Katja Suding in ihrem Büro in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Katja Suding in ihrem Büro in der Hamburgischen Bürgerschaft. Foto: Ronny Hartmann

Die FDP plant das Comeback: Nach vier Jahren will die Partei zurück in den Deutschen Bundestag. Im Interview erklärt Katja Suding, was die FDP aus der Niederlage gelernt hat und warum Cannabis legalisiert werden sollte.

Katja Suding, Jahrgang 1975, ist Spitzenkandidatin der FDP in Hamburg. Außerdem ist sie Vorsitzende der FDP in der Hamburger Bürgerschaft und stellvertretende Bundesvorsitzende. Bei der Wahl am 24. September hofft sie, in den Bundestag zu ziehen.

FINK.HAMBURG: Haben die vergangenen vier Jahre, in denen die FDP nicht im Bundestag vertreten war, der Partei genutzt oder geschadet?

Katja Suding: Das war für uns alle natürlich eine Zäsur. Wenn Sie auf Landesebene Politik machen, spüren sie sofort, dass Ihnen ohne Bundestagsfraktion die mediale Präsenz fehlt. Aber wir haben die Zeit genutzt, jenseits von Zwängen, die sich in Koalitionen und durch die Erwartungen von außen ergeben, um uns auf unsere Überzeugungen zurückzubesinnen. Das hat uns auch ein Stück befreit.

Für Sie persönlich waren die vergangenen Jahre sehr erfolgreich: 2014 wurden Sie Landesvorsitzende der FDP, 2015 stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und jetzt sind Sie Spitzenkandidatin der FDP Hamburg zur Bundestagswahl. Welche Rolle spielte die Schwächephase der Partei für Sie?

Ich war im Dezember 2013 an vorderster Front dabei und habe als Teil des Führungsteams die Neuaufstellung der Partei mitverantwortet. Wir lagen am Boden und wussten, wir müssen etwas fundamental verändern. Wir haben die FDP wie ein Start-Up neu aufgestellt. Diesen Weg mitzugehen, war schon eine ganz besondere Erfahrung.

Im Wahlprogramm befassen Sie sich mit dem Thema Hass-Postings. Sie wollen die Betreiber sozialer Netzwerke nicht per Gesetz dazu zwingen, solche Beiträge zu löschen. Warum nehmen Sie die Unternehmen nicht in die Pflicht?

Klar, die Unternehmen sollen aufmerksam sein, was auf ihren Plattformen passiert. Aber sie dürfen nicht durch ein Gesetz gezwungen werden, Beiträge zu löschen, die bei näherer Betrachtung vielleicht gar nicht rechtswidrig sind. Unternehmen dürfen nicht als Zensurbehörde auftreten. In einer Demokratie muss es Meinungsfreiheit geben und die darf nicht durch ein Unternehmen ausgehebelt werden, aus Angst vor drakonischen Strafen. Der Staat hat für die Durchsetzung der Gesetze zu sorgen und muss darauf achten, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte entsprechend ausgestattet werden, damit sich Bürger, die sich verfolgt fühlen, wehren können.

Spitzenkandidatin der Hamburg-FDP Katja Suding, zusammen mit den FINK.HAMBURG-Redakteuren Christoph Petersen und Mats Mumme (Mitte). Foto: Julian Kornacker
Die Spitzenkandidatin der Hamburg-FDP Katja Suding zusammen mit den FINK.HAMBURG-Redakteuren Christoph Petersen und Mats Mumme (Mitte). Foto: Julian Kornacker

Kein anderes Thema wird die Bundestagswahl vielleicht so beherrschen wie das Thema Sicherheit. Laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen befürchten 80 Prozent der Deutschen demnächst einen neuen Terroranschlag in Deutschland. Was sagen Sie den Menschen, wenn Sie vor Ort in Hamburg mit ihnen sprechen?

Unser Kernpunkt ist: Nicht jedes Gesetz, dessen Inhalte gut klingen, ist am Ende auch gut. Beispiel ansatzlose Vorratsdatenspeicherung: Die gibt es inzwischen ja auch in Deutschland und in verschärfter Form längst in Frankreich. Aber dort konnte sie keinen der Anschläge verhindern. Die immer größere Anhäufung von Daten kann also nicht die Antwort sein. Ich versuche den Menschen immer zu sagen, dass man das Recht auf Privatsphäre nicht aufgeben kann, nur weil man glaubt, damit einen vermeintlichen Gewinn an Sicherheit zu erzielen. Man muss sehr sensibel mit solchen Rechten umgehen und versuchen das Richtige zu tun. Das Richtige ist schlicht und einfach mehr Personal einzustellen, um diejenigen, von denen die Gefahr ausgeht, die sogenannten Gefährder, lückenlos zu überwachen und nicht 80 Millionen Deutsche unter Generalverdacht zu stellen.

