Lärmbeschwerden, hohe Mieten, keine Räume: Die Hamburger Clubszene hat es seit Jahren schwer. Gerade schloss das Golem, schon ist das Moloch bedroht. Doch die Feierszene lässt das nicht auf sich sitzen.
Das Moloch hat sein Softclosing verkündet. Grund dafür: Lärmbeschwerden durch Nachbarn und Schwierigkeiten für ausreichenden Schallschutz zu sorgen, nachdem die auf der anderen Seite des Bahndamms liegenden Häuser in der HafenCity bezugsfertig sind. Noch Mitte letzten Jahres wurde die Entwicklung, dass neues, kreatives Leben in den Hamburger Oberhafen einzieht, gefeiert. Das Moloch brachte wichtige Impulse auf das lange brach liegende Gelände – auch wenn es immer nur als Format zur Zwischennutzung angelegt war, wird der Abschied von den Raves schwerfallen.
Laut “Mit Vergnügen” sieht das Bezirksamt Hamburg-Mitte jedoch Hoffnung für das Moloch – seien doch mittlerweile eine Vielzahl an Dämmungen möglich, so Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts. “Es wurde bereits ein Antrag gestellt, der auf einem ausreichenden Lärmschutzkonzept beruht und anders als vorher keine Zwischennutzung anstrebt”, sagt Weiland gegenüber dem Hamburger Onlinemagazin.
Bye, bye Partynacht!
Das Moloch ist nicht der einzige Club, der in den letzten sechs Monaten von Schließung bedroht war, auch in anderen Hamburger Institutionen wurden die letzten Biere über den Tresen gereicht. Auch im Golem. Wer den mittlerweile geschlossenen Club am Fischmarkt kannte, hat seine Bar und den Keller für seine Einzigartigkeit geschätzt. In einer der dunklen Ecken stolperte man in einen kleinen Kinosaal. Von Lesungen und Livemusik bis hin zu Kino und harten Partyexzessen war hier alles möglich. Genauso wie im Moloch, bei dem man ebenfalls eine andere Welt zu betreten scheint, in der Industriecharme auf Diskokugeln, Tanzkuhlen und wummernde Bässen trifft.
Auch der Kleine Donner, der als Hamburgs bester HipHop-Club galt, lud im November zum letzten Tanz in den Keller am Schulterblatt ein. Mittlerweile eröffnete der Club im Volt in der Karolinenstraße zwischenzeitlich wieder. Nach einer dauerhaften Location wird weiterhin gesucht.
Ein verbreitetes Problem: Es gibt kaum geeignete Flächen in Hamburg, die für neue oder alte Clubs verfügbar sind. “Die Locations sind entweder zu teuer oder am Stadtrand gelegen. Es gibt einfach keine Räumlichkeiten in guter und bezahlbarer Lage”, sagt Kleiner-Donner-Geschäftsführer David Struck. So würden immer mehr Orte fehlen, an denen Subkulturen entstehen und gelebt werden können. Dafür müsse es mehr Förderung von der Stadt geben.
Auch Florian Kleinschmidt, der seit 2014 als selbstständiger Eventmanager arbeitet und unter anderem die Live-Art Battle-Reihe “Secret Wars” organisiert, sieht die Lage kritisch: “Bezahlbare Locations in Hamburg zu finden, ist genauso schwierig, wie eine schöne Wohnung im Szeneviertel zu finden. Off-Locations sind rar und werden lieber einmal im Monat an eine große Marke vermietet, als an lokale Veranstaltungen.”
Die Hamburger Behörde für Kultur und Medien antwortet FINK.HAMBURG auf die Frage nach der Problematik sehr allgemein: “In einer so stark wachsenden Stadt wie Hamburg sind bezahlbare Räume natürlich für alle ein Problem. Das gilt für Künstler und Kreative gleichermaßen, wie für Musikclubs und auch den privaten Wohnungsmarkt und betrifft natürlich insbesondere beliebte Viertel wie St. Pauli. Dieses Phänomen kennen wir auch aus anderen Städten. Hier gilt es immer wieder nach kreativen Nischen zu suchen.”
Clubkombinat startet Unterschriftenaktion
Um bei den schwierigen Verhältnissen mit einer Stimme sprechen zu können, haben sich über 140 Musikclubs und Veranstalter zum Clubkombinat Hamburg e.V. zusammengeschlossen. Der Verein versteht sich als “Schnittstelle zwischen kreativer Subkultur und etablierten Szeneclubs”, der “als Sprachrohr aller aus Musik und Kultur” steht – so heißt es auf der Homepage. Mit der Unterschriftenaktion #FutureMusicCityHH will man gerade auf die Schwierigkeiten vieler Hamburger Clubs aufmerksam machen. Das Clubkombinat reagiert auch auf die Schließung des Moloch:
Die Kampagne soll eine öffentliche Debatte anschieben, um Antworten auf zentrale Fragen zu erhalten: Sind Bühnen für Kreatives und Experimentelles künftig noch zu erschwinglichen Preisen möglich? Wo können heute innovative Trends entstehen? Wo darf Neues gewagt werden? Und was macht eine Metropole lebenswert?
Sieben Ideen bereits konkretisiert
Die Petition beinhaltet sieben konkrete Ideen: Dazu zählt der Wunsch, nicht nur bestehende Räume, sondern auch neue Locations zu nutzen. Auch Gewerbe-Leerstände sollen für kreative Zwecke zur Verfügung stehen. Außerdem fordert das Clubkombinat eine kollektive Open-Air-Fläche in Hamburg. Zudem sollen Pflichtgebühren, die die Clubs für Parkplätze bezahlen müssen, abgeschafft werden. Schließlich würden die Besucher meist mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen.
Bisher unterstütze die Stadt die Musik- und Clubszene mit einem Etat von 250.000 Euro, dem sogenannten Live Concert Account. Mit dem Geld soll mehr Livemusik in Clubs etabliert werden. Musikclubs können eine Förderung für ihre GEMA-Zahlungen erhalten. Das Clubkombinat reicht die Summe nicht aus, der Verein fordert eine Aufstockung auf eine Millionen Euro. Nur so könnten kleine Nachwuchskonzerte und experimentelle Tanzveranstaltungen erhalten und ausgeweitet werden.
Wie unterstützt die Stadt Hamburg?
Tatsächlich nimmt die Stadt bereits Verantwortung wahr. Die Behörde für Kultur und Medien beteiligt sich jährlich mit 20.000 Euro an der Verleihung des Club Awards. Zudem erhielten Hamburger Clubs in den letzten Jahren Unterstützung über den Sanierungsfonds Hamburg 2020. 2016 wurden 150.000 Euro für Sanierungs- und Baumaßnahmen zur Verfügung gestellt, 2017 erhielten die Clubs zusätzlich 390.000 Euro für Lärmschutzmaßnahmen. Hinzu kommt der 2016 neu geschaffene Musikstadtfonds mit jährlich 500.000 Euro, damit werden Projekte wie Konzertreihen und kleine Festivals gefördert. Außerdem ließ die Stadt 460.000 Euro in die MS Stubnitz und 200.000 Euro in die Sanierung des Golden Pudel Clubs fließen.
Der Geschäftsführer des Clubkombinat Hamburg e.V., Thore Debor, findet, dass sich die Beziehung zwischen der Stadt und der Hamburger Clubszene dennoch an einer Weggabelung befindet. “Mit der Erhöhung des Live Concert Accounts und den ersten Berücksichtigungen im Sanierungsfonds Hamburg 2020 wurden seitens der Politik hoffnungsvolle Zeichen gesetzt”, sagt er. Jetzt ginge es darum, die Anstrengungen deutlich zu intensivieren und Subkulturen zu fördern. Auch Florian Kleinschmidt fordert eine stärkere Förderung der Clubszene durch die Politik: “Die aktuelle Petition des Clubkombinats ist der erste Schritt.”