Vor drei Wochen outeten sich 125 Kirchenmitarbeiter:innen als queer und prangerten die Haltung der katholischen Kirche zu LGBTIQ+ an. Bischöfe und Politiker:innen solidarisierten sich mit #OutInChurch. Was hat sich seitdem getan?
Mit der Aktion #OutInChurch fordert die Bewegung, dass die Kirche diffamierende Aussagen zu Geschlechtlichkeit und Sexualität aus ihrer Lehre streicht. Bischöfe, Politiker:innen und viele andere solidarisierten sich nach dem Coming out mit der Bewegung. Jens Ehebrecht-Zumsande hat die Aktion ins Leben gerufen. Ein Gespräch über Zuspruch, Mühlen, die langsam mahlen und die Hoffnung auf Revolution.
Vor drei Wochen wurde die Dokumentation “Wie Gott uns schuf” in der ARD ausgestrahlt. Gleichzeitig haben Sie und 124 andere Kirchenmitarbeiter:innen sich offiziell als LGBTIQ+ geoutet. Wie haben Sie den Tag wahrgenommen?
Der Tag bestand aus Interviews geben. Ich wurde überflutet mit E-Mails und der Server unserer Seite ist schnell zusammengebrochen, weil so viele Leute zugreifen wollten. Das war anstrengend, aber auf eine positive Weise. Abends habe ich dann die Dokumentation live gesehen. Ich hatte sie natürlich schon früher gesehen, aber es war ein komisches Gefühl zu wissen, mit mir sehen das gerade Tausende andere. Viele Freunde und Nachbarn schrieben mir dann: “Hey ich sehe dich gerade im Fernsehen, das wusste ich ja gar nicht.” Es gab eigentlich fast nur Zuspruch. Ich hätte mit mehr Kritik gerechnet.
Gemischte Reaktionen
Wie haben Bischöfe und andere Vorgesetzte reagiert?
Wir haben ihnen vorher einen Brief mit unseren Forderungen geschrieben. Viele Bischöfe haben gar nicht reagiert oder nur ein Presse-Statement abgegeben. Dabei hat man gemerkt, dass sie sich nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Die Reaktionen waren für mich ein Ausdruck von Hilfslosigkeit. Einige haben aber auch sehr wertschätzend reagiert und sich bedankt, dass durch die Aktion ein Dialog ermöglicht wird. Ich denke es war aber auch viel PR und Pinkwashing dabei.
Das heißt: Es blieb nur bei netten Worten?
Der Bischof von Würzburg, Frank Jung, hat schon einen ersten konkreten Schritt eingeleitet. Er hat einen Brief an alle Mitarbeiter:innen aufgesetzt und ein Novatorium ausgerufen. Er hat schriftlich zugesichert, dass niemand mit Konsequenzen wegen seiner sexuellen Gesinnung rechnen müsse und hat alle Sanktionen ausgesetzt.
Das ist doch ein großer Erfolg.
Das geht in die richtige Richtung, aber wir haben noch lange nicht alles erreicht, was wir wollten. Das Arbeitsrecht muss sich ändern und wir müssen Diskriminierung abbauen. Außerdem muss die Vergangenheit aufgearbeitet werden.
Viele Politiker:innen haben sich ebenfalls zu den Forderungen von #OutInChurch geäußert. Was ist daraus geworden?
Wir führen Hintergrundgespräche mit der Politik. Die Ampelkoalition reagiert ganz anders, als es die Regierung unter Führung der CDU getan hat. Sie haben uns ihre Unterstützung angeboten.
Wen man liebt, geht Arbeitgeber:innen nichts an! “Das kirchliche Arbeitsrecht ist ein alter Zopf, der abgeschnitten gehört”, sagt @larscastellucci.
Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag vereinbart, das kirchliche Arbeitsrecht zu überprüfen. #outinchurch
— SPD-Fraktion im Bundestag (@spdbt) January 25, 2022
Synodaler Weg solidarisiert sich
In der dritten Synodalversammlung am Wochenende wurden vier Texte zu Ihrem Anliegen beraten und abgestimmt. Die Zustimmung lag über 80%. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte?
Es wurde endlich mal klar und deutlich darüber geredet. Die erste Abstimmung war ein Erfolg für die Reformbemühungen. Entscheidend ist aber die zweite Lesung. Wenn die angenommen wird, müssen die Bischöfe den Papst um eine Entscheidung bitten. Es wird auf einen Konflikt mit Rom hinauslaufen.
Die deutschen Bischöfe sind dabei auf Ihrer Seite?
Sie machen es sich leicht. Rom wird das Ganze sowieso stoppen. Die katholische Lehre müsste in Bezug auf Sexualität und Geschlechtlichkeit grundlegend geändert werden, um unsere Forderungen umzusetzen. Ich bin nicht sicher, ob das wahrscheinlich ist. Aber wir sind auch Katholiken und glauben an Wunder. Aber die Bischöfe können sagen, wir waren auf eurer Seite. Sie stecken allerdings auch in der Klemme, denn sie sind in einer Sandwich-Position. Nach oben hin müssen sie den Papst überzeugen und nach unten die Gemeinde.
Der Austritt als einziger Ausweg
Apropros Gemeinde. Nach der Veröffentlichung sind die Anträge zum Kirchenaustritt angestiegen. Wie fühlt sich das an?
Das ist bitter. Denn das sind keine Karteileichen. Das sind Personen, die zum inneren Kreis gehören, also aktive Gemeindemitglieder. Damit geht auch das Potenzial, dass die Kirche verändern könnte. Eine Versektung droht.
Haben Sie selbst nie über einen Austritt nachgedacht?
Ich bin erst einmal nur katholisch auf Sicht. So geht es vielen. Viel wird vom synodalen Weg abhängig gemacht. Jetzt wird es ernst. Die katholische Kirche steht unter höchster Beobachtung.
“Ich bin erst einmal nur katholisch auf Sicht.”
Bei unserem letzten Gespräch haben Sie erzählt, dass der Hamburger Bischof ein Gespräch mit Ihnen gesucht hat. Was ist daraus geworden?
Es ist nach wie vor der Wunsch des Bischofs. Wir sind auf Terminsuche. Da das Treffen am besten analog stattfinden sollte. Wir sind 14 Leute, da ist die Organisation nicht so einfach. Wir gehen Schritt für Schritt vor und mit Ruhe.
Kirchenmühlen mahlen langsam
Was sind die nächsten Schritte?
Das Arbeitsrecht ist ein dickes Brett. Da ist kein Aktionismus gefragt. Wir gehen Schritt für Schritt vor. Ganz in Ruhe. Das dauert und Kirchenmühlen mahlen langsam. Unsere Petition hat weit über 100.000 Unterschriften. Die übergeben wir Anfang März bei der Bischofskonferenz. Wir haben gute Karten in der Hand.
Läuft alles wie geplant?
Man kann das nicht schwarz oder weiß sehen. Wir haben zwei große Herausforderungen. Zum einen, wie geht die Kampagne weiter. Alle sieben Forderungen müssen ihren Raum bekommen. Und zum anderen müssen wir der Gruppe gerecht werden. Nach der Veröffentlichung sind wir noch viel mehr geworden. #OutInChurch besteht mittlerweile aus etwa 250 Leuten. Die muss man alle unter einen Hut bekommen.