Die Sicherheitsfrage ist auch immer wieder mit dem Thema Flüchtlinge verknüpft. Die FDP will, dass EU-Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, in einen Fonds einzahlen. Wie wollen sie das international durchsetzen?

Man muss diesen Ländern deutlich machen, dass sie nicht Transferleistungen der EU in Anspruch nehmen können, aber selbst keinen Beitrag leisten, zum Beispiel was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Die Länder, die sich der Verteilung von Flüchtlingen und Integration verweigern, müssen finanzielle Einbußen hinnehmen.

Integration ist ein gutes Stichwort. Die FDP will ein Teilnahmerecht von Flüchtlingen am Schulunterricht, auch wenn die Aufenthaltsdauer unklar oder nur kurz ist. Das bedeutet, dass junge Menschen Deutsch lernen, Freunde finden, sich eine Perspektive in Deutschland aufbauen – und dann vielleicht doch abgeschoben werden. Ist das nicht eher traumatisierend als integrierend?

Sie können doch Kinder und Jugendliche, die vielleicht über Monate und Jahre hinweg auf eine Entscheidung warten, nicht die Bildung verweigern. Bildung ist das, was die Menschen später in die Lage versetzt, ihren Lebensweg zu gehen, egal ob sie in Deutschland oder in ihrem eigenen Land leben. Bildung ist ein Grundrecht und das müssen wir in Deutschland auch erfüllen. Aber natürlich brauchen wir auch ein Einwanderungsgesetz, das Menschen ermöglicht hier zu bleiben, wenn sie für ihren eigenen Unterhalt sorgen und wesentliche Aufgaben übernehmen können und uns vielleicht auch dabei helfen den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.

Ein weiteres Thema Ihres Wahlprogramms sind Studiengebühren: Wenn es nach Ihnen geht, sollen sie nach dem Studium fällig werden. Klingt nach aufgezwungenem Studienkredit.

Zum einen benötigen Hochschulen dringend mehr finanzielle Mittel. Zum anderen finde ich es schwierig, dass zwar der Meister und die Logopädin für ihre Ausbildung bezahlen sollen, der Student aber seine Ausbildung über Steuermittel von allen finanziert bekommt. Und das, obwohl er hinterher mit seinem Studium meist ein höheres Einkommen erzielt. Wir wollen aber niemanden vom Studium abhalten, der nicht mit reichen Eltern geboren wurde. Denjenigen möchten wir die Möglichkeit geben, die Studiengebühren nach dem Studium zurückzuzahlen und auch nur in dem Fall, in dem er bzw. sie ein entsprechendes Einkommen erzielt. Ich glaube, das ist eine faire Lösung.

Die FDP steht auch für die Legalisierung von Cannabis. Warum ist das mehr als nur ein gutes Thema zum Stimmenfang?

Verfahren in Sachen Cannabis werden häufig wegen Geringfügigkeit ohnehin eingestellt. Hier kann man also Ressourcen sparen. Zum anderen können wir durch den kontrollierten Verkauf die Risiken von verschmutzten Stoffen und falschen Dosierungen einstellen und damit den Schwarzmarkt austrocknen. Das sind alleine zwei gute Gründe, Cannabis zu legalisieren.

Die Landesregierung in Schleswig-Holstein ist schwarz-gelb-grün, eine sogenannte Jamaika-Koalition. Ist das auch eine realistische Option für den Bundestag?

Ich glaube, Jamaika im Bund wäre auf jeden Fall schwieriger. Aber das ist für uns gar nicht das Thema. Wir kämpfen eigenständig mit unserem Programm. Koalitionen hängen davon ab, welche Themen wir in einer möglichen Regierung durchsetzen können. Regieren ist ja kein Selbstzweck. Es geht darum, die für uns wichtigen Punkte umsetzen zu können. Was passiert, wenn man das nicht schafft, haben wir in der letzten Regierungskoalition von 2009 bis 2013 (Anm. d. Red.: aus CDU, CSU und FDP) erlebt. Diesen Fehler werden wir mit Sicherheit nicht wiederholen.

Bundestagswahl Am 24. September ist Bundestagswahl. FINK.HAMBURG befragt die Hamburger Spitzenkandidaten von SPD, CDU, Grünen, FDP, LINKE und AfD nach ihren Plänen und schaut in die Wahlprogramme der Parteien. Den Auftakt macht Katja Suding von der FDP.