2019 hat er sein 30-jähriges Dienstjubiläum gefeiert, 2020 feiert er sein 40-jähriges. Können das nur Mathematiker? Wir haben bei Christoph Maas, Professor an der HAW Hamburg, nachgefragt, wie sowas geht.
Am 4. November ist der große Tag. Das Erreichen eines 40-jährigen Dienstjubiläums wird normalerweise mit einer Feier im Hörsaal begangen. In Zeiten von Corona nimmt Christoph Maas, Professor für Mathematik am Department Biotechnologie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), seine Urkunde vom Universitätspräsidenten im Dekanat entgegen. Dort gibt es auch einen großen Bildschirm, auf dem er dann in die Gesichter seiner zugeschalteten Kolleg*innen blicken wird.
Die Corona-Pandemie hat nicht nur seine Jubiläumsfeier durcheinander gebracht, sondern auch den Lehrplan. Wir wollten von ihm wissen, wie er die Veränderungen erlebt und ob sich Mathematiker manchmal auch verrechnen.
FINK.HAMBURG: Herr Professor Maas, erst letztes Jahr haben wir mit Ihnen über ein Jubiläum gesprochen. Was gibt es denn diesmal zu feiern?
Maas: Im November steht mein 40-jähriges Jubiläum im öffentlichen Dienst an. 1980 bin ich wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Hamburg geworden und neun Jahre später habe ich dann den Ruf an die HAW bekommen. Deshalb das 30-jährige Jubiläum. So ergeben sich die beiden Daten.
Also kein Mathematiker-Trick. Wenn Sie auf die letzten 40 Jahre Karriere zurückschauen, gibt es da etwas, bei dem Sie jetzt sagen: Gut, dass das vorbei ist?
Maas: Die typische Uni-Phase, in der man nur kurz befristete Verträge bekommt – ein Jahr, ein halbes Jahr. Das war zum Beispiel in der Promotionszeit so. Aber so geht es allen, das empfinde ich nicht als persönliche Härte. Es ist blöd, dass man die Leute so behandelt, sage ich als jemand, der es hinter sich hat.
“Da habe ich gemerkt, dass sowohl die Kollegen als auch das System als solches deutlich anders funktionieren.”
Und was war Ihre Lieblingsstation in Ihrer bisherigen Karriere?
Maas: Die spannendste Station war das Semester in den USA. Ich hatte eine Gastprofessur an der University of Kentucky und konnte dort in ein ganz anderes Hochschulsystem reinschnuppern. Da habe ich gemerkt, dass sowohl die Kollegen als auch das System als solches deutlich anders funktionieren, als ich das zu Hause gewohnt war. Diese Erfahrung hat mich geprägt und auch dazu gebracht, dass ich in Zukunft mehr Auslandstätigkeiten machen möchte. Das liegt ja im Moment aus bekannten Gründen etwas brach.
In welches Land würden Sie denn gern als nächstes gehen?
Maas: Italien habe ich im Blick. Dort war ich in den letzten Jahren auch für einige Erasmusaufenthalte, um Kontakte aufzubauen. Da wären in diesem Jahr auch zwei Besuche in unterschiedlichen italienschen Universitäten vereinbart gewesen, aber das Land ist stark betroffen und die Unis haben natürlich erstmal andere Probleme als ausländische Gäste zu betreuen.
Würden Sie dann auf Italienisch lehren?
Maas: Bisher habe ich das auf Englisch gemacht. Aber der Anreiz, meine sprachlichen Kenntnisse weiterzuentwickeln, wäre natürlich da.
“Nicht nur die Voraussetzungen sind heute anders, auch die Ziele der Studierenden haben sich geändert.”
2000 gab es den großen Schock weil deutsche Schüler*innen bei der Pisa-Studie unter dem internationalen Durchschnitt lagen. 2018 lagen sie wieder darüber, aber nicht in der Spitzengruppe. Bemerken Sie fehlende Mathekenntnisse bei Ihren Studierenden?
Maas: Das schlechte Abschneiden kommt auch daher, dass hinter der Studie eine bestimmte Vorstellung stand, zu welchem Zweck man in der Schule Mathe lernt und welche Fähigkeiten man mitnehmen sollte und die passte nicht zu den damaligen Leitvorstellungen in der Schule. Die Frage ist aber generell schwer zu beantworten, weil sich in den letzten 30 Jahren unsere Studierendenschaft radikal verändert hat. Als ich angefangen habe, waren Fachhochschulstudierende typischerweise Leute mit mittlerer Reife, Berufserfahrung, einem Jahr FOS (Fachoberschule, Anm. d. Red.), die dann nach einer deutlichen Theoriepause ein Studium aufnahmen. Heutzutage haben wir zum überwiegenden Teil Erstsemester, die direkt von der Schule kommen. Die sind im Training. Das ist für ein theoretisches Fach wie Mathematik sehr wirksam. Nicht nur die Voraussetzungen sind heute anders, auch die Ziele der Studierenden haben sich geändert.
Sie haben sich für die akademische Laufbahn entschieden. Gab es nie den Gedanken, in die Wirtschaft zu gehen?
Maas: (lacht) Nein!! Zu der Zeit, zu der das für mich eine Option gewesen wäre, war die Arbeitsmarktsituation sehr gut. Ich habe ja auch neben Mathe Informatik studiert, da wurde man vom Arbeitsmarkt aufgesogen. Mir hat das unabhängige Arbeiten an einer Hochschule und das Arbeiten mit Studierenden immer sehr viel Spaß gemacht. Mir war schnell klar, solange ich die Chance habe, verfolge ich das. Aber es war natürlich sehr beruhigend zu wissen: Wenn mich in der Hochschule keiner will, dann komm ich auch anders unter.
Wie haben Sie die plötzlichen Veränderungen im Unialltag durch die Corona-Pandemie erlebt?
Maas: Es war auch für mich ein Schock. Kurzfristig musste alles umgeplant werden. Ich habe mich entschlossen, meine Vorlesungen auf Video aufzunehmen. Mit den zeitversetzten Vorlesungen habe ich mich weniger unbehaglich gefühlt. In einer Echtzeitvorlesung muss man ja, ohne daran gewöhnt zu sein, auf viele Dinge gleichzeitig achten. Man hat den ganzen Stoff, den Kontakt zu den Studierenden und man hat die Technik. So habe ich mich in das leere Kinderzimmer von meinem Sohn gesetzt und hab die Videos aufgenommen. In diesem Semester kommen die Aufräumarbeiten und ich schaue mir das entstandene Material an. Daraus erstelle ich dann ein sinnvolles didaktisches Konzept.
“Meine Interessen lagen schon in der Schulzeit im MINT-Bereich.”
Wenn Sie nicht Mathematik und Informatik studiert hätten, was hätten Sie dann gemacht?
Maas: Meine Interessen lagen schon in der Schulzeit im MINT-Bereich. Vielleicht wäre es etwas geworden, bei dem man mehr in der Welt herumkommt: Geografie, Geologie oder Ozeanologie.
Eine letzte Frage: Verrechnen sich Mathematiker eigentlich auch mal?
Maas: Laufend, jedenfalls ich. Gerade bei den Routinevorgängen folgt man nicht den gleichen Rechenschritten wie die Studierenden, sondern den eigenen Assoziationen. Wenn ich mich da zu sehr darauf verlasse und nur darüber nachdenke, wie ich den Rechenweg den Studierenden artikuliere, kann alles passieren. Wenn sich dann jemand meldet und nachfragt, hat man aber gleich eine Rückmeldung.