Viel zu viele Lebensmittel landen im Müll. Einen Großteil werfen wir als Privatpersonen in die Tonne. Dabei kann man der Verschwendung durch einfache Handgriffe und einem Umdenken entgegenwirken. Zum Beispiel so:
Titelbild: Julia Kaiser
Knapp ein Drittel unserer Lebensmittel landet im Müll – in Deutschland sind das jährlich etwa 78 Kilogramm Essen pro Person. Zu diesem Ergebnis kommen die Autor*innen einer Studie aus dem Jahr 2020, an der fast 6000 Haushalte teilnahmen und die das Marktforschungsunternehmen GfK im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft durchführte. Obst und Gemüse machen etwa einen Drittel der vermeidbaren Lebensmittelabfälle aus. Am zweithäufigsten landen zubereitete Speisen im Müll, gefolgt von Brot und Backwaren.
Wäre die Verschwendung von Lebensmitteln ein Land, wäre es das Land mit den drittgrößten Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2).
Private Haushalte verursachen den Großteil der Lebensmittelabfälle – nämlich 6,5 Millionen Tonnen. Restaurants produzieren 1,9 Millionen Tonnen gefolgt von der Industrie (1,8 Millionenen Tonnen) und dem Handel (0,8 Millionen Tonnen). Die durch ihre Vernichtung unnötig produzierten Lebensmittel haben eine Auswirkung auf das Weltklima: Die Food and Agriculture Organization (FAO) sagt, dass wenn die Verschwendung von Lebensmitteln ein Land wäre, wäre es das Land mit den drittgrößten Kohlenstoffdioxid-Emissionen (CO2).
Gute Gründe, das eigene Konsumverhalten zu verändern? Dann gibt es hier Tipps für einen klimafreundlicheren Alltag, indem weniger Lebensmittel verschwendet werden: von der Planung, über den Einkauf bis hin zum Verwerten und Lagern der Lebensmittel.
Kann ich auch anders einkaufen?
Diese Überlegung, meint Sonja Schelbach, sei schon der erste Schritt zur Vermeidung von Müll. Sie ist Mitgründerin und Geschäftsführerin des Unverpacktladens Stückgut in Hamburg und Vorstandsmitglied des Vereins Zero Waste Hamburg. „Guckt mal zu Hause in den Mülleimer, was da so anfällt und was man davon leicht vermeiden kann. Sind da Tetrapaks, bei denen ich einfach auf Mehrweg umsteigen kann oder sind dort doppelt verpackte Sachen?”, sagt Schelbach weiter.
Der Zero Waste Verein in Hamburg
Der Zero Waste Hamburg e.V. will bewirken, dass in Hamburg weniger Verpackungsmüll anfällt und die Menschen für einen nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen sensibilisiert werden. Die Idee hierfür hatten die vier Gründer*innen bereits 2017. Damals lautete der Arbeitstitel des Vereins noch “Plattform für die Themen Müllvermeidung und nachhaltiger Konsum”. Dem Verein ist es wichtig zu zeigen, dass es auch anders geht. Hierfür geben sie unter anderem bei Veranstaltungen Tipps, wie Menschen beispielsweise ihre Einkaufsweise umstellen können. So wollen sie ein Umdenken bei den Menschen anstoßen.
Ein wichtiger Leitsatz des Vereins lautet: “Vermeiden, reduzieren, wiederverwerten, reparieren, recyclen und kompostieren.” Am Wichtigsten sei aber das Vermeiden. Als Beispiel nennt Schelbach Verpackungsmüll: „Jede Verpackung, die wir nutzen, wird aus etwas produziert. Das heißt, für ein Produkt, das eventuell nur 15 Minuten, also vom Laden bis zum Müll, im Besitz des Endverbrauchers ist, werden große Mengen an Rohstoffen und Energie eingesetzt.” Dazu zählen auch die Transportwege. Daher vermeide man durch jede Verpackung, auf die man verzichte, nicht nur die Ressourcen für das Material, sondern auch für alles andere drumherum.
Letztendlich sei vermeiden auch der einfachste Punkt, um den Lebensstil zu ändern. „Man muss ja nicht mit dem anfangen, was am Schwierigsten ist. Zero Waste heißt ja nicht, dass ich auf alles verzichten soll, sondern dass man Dinge anders macht”, so Schelbach.
Ein weiterer Tipp: Man kann sich schon am Wochenende darüber Gedanken machen, was man in der kommenden Woche kochen will. Daraus erstellt man dann einen Plan. Auch ein Blick in den Saisonkalender kann hilfreich sein. So ist erkennbar, welches Gemüse oder welches Obst gerade wächst. Dadurch muss es nicht CO2-intensiv importiert werden.
Eine wochenaktuelle Einkaufsliste ist sehr sinnvoll. So entfallen auch unnötige Großeinkäufe, bei denen man auf Verdacht kauft und am Ende viel wegschmeißt. „Klar, fällt mal Abfall an und es gibt Sachen die schimmeln. Das ist eben so”, sagt Schelbach. „Aber in der Regel passe ich schon auf. Das heißt, ich kaufe so ein, dass wir die Lebensmittel auch verbrauchen und schaue beim Kochen darauf, was zuerst weg muss.”
Wichtige Fragen für die Vorbereitung:
- Was koche ich?
- Wie viel benötige ich?
- Welches Gemüse hat gerade Saison?
- Wie kann ich mit den benötigten Lebensmitteln möglichst viele Gerichte kochen?
- Wie verwerte ich Essensreste in anderen Gerichten?
- Wie lange sind welche Lebensmittel haltbar und wie oft muss ich dann in dieser Woche einkaufen gehen?
- Wo gehe ich einkaufen?
Nimm’ einen Beutel mit!
Nachhaltig Lebensmittel einkaufen im Supermarkt:
Seit Januar 2022 gilt in Deutschland ein Verbot von Plastiktüten im Kassenbereich. „Habe immer einen kleinen Stoffbeutel in deiner Tasche für den spontanen Einsatz. So kann man Verpackungen vermeiden”, sagt Sonja Schelbach. Auch für Obst und Gemüse gibt es Mehrwegnetze statt Plastiktüte. Muss es dann doch mal eine Plastiktüte sein, einfach wiederverwerten – beispielsweise als Mülltüte. Kleine Einkäufe lassen sich auch in Jackentaschen, Hosentaschen oder im Arm transportieren – no plastic needed.
Dennoch sieht Sonja Schelbach das Verbot nicht als bahnbrechend an. „Wir werden die Welt nicht retten, indem wir die Plastikverpackungen durch Papierverpackungen ersetzen”, sagt sie. „Wenn wir einfach konsequent auf Verpackung verzichten, sparen wir jedes Mal Ressourcen. Denn Holz ist ein endlicher Rohstoff im Gegensatz zu Solarenergie und Wind, davon haben wir genug.” Hier müsse ein Umdenken stattfinden.
Lose einkaufen lohnt sich
Mittlerweile bieten kleinere Supermarktketten Gemüse und Obst verpackungsfrei an.
Hier sollte man die Angebote vergleichen: In dem einen Markt gibt es die Kräuter vielleicht nur in Plastik verpackt, während der andere sie lose anbietet. Lose einkaufen, hat für Sonja einen entscheidenden Vorteil: „So kann man die Menge einkaufen, die man tatsächlich braucht.” Das Problem kenne ja jede*r: angefangene Packungen im Vorratsschrank, die im Zweifelsfall dann doch in der Mülltonne landen.
Milchprodukte, die bald verbraucht werden, müssen kein Mindesthaltbarkeitsdatum tragen, das weit in der Zukunft liegt. Auch schmeckt Gemüse und Obst mit kleinen Macken nicht schlechter als ihre makellosen Verwandten. Zudem bieten manche Supermärkte Waren, die bald aussortiert werden, günstiger an. Mit Vergünstigungen arbeitet auch Sonja Schelbach in ihrem Unverpacktladen: Auszubildende, Studierende und Schüler*innen haben jeden Mittwoch die Möglichkeit mit einem Rabatt von 15 Prozent lose einzukaufen. Sie will damit junge Menschen an das Thema heranführen.
Wann sind Lebensmittel abgelaufen?
Durch die richtige Lagerung halten sich Lebensmittel deutlich länger. Außerdem kannst du Lebensmittel auch einlagern, einfrieren, trocknen oder einkochen. Merke: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verfallsdatum. Viele Lebensmittel halten sich viel länger. „Viele wissen nicht, dass es zwei verschiedene Daten auf den Produkten gibt”, sagt Sonja Schelbach.
Ein Verbrauchsdatum ist für besonders schnell verderbliche und empfindliche Lebensmittel vorgeschrieben – etwa Hackfleisch oder Fisch. Diese Lebensmittel sind gekennzeichnet mit der Aufschrift „zu verbrauchen bis” und dürfen von Supermärkten nach Überschreiten des Datums nicht mehr verkauft werden, da sie dann eine Gesundheitsgefahr durch Keime darstellen können. Außerdem müssen die Bedingungen beschrieben sein, unter denen das Lebensmittel aufzubewahren ist – zum Beispiel die Kühltemperatur.
Nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) hingegen ist ein Lebensmittel nicht automatisch verdorben. Das MHD zeigt lediglich an, wie lange ein Produkt mindestens seine typischen Eigenschaften behält, etwa Farbe und Konsistenz. Grundsätzlich gilt laut Schelbach: Was gut schmeckt, gut riecht und gut aussieht, ist in aller Regel noch gut. „Wir sind ausgestattet mit Sinnen und ich finde, die können wir auch einsetzen”, sagt sie. Es gebe ja auch Lebensmittel wie Salz mit einem MHD darauf.
Das findet Sonja absurd, weil es im Zweifelsfall tausende von Jahren alt sein kann. Das hieße ja nicht, dass das Lebensmittel danach nicht mehr genießbar sei. Wenn auf einer Salzpackung ein MHD aufgedrucht ist, handelt es sich um Salz, dem Zusatzstoffe beigefügt wurden wie Jod- und Kräutersalz oder Salz mit Fluorid. Ist das MHD überschritten, muss das Produkt aber nicht entsorgt werden. Die Haltbarkeit von Salz ist für viele Jahre gewährleistet, lediglich die Zusatzstoffe können an Wirkung und Aroma verlieren.
Auch Molkereiprodukte können über das MHD hinweg konsumiert werden. So kann man beispielsweise mit einer Milch, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, noch viele Dinge machen. „Etwa Buttermilch, indem man einen Spritzer Zitrone hinzufügt”, sagt Schelbach. Oder man stellt Paneer (indischen Frischkäse) her. Dazu nur noch die Milch aufkochen und ein bisschen Zitrone zugeben. „Nur weil die Mich ein bisschen flockt, heißt das nicht, dass sie giftig geworden ist.”
So lagerst du deine Lebensmittel richtig
Lebensmittel wie Brot, Speiseöle, Kartoffeln, Auberginen, Tomaten, Avocados und die meisten Früchte gehören nicht in den Kühlschrank. Äpfel und Tomaten solltest du separat lagern. Sie strömen Ethylengas aus, das andere Obst- und Gemüsesorten schneller reifen lässt. Kartoffeln und Zwiebeln an einem trockenen und dunklen Ort verwahren.
Brot hält sich am längsten ungeschnitten in einem Brottopf. „Wenn man in der Küche keinen Platz für einen Brotkasten oder ein Brottopf hat, kann man das Brot auch einfach im Backofen lagern. Es hat den gleichen Effekt. Am besten in einem Stoffbeutel, idealerweise aus Leinen”, so Sonja Schelbachs Tipp. Käse am besten in einem beschichteten Papier einwickeln und angebrochene Packungen Mehl, Reis oder Nüsse in dicht schließende Behälter umfüllen. Dort sind sie vor Schädlingsbefall geschützt.
Und im Kühlschrank? Ganz nach unten, ins Gemüsefach, kommen Obst und Gemüse. Darüber, auf die unterste Ablage, kommen Fisch und Fleisch. Auf die mittlere Ablage gehören Milchprodukte und auf die oberste Käse und Essensreste. Eier, Butter und Getränke kommen in die Tür. Um dein Essen vor Kontaminationen und Austrocknung zu schützen, solltest du bis auf Obst und Gemüse alles gut verpacken. Das hilft außerdem gegen den typischen Kühlschrankgeschmack.
Resteverwertung – hier ist deine Kreativität gefragt
Versuche alle Lebensmittel auch zu verwerten. Falls doch mal was übrig bleibt, kannst du aus dem übrig gebliebenen Essen einen Snack für den nächsten Tag vorbereiten. Die Alternative zu verpackten Snacks aus dem Supermarkt.
Außerdem lassen sich Reste oft einfacher als gedacht verwerten: Obstreste werden zum Smoothie oder Obstsalat. Mit angeschnittenem Gemüse, angebrochenen Dosen und Reis vom Vortrag, kannst du eine Reispfanne kochen. Dazu passen auch die Fleischreste vom letzten Grillabend.
Bei der Zubereitung relevant: „Ich glaube, es gibt relativ viele Menschen, die mehr wegschneiden oder schälen als notwendig ist”, sagt Sonja Schelbach. So könne man beim Porree das Grüne essen. Oder aus Blättern und Wurzeln von Gemüse auch Salate zubereiteten. „Ich mache gerne aus Kartoffelschalen Chips im Backofen. Das ist total lecker und es kostet ja auch nichts, denn man hätte sonst die Kartoffelschalen in die Biotonne geworfen”, so Schelbach. Außerdem kannst du mit übrig gebliebenen Schalen auch eine Gemüsebrühe zubereiten.
Zudem gibt es tolle Rezepte für trockenes oder altes Brot, um etwa Croutons oder Brotchips zu erhalten. Aber man kann Brot auch als Ersatz für Hackfleisch nehmen oder Frikadellen daraus machen.
Wir wertschätzen unser Essen nicht genug
Dass 59 Prozent aller Lebensmittel, die im Müll landen, von Privatpersonen kommen, stimmt Sonja Schelbach traurig. „Wir sind so ein reiches Land und geben verhältnismäßig einen sehr kleinen Anteil unseres Einkommens für Lebensmittel aus”, sagt sie. Im Vergleich zu anderen Ländern, wie beispielsweise Frankreich, könne man sehen, dass es in Deutschland wenig Menschen gibt, die bereit sind, für gutes Essen zu zahlen. Wenn Lebensmittel dann verderben, tue es den Menschen nicht so weh, sie im Müll zu entsorgen. Außerdem trage das Mindeshaltbarkeitsdatum auch dazu bei.
Trotzdem: Zero Waste sei ein Prozess und kein Wettbewerb. „Es geht nicht darum, von Anfang an zu 100 Prozent alles richtig zu machen. Das sorgt nur für Stress und funktioniert meistens auch nicht dauerhaft”, sagt Sonja Schelbach. Besser: Schritt für Schritt einen gewissen Konsumverzicht zu leisten und auch auf Bequemlichkeit zu verzichten.
Schließlich lasse sich dann Zero Waste auch auf andere Bereiche des Lebens ausweiten. Der Leitsatz „Vermeiden, reduzieren, wiederverwerten, reparieren, recyclen und kompostieren” kann beliebig angewendet werden.
Einfache Tipps für Zero Waste, mit denen du nicht nur der Umwelt hilfst, sondern auch sparst:
- Statt Plastikstrohhalmen: Metall- oder Glasstrohhalme, essbare Strohhalme
- Statt Backpapier: Dauerbackfolie oder Silikonbackmatte
- Statt Frischhaltefolie: Bienenwachstücher
- Statt Gefrierbeutel: Silikonbeutel
- Statt Teebeutel: Losen Tee in einem Sieb
- Statt Plastiktüten: Beutel oder Bienenwachstücher zum Einkaufen mitnehmen
- Statt Plastiktüten: Obst- und Gemüsenetze
- Statt To-Go-Becher: Wiederverwendbarer Kaffeebecher
- Statt hochwertiger Mehrwegartikel: ausgespülte Marmeladengläser
- Statt neuer Kleidung kaufen: Tauschen oder gebraucht kaufen
- Statt direkt zu kaufen: einen Schritt zurücktreten und überlegen “brauche ich das wirklich”
- Statt Lebensmitteln in Dosen: trocken einkaufen