Bettina Dahlhaus ist Ghostwriterin für Singlebörsen und davon überzeugt, dass mit Ghostdating jede*r im Netz das Glück finden kann. Im Interview mit FINK.HAMBURG sagt sie, dass man mit Apps wie Tinder Chancen vergibt.
Fast 136 Millionen Mitgliedschaften haben die Deutschen bei Online-Dating-Plattformen. Das geht aus einer Erhebung über Singlebörsen hervor. Hamburg gilt seit Jahren als Hauptstadt der Singles. Rund jede*r zweite Hamburger*in lebt in einem Singlehaushalt – Tendenz steigend.
Im letzten Jahr berichtete unter anderem die “Hamburger Morgenpost”, dass vier von fünf Hamburger Singles Tinder und andere Dating-Apps nutzen, um sich zu verlieben. Am meisten getindert wird übrigens in Eimsbüttel, dicht gefolgt von Winterhude und Barmbek.
Die Hamburgerin Bettina Dahlhaus ist Ghostwriterin und Chefin von Die Herzschreiber, der einzigen Hamburger Agentur, die für Singles auf den Plattformen das Schreiben übernimmt, um ihre Chancen zu verbessern. Seit 2014 hat sie über 300 Paare zusammengebracht. Wie funktioniert das? Mit FINK.HAMBURG spricht sie über ihren Beruf und die Tücken des Online-Datings.
Was macht eine Ghostwriterin?
Bettina Dahlhaus: Den meisten Menschen fällt es schwer, eine fremde Person anzuschreiben. Sie finden keinen Aufhänger, während mir da immer etwas einfällt. Ich führe zunächst mit den Singles, die im Internet einen Partner suchen, ein Interview und anhand des Interviews erstelle ich für sie ein Profil. Das ist der eine Teil der Dienstleistung und der andere ist, dass ich auch erste Nachrichten schreibe, bis das Eis gebrochen ist. Aber die Kunden sollen dann auch selber einsteigen, weil ich nicht möchte, dass sich jemand am Ende hintergangen fühlt.
Wie sind Sie auf die Geschäftsidee gekommen?
Was ist Ghostdating?
Ghostwriter kennen viele nur im Zusammenhang mit Abschlussarbeiten oder Biografien. Ghostdating bedeutet, dass eine fremde Person sowohl euer Profil als auch eure Nachrichten auf Dating-Plattformen schreibt. Sie übernehmen auch die schwierigste Aufgabe: das Verfassen der ersten Nachricht.
Dahlhaus: Damals war eine Freundin von mir frisch geschieden und trieb sich auf Dating-Plattformen herum. Sie erzählte mir, was da so abgeht: Die meisten Männer haben einfach sehr langweilige Profile. Und meine Freundin wurde auf eine nicht besonders originelle Weise, teilweise sogar anzüglich, angeschrieben. Dann hat sie mir Fotos gezeigt, über die wir uns wirklich königlich amüsiert haben. Und so ist die Idee entstanden. Ich hab das dann für ein paar weitere Versuchskaninchen aus meinem Freundeskreis gemacht und die hatten eine riesige Resonanz auf ihre Profile.
Wofür braucht man Sie beim Onlinedating?
Dahlhaus: Manchmal treten gewisse Unsicherheiten auf. Ich hatte zum Beispiel mal eine Kundin, die war eine sehr wohlhabende Unternehmerin. Für die habe ich einen Mann mit der Berufsbezeichnung “Traumberuf” angeschrieben. Das war erstmal komisch. Sie ist aber gleich nach meiner ersten Nachricht eingestiegen und hat mit dem Mann mehrfach hin- und hergeschrieben. Dann hat sie mich angerufen und sagte: “Ich bin jetzt verunsichert. Ich habe so viel von mir preisgegeben und weiß immer noch nicht, was er beruflich macht oder wo er lebt. Er dagegen weiß, wo ich lebe und ich hab jetzt ein komisches Gefühl, denn ich fahre nächste Woche in den Urlaub. Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.” Und da hab ich angeboten, einzugreifen.
Wie genau?
Wenn man verliebt ist und die rosarote Brille auf hat, dann neigt man dazu, gewisse Dinge einfach zu ignorieren.
Ich habe diesem Mann auf den Zahn gefühlt – in einem lockeren Ton, nicht so bohrend. Ich habe offen von Verunsicherung gesprochen. Und dann ist er auch aus der Deckung gekommen. Das sind Unsicherheiten, die oft auftreten und wo es dann sehr hilfreich ist, wenn man eine andere Person hat, die nochmal auf die Situation guckt. Denn wie wir alle wissen: Wenn man verliebt ist und die rosarote Brille aufgesetzt hat, dann neigt man dazu, gewisse Dinge einfach zu ignorieren.
Gibt es Partnerbörsen, mit denen Sie nicht zusammenarbeiten würden?
Dahlhaus: Ich arbeite nicht Partnerbörsen zusammen. Aber ich weiß, welche Partnerbörse zu welchem Kunden passt. Ich sag mal eine Frau Mitte 50 hat nicht unbedingt etwas bei Tinder zu suchen, genauso wie der Student Anfang 20 eher nicht zu Parship und Co gehen will.
