organisation der wöchentlichen Veranstaltungen und die Abstimmung mit der Zentrale in Frankfurt. Hier wurde die unabhängige Bürgerbewegung begründet.
Unter den wenigen jungen Teilnehmern auf dem Rathausmarkt sind Romy und Lewis, zwei Studenten aus Edinburgh, Schottland. Sie sind für ein Wochenende nach Hamburg gekommen – und sie sind immer noch traurig über den EU-Austritt Großbritanniens. „Der Brexit ist wirklich schlimm. Wir haben das Gefühl, gegen unseren eigenen Willen aus der EU herausgezerrt zu werden“, sagt Lewis. Er wird vor allem das unkomplizierte Reisen innerhalb der EU vermissen. „Wir sind so traurig, gehen zu müssen“, sagt er. Die Älteren haben über die Zukunft der Jüngeren bestimmt, fügt Romy hinzu: „Es war die ältere Generation, die gegen den Verbleib gestimmt hat“.
Die eine Generation hat entscheiden, die andere wird die Konsequenzen tragen. Auf dem Rathausmarkt macht da der hohe Altersdurchschnitt beinahe Mut: Die Hamburger Senioren setzen ein Zeichen für ein vereintes Europa, statt sich aus ihm zurückziehen zu wollen.