#OkBoomer ist ein Spruch der weltweit Karriere im Netz macht. Er versinnbildlicht einen Generationsstreit. Aber warum, und wer beleidigt hier eigentlich wen? Ein Kommentar.
Wer eine Meinung hat, darf sie sagen. Wer eine Meinung hat, soll sie sagen. Und: Wer eine Meinung hat, sollte ausreden dürfen und nicht belächelt werden. Der #OkBoomer hat eine Diskussion zwischen zwei Generationen ausgelöst. Die einen wollen die Welt verändern, die anderen wollen, dass sie genauso bleibt, wie sie ist. Wieso sollte ein Hashtag da nicht als Weckruf fungieren dürfen?
Das bedeutet #OkBoomer wörtlich?
In Neuseeland nennt man sowohl eine große Welle als auch ein ausgewachsenes männliches Känguru Boomer. Aus dem amerikanischen Sprachgebrauch kommend und auch in Europa verwendet, sind (Baby) Boomer Angehörige der Nachkriegsgeneration (Jahrgänge von 1946 bis 1964). Zweiteres ist die logischere Interpretation für die Aussage “Ok, Boomer”. Es ist äquivalent zu “Ok, wie auch immer” oder “Ist schon gut, Alter”, wenn man als junger Mensch zurechtgewiesen wird.
#OkBoomer – Woher kommt das überhaupt?
Schon 2018 gab es Postings mit dem Hashtag in sozialen Medien wie 4chan, Twitter und Reddit. 2019 erlangte #OkBoomer durch ein Doge-Meme und ein TikTok-Video in den sozialen Medien vermehrt Aufmerksamkeit und bekam am 29. Oktober durch einen Artikel der New York Times seinen Höhepunkt. Als Chlöe Swarbrick, eine 25-jährige Politikerin im neuseeländsichen Parlament, am 4. November während einer Rede Zwischenrufe mit den Worten “Ok, Boomer” abwiegelte, explodierte ein Generationsstreit im Netz. Funfact: Der parlamentarische TV-Sender kannte diese Worte nicht und untertitelte sie zunächst mit “Ok, Berma”.
Swarbrick war also nicht die Erfinderin von #OkBoomer. Sie war es aber, die die Diskussion ins Rollen brachte, ob die Aussage und der damit verbundene Hashtag altersdiskriminierend und altenfeindlich sind.
Ein Ausdruck von Frustration und Missmut
#OkBoomer ist ein Hashtag, der viel mehr ist als nur eine Reaktion. Er steht für ein Gefühl von Missmut und drückt aus, was viele junge Menschen denken, wenn sie im Netz von Babyboomern belehrt werden: Wir sind dir wieder zu hip und cool, erwarten viel zu viel und verstehen zu wenig von der Thematik? “Ok, Boomer”.
#OkBoomer pic.twitter.com/rHtmAOATW1
— Fridays For Future Wien (@ViennaForFuture) November 11, 2019
Millennials und die Generation Z (etwa 1980er bis 2012) fühlen sich missverstanden und nicht ernst genommen. In Zeiten von Fridays for Future bemühen sie sich, Politik und Gesellschaft mitzuformen und Veränderungen zu vollbringen. Sie fordern mit #OkBoomer die Babyboomer-Generation heraus und das in dem Lebensraum, in dem sie aufgewachsen sind: dem Internet.
Das findet die Babyboomer-Generation aber überhaupt nicht lustig und feuert zurück. Sie zeigen sich beleidigt, verspotten eine verweichlichte Generation, die einfach noch nicht genug Leben hinter sich haben und bezeichnen #OkBoomer sogar als “N-Wort der Altersdiskriminierung”.
Boomers comparing #OkBoomer to the N-Word is peak boomer and the perfect illustration of why the hashtag exists.
— Bragrman (@bragrman) November 4, 2019
Wer beleidigt hier eigentlich wen?
Natürlich ist es nicht fair, die gesamte Babyboomer-Generation in eine Schublade zu stecken. Millennials sollten die Generation der Babyboomer differenzierter betrachten. Dennoch gibt es nur wenige junge Menschen, die noch nicht in einer Situation wie Swarbrick gesteckt haben. Es ist nun einmal so, dass die Lebenseinstellungen vieler Eltern oder Großeltern denen ihrer Kinder ziemlich konträr gegenüberstehen. Beide Seiten fühlen sich unverstanden, beide sind frustriert, keiner ist wirklich kompromissbereit. Das ist kein besonders neues Phänomen, aber es ist das erste Mal, dass die Diskussion so viral geht.
Die Frage ist doch: Wer beleidigt wen? Wie fair ist es, wenn man als junger Mensch seinen eigenen Weg geht, seine Stimme nutzt und dann von der älteren Generation ignoriert, belächelt oder zurechtgewiesen wird? Mit “früher war alles besser” und “so haben wir das schon immer gemacht” kommt man heute nicht mehr weiter. Das muss die Babyboomer-Generation verstehen. Wenn man 14 Jahre jung ist und den Willen und die Stärke besitzt, auf der Straße für mehr Klimaschutz zu demonstrieren oder mit 25 Jahren im Parlament etwas verändern will, dann sollte die Elterngeneration doch stolz sein, oder?
Anstatt sich also über #OkBoomer aufzuregen oder lustig zu machen, sollten die Älteren gemeinsam mit den Jüngeren nach Lösungen suchen. Dafür müssen beide Seiten Respekt zeigen und sich zuhören. Etwas, was den Boomern bislang sichtlich schwer fällt. Andersherum müssen Millennials verstehen, dass Überlegenheit in der Nutzung von Technik und Internet nicht reicht, um die Weltherrschaft zu übernehmen.
Außerdem: Teils muss der Hashtag auch mit Humor genommen werden. Das Netz ist voll mit Hass und Wut. #OkBoomer ist aber kein Ausdruck von Hass, zumindest nicht in seinem Ursprung. Vielmehr wollen jüngere Generationen ihrem Frust Luft machen und Babyboomern klar machen: Seid nicht so festgefahren, sondern hört uns zu!