In welchem Lebensabschnitt befinden sich Ihre Kund*innen?
Dahlhaus: Es geht frühestens mit Ende 20 los, wenn meine Kunden im Beruf sind, also wenn sie wirklich etwas Festes suchen. Aber der Großteil beginnt so ab Mitte 30.
Umfragen zeigen, dass es eher die Männer sind, die Online-Dating-Plattformen nutzen. Wie ist es, als Frau männlichen Kunden zu sagen, wie sie sich zu präsentieren haben?
Dahlhaus: Ich hatte am Anfang gedacht, dass Männer sich vielleicht nicht so gerne einer Frau anvertrauen, weil sie Bedenken haben, einer Frau gegenüber zuzugeben, dass sie dabei Hilfe brauchen. Aber das ist absolut nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Männer sagen auch oft, sie finden es gerade gut, zu wissen, wie eine Frau darüber denkt.
Das Erstellen eines Dating-Profils bei Die Herzschreiber kostet 190 Euro. Dann haben Sie aber noch keine Wunschpartner angeschrieben. Dafür kann man für mindestens 30 Euro im Monat ein Abonnement abschließen. Warum ist das so teuer?
Dahlhaus: Meine Arbeit ist mit großem Zeitaufwand verbunden. Ich treffe die Kunden entweder persönlich oder wir machen das Interview per Skype. Das Interview alleine dauert ungefähr 1,5 Stunden und bei Plattformen wie Parship oder ElitePartner wird das dann schon ein recht ausführliches Profil. Außerdem gehört die Fotoberatung dazu, die super wichtig ist, weil viele einfach kein Gefühl dafür haben, auf welchen Fotos sie gut rüberkommen.
Beraten Sie Ihre Kunden auch über die ersten paar Nachrichten hinaus?
Dahlhaus: Manchen reicht tatsächlich die erste Nachricht und wenn jemand darauf antwortet, dann kommen sie selbst klar. Ich schreibe nie mehr als drei Nachrichten. Ich gucke mir aber durchaus im weiteren Verlauf an, was geschrieben wurde. Oft treten eben diese genannten Unsicherheiten auf, sodass Kunden mich fragen: Wie ist das jetzt gemeint? Hat der wirklich Interesse oder will der nur spielen? Da versuche ich zwischen den Zeilen zu lesen. Ich hab wirklich ein gutes Gefühl dafür, was hinter einer Nachricht steht.
Wie kann man sich die ersten Nachrichten vorstellen?
Dahlhaus: Im Interview fokussiere ich mich auf Dinge, die ich auch im Profil verwenden kann. Man darf sich diese erste Nachrichten nicht so vorstellen, dass die gleich in die Tiefe gehen. Das ist meist nicht mehr als ein Spruch und eigentlich auch nie länger als zwei, drei, höchstens vier Sätze. Ich gucke mir das Profil der Person, die ich anschreiben soll, an und dann nehme ich mir einen Aufhänger und stelle dazu eine Frage. Das ist ganz wichtig: So hat die andere Person es leicht und muss nicht erst selbst kreativ werden.
Empfehlen Sie Ihren Kund*innen beim ersten Date zu erzählen, dass Sie Wing Woman gespielt haben?
Dahlhaus: Ja, das empfehle ich schon. Diejenigen, die das angesprochen haben – und ich würde sagen, das sind 85 Prozent meiner Kunden – haben keine negativen Reaktionen erhalten. Im ersten Moment ist die andere Person irritiert, aber wenn meine Kunden dann sagen, dass es sich nur um die erste Nachricht gehandelt hat, ist das in der Regel kein Problem mehr. Ich finde es aber auch legitim, wenn man es verschweigt. Für Politiker werden auch Reden geschrieben.
Was ist ein klassischer Fehler beim Onlinedating?
Ist das jemand, der ins Ballet geht oder zum Wacken Open Air fährt? Man sollte als Person wirklich zu erkennen sein.
Dahlhaus: Die meisten Leute sind zu allgemein. Sie geben Floskeln von sich. Von wegen: Ich bin immer gut drauf oder ich bin sportlich – das schreibt jeder. Und die meisten gehen nicht genug ins Detail. Es sagt zum Beispiel überhaupt nichts aus, wenn da steht: Ich liebe Musik. Da möchte man doch wissen, welche Musik? Ist das jemand, der ins Ballet geht oder zum Wacken Open Air fährt? Man sollte als Person wirklich zu erkennen sein.
Viele der Leser*innen von FINK.HAMBURG sind im studentischen Alter. Da liegt Tinder hoch im Kurs. Macht Ghostdating da Sinn?
Dahlhaus: Ich halte nicht viel von Tinder. Die meisten schreiben gar nichts. Du bist auf das Bild fokussiert und das würde mir nie liegen. Es gibt durchaus inzwischen auch Menschen in den 40ern und 50ern, die tindern. Ich hatte auch ein paar Kunden, die da hin wollten und wir haben das ausprobiert. Man hat einfach so gute Möglichkeiten, sich im Netz darzustellen. Warum sollte man sich nur an der Optik orientieren? Da vergibt man ganz viele Chancen mit.
Fun Facts zum Onlinedating in Deutschland
Titelbild: Stephanie Windt