Eine Anleitung für alle, die schon lange mal wieder etwas Gutes tun wollen und sowieso viel zu wenig Zeit an der frischen Luft verbringen. Wir hätten da was: Ein Tag im Wald.
„Willst du mit mir in den Wald gehen?“ Als die Nachricht bei Facebook aufploppt, denke ich im ersten Moment: „Ah, romantisch, aber mit einer solchen Nachricht bist du bei mir an der falschen Adresse. Ich bin in einer glücklichen Beziehung.“ Es ist zum Glück aber nur Paul (Sorry, Paul!). Paul ist ein guter Freund von mir und eine Art urbaner Nachhaltigkeits-Nerd. „Wir können ein paar Bäume pflanzen und mal wieder quatschen“, schreibt er.
Nun gut. Bei dem ganze Rumgehocke in der Uni und bei der Arbeit käme mir das eigentlich ganz entgegen. Außerdem „Bäume pflanzen“, hallo? Stichwort Nachhaltigkeit: eine gute Tat. „Du kriegst 30 Jungpflanzen und einen Spaten und ab geht’s“, schreibt Paul. Bitte, wie viele? Die einzige Pflanze, die ich je besessen habe, war ein Kaktus und der hat nicht überlebt. Egal!
“Bloß nicht dreckig werden”
Warum wir Laubbäume gepflanzt haben:
Grundwasser wird vor allem im Herbst gebildet. Dabei spielen Laubbäume eine entscheidende Rolle. Sie tragen in dieser Zeit keine Blätter und sorgen dafür, dass Regenwasser in großen Mengen in den Waldboden gelangen kann. Pilze und Mikroorganismen filtern zudem Schadstoffe heraus. 200 Liter mehr Grundwasser und somit Trinkwasser werden so erzeugt – pro Baum, pro Jahr.
Ein paar Tage später, nach der 40 minütigen S-Bahnfahrt (selbstredend nicht mit dem Auto), geht es im Shuttlebus nach Klövensteen. Die letzten Meter gehen wir zu Fuß. Der Boden ist nass und schlammig, ein Glück habe ich meine alten Wanderschuhe dabei. Die Wetterprognose verheißt nichts Gutes. Darin sind sich der Blick in den Himmel und meine Wetter-App ziemlich einig. Ich denke noch: „Bloß nicht dreckig werden“ – rückblickend ist der Gedanke ziemlich niedlich.
Natürlich kann man nicht einfach in einen Wald marschieren und Bäume pflanzen, wie man lustig ist. Vor allem nicht als Städter. Weil es trotzdem mehr Laubbäume braucht, organisiert die Klimapatenschaft GmbH bereits zum vierten Mal gemeinsam mit der Försterei Klövensteen eine Pflanzaktion für die Grundwasserbildung (siehe Kasten). Aus dem Nadelwald soll ein Mischwald werden.
Vier Spatenstiche. Erde raushebeln. Baum rein. Zuschütten
Insgesamt wurden 15.000 Laubbäume an zwei Tagen gepflanzt. Firmen konnten mitmachen und so einen Teil ihres jährlichen Wasserverbrauchs ausgleichen. Rund 500 Mitarbeiter von 40 Hamburger Unternehmen waren bei der Aktion dabei.
Nach dem ersten wärmenden Kaffee, versammeln sich die Pflanzwilligen in einem Halbkreis. Nach ein paar Worten des Veranstalters übernehmen „Herr Wald und Frau Wasser“. In einem kleinen Schauspiel verdeutlichen die zwei verkleideten Darsteller die Zusammenarbeit zwischen Wald und Wasser: „Immer, wenn’s ums Wachsen geht, ist nur gemeinsam was zu machen. Wir brauchen eure Hände, eure Beine, dass alles wieder miteinander lebt.“ Klingt gut. Ich bin bereit.
Mit einem Spaten, Handschuhen und einer gehörigen Portion Respekt ziehen wir los. Tiefer in den Wald. Es ist ein bekanntes und zugleich unbekanntes Gefühl. Das letzte Mal war ich wahrscheinlich mit neun Jahren abseits des Weges mitten im Wald – zum Spielen, in den Ferien. In dieser Form ist das auf jeden Fall verdammt lange her.
Mit ein paar gekonnten Handgriffen zeigt uns Justus, einer der Wald-Fachleute, wie man so einen Baum pflanzt. „Vier Spatenstiche, dann nach dem letzten Spatenstich die Erde im 45-Grad-Winkel raushebeln, Baum rein und wieder zuschütten“, sagt Justus. Klingt einfach.
Ich fühle mich wieder wie mit neun
Paul und ich suchen uns eine ruhige Stelle, den schweren Sack mit circa 30 Bäumen haben wir dabei. Mittlerweile hat sich die Sonne durch die Wolkendecke gekämpft und bringt die Farben zum Strahlen. Keiner der Setzlinge ist viel größer als ein Ast – am oberen Ende flattern ein paar kleine Blätter, unten entwachsen die fädrigen Wurzeln. Bereits nach den ersten paar Bäumen sind wir ein eingespieltes Paar: Einer hebt die Erde aus, der andere setzt den Baum ein. Erde wieder drauf. Platt treten. Fertig.
Nach den ersten zehn Bäumen verlieren wir jegliche Scheu vor Wald und Aufgabe. Wir knien in der Erde, schaufeln den Sand und das Moos mit den Händen über das junge Pflänzchen, die Wangen fangen an zu glühen, unsere Jacken sind mit Schlamm verschmiert. Mit den dreckigen Händen die Haare aus dem Gesicht streichen. Egal. Es macht richtig Spaß. Ich fühle mich wieder wie mit neun. Wieso war ich so lange nicht im Wald? In diesem wunderschönen „Parallel-“Universum, das diesen speziellen herb-süßliche Geruch nach Holz, Laub, Pilzen und Regen verströmt, die beruhigende Stille, die nur durch ein leises Knacken im Unterholz oder entfernte Vogelgesänge unterbrochen wird.
Am Ende pflanzen wir uns in einen Rausch. 80 Bäume werden von uns in die Erde gesetzt. Nach drei Stunden ergießen sich auch endlich die schwarzen Wolken über uns, die seit einiger Zeit wieder über dem Wald hängen. Noch vor kurzem hätten wir in Anbetracht des Regens geflucht, jetzt freuen wir uns. Wasser für die jungen Bäume und den ganzen Wald. Das kann nur gut sein.
Der Abschied tut weh
Drei Stunden später, die völlig verdreckten Klamotten noch vor der Wohnungstür gelassen, sitze ich in der Badewanne – meine Wangen sind noch immer errötet. Welch ein Erlebnis mit Paul im Wald. Ich kann das nur empfehlen: Allen, die schon lange mal wieder etwas Gutes tun wollten und sowieso viel zu wenig Zeit an der frischen Luft verbringen. Irgendwas hat das mit mir gemacht.