Schwimmen gehen ohne Bikinioberteil, das ist ab Mai in Hamburg möglich: In zwei Schwimmbädern der Stadt ist oben ohne probeweise allen Besucher*innen erlaubt. Ein guter Anlass zu fragen, wie das Projekt gelingen kann. 

In diesem Artikel wird von weiblich gelesenen Personen gesprochen. Das gelesene Geschlecht ist das Geschlecht, das einem Menschen von anderen wegen seinem Verhalten oder Aussehen zugeschrieben wird. Damit liegt es im Auge des Betrachtenden und muss nicht mit der tatsächlichen Geschlechtsidentität der Person übereinstimmen. Eine Person kann sich beispielsweise als Mann identifizieren, aber von anderen als Frau wahrgenommen, also gelesen, werden.

