Ein Stadtteil in Vancouver, der geprägt ist von Obdachlosen, Junkies, Gewalt und Prostitution. Im Grunde ein bisschen wie Hamburg St. Pauli, aber eben doch ganz anders. Der unerwartete Abschluss einer Reise durch Kanada.
Hamburger in Absurdistan
Couchsurfing in einer Nudisten-WG, Trampen durch Polen oder Airbnb in Algerien: FINK.HAMBURG stellt in dieser Reihe kuriose Reiseerlebnisse von Hamburgern vor. Darunter auch solche, die FINK-Redakteure selbst erlebt haben.
Mein Freund und ich nehmen uns ein Taxi, es soll in eine Airbnb-Wohnung in der East Cordova Street in Downtown Eastside, Vancouver, gehen. Der Fahrer dreht sich um und fragt, ob wir wirklich sicher seien. Wir sollten uns doch lieber ein Hotel nehmen. Komisch, denken wir, die Wohnung sah doch super aus. Wir bedanken uns freundlich für den Hinweis, dennoch fahren wir in Richtung Airbnb-Wohnung los.
Wir sind zu früh und kommen in die Wohnung noch nicht rein. Mit den Wanderrucksäcken, an denen von außen noch Schuhe und Schlafsäcke befestigt sind, erkunden wir die Gegend. Bereits an der ersten Ecke frage ich mich, wo wir hier gelandet sind. Überall Obdachlose, lumpige Kleidung hängt in Fetzen von ihren meist sehr schmalen Körpern. Von den Häusern bröckelt die Fassade, Fenster sind eingeschlagen und die Graffitis kann man nicht mehr zählen.
Ich blicke in eine Gasse zwischen zwei Häusern und sehe, wie sich ein Mann, dessen Wirbelsäule sich durch seinen Pullover drückt, einen Schuss in den Arm setzt. Wir weichen einer Gruppe aus, die einen wie auch immer gearteten Deal abzuschließen scheinen. Eine Frau mit zerstochenen Armen und zerfledderten, schmutzigen Klamotten geht verwirrt auf dem Gehweg auf und ab und sucht nach etwas.
An den Straßenecken versuchen Menschen ihre Habseligkeiten zu verkaufen: Schuhe mit Löchern, kaputte Radios, dreckiges Kinderspielzeug. Der Geruch, der uns aus manchen Seitengassen entgegenschlägt, ist eine Mischung aus Urin, Kot, Galle und Dreck, der sich beißend in der Lunge breitmacht. Er vergeht nicht.
Ich denke an die Rücksäcke auf unserem Rücken. Es ist nicht zu übersehen, dass wir hier nicht hergehören und wir haben offensichtlich alles dabei, was ein Obdachloser gut gebrauchen könnte. Ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit. Alle gucken uns an, gehen uns aber aus dem Weg.
Ich will hier wieder weg. Vancouver: Eine Stadt, auf die wir uns so gefreut hatten, empfängt uns mit einem Spalier aus Fixernadeln.
Seit zwei Wochen sind wir in Kanada unterwegs, waren in den Bergen wandern und am Stand von Long Beach auf Vancouver Island campen. Zum Abschluss unserer Reise wollten wir noch vier schöne Tage in Vancouver verbringen. Kanada ist ein teures Land und unser Airbnb-Apartment war vergleichsweise billig. Hätte uns das stutzig machen sollen?
Es ist nicht so, als ob unser Host uns nicht vor der Gegend gewarnt hätte: „The Downtown Eastside has a reputation, […] you will surely see some things that may be unsettling (drug use, prostitution etc).“ Wir haben diesen Text gelesen und uns nicht viel dabei gedacht. Schließlich kommen wir aus Hamburg und hier gibt es auch viele Obdachlose und Prostitution. Was ist schon dabei?
Das Ausmaß dieses Elends auf der East Hastings hat jedoch alles übertroffen, was wir uns hätten vorstellen können. Es ist erstaunlich wie schnell sich der Mensch an Grenzsituationen gewöhnen kann. Und trotzdem: Mit Hilfe von reichlich schwarzem Humor und direkten Wegen ins Stadtzentrum, konnten wir unseren Aufenthalt in der East Cordova Street dennoch überstehen. Vancouver eine schöne Stadt. Und als Fazit: Sollte uns jemals wieder ein Taxifahrer vor einer Gegend warnen, nehmen wir ihn ernst.
Danke für die Mühe, die Sie gemacht haben, um das alles zusammenzutragen.Ein sehr schöner Beitrag.