„Cruelty” spielt im verschneiten Reykjavik, der Hauptstadt Islands. In einem nahegelegenen Waldstück werden zwei junge tote Mädchen entdeckt. Schnell steht fest, dass es sich um einen Doppelmord handelt.
Im drittsichersten Land der Welt mit knapp über 330.000 Einwohnern geschehen solche grausamen Verbrechen nur äußerst selten. Darum zieht der Fall in Island sehr viel Aufmerksamkeit auf sich. Die Kommissarin Edda Davíðsdóttir, gespielt von Margrét Vilhjálmsdóttir, und ihr Kollege Jóhannes Scram werden mit dem Fall beauftragt und sollen ihn mit allen notwendigen Mitteln aufklären. Neben dem Befragen bereits bekannter Straftäter muss Edda auch in ihrer eigenen Familie ermitteln. Und so mischt sich in dem Krimi-Thriller neben der emotionalen Befangenheit der Hauptdarstellerin auch Selbstjustiz, Lasten aus der Vergangenheit, Vorurteile und der Drang nach Erfolg und Gerechtigkeit.
Der Film startet schnell mit einem starken Einstieg. Und auch das Intro lässt einiges zur weiteren Handlung erahnen. Dass diese anfängliche Spannung und Derbheit im Verlauf des Filmes nicht aufrechterhalten wird, ist schade. Und so wird die Chance verspielt, dem Zuschauer etwas neues und anderes zu präsentieren. Bedient werden lediglich seine Erwartungen. Trotzdem wird der Film nicht langweilig und auch die stetigen Perspektivwechsel – von Polizisten zu Tatverdächtigen – füttern den Zuschauer an, lassen ihn aber mit Andeutungen zurück, ohne zu schnell zu viel aufzulösen. Die vielen parallelen Handlungsstränge machen Neugier auf die Auflösung. So bleibt der Zuschauer stetig interessiert.
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Die düstere Stimmung der Bilder wird vom minimalistischen Ton unterstrichen. Es gibt keine Musik oder Melodie, nur brummende tiefe Töne. Lange Einstellungen in der Totalen oder als Porträt, geben den Schauspielern die Möglichkeit, ihrer Rolle viel Ausdruck zu verleihen. Vor allem die Mutter der getöteten Kinder, gespielt von Salome R. Gunnarsdottir, überzeugt, auch wenn sich ihr Verhalten nicht immer erklären lässt.
Starker Einsteig, doch leider Potenzial verschenkt
„Cruelty” ist wie viele Krimis aus dem Norden düster und grau gehalten. Dass der Film in Island spielt, wird nicht besonders hervorgehoben. Bis auf wenige Luftaufnahmen des verschneiten Reykjaviks spielen die meisten Szenen in Gebäuden und auf den Straßen der isländischen Hauptstadt.
Die meisten Wendungen lassen sich erahnen, und so unterscheidet sich der Film nicht sonderlich von anderen Krimis. Die Figuren und ihr Verhalten sind teilweise verstörend, jedoch für Krimiliebhaber nichts neues. Das Ende kommt erstaunlich abrupt und überraschend. Die wirkliche Aufklärung des Falles wird jedoch der Fantasie des Zuschauers überlassen.
ANTON SIGURÐSSON war bei seinem Debütfilm Grafir & Bein 2014 der jüngste Regisseur eines Langfilms in der isländischen Filmgeschichte. Cruelty wurde von mehr als 20.000 Kinozuschauern gesehen – ein Topwert in Island. Der Film läuft am 10.10. im Abaton und am 12.10. im Cinemaxx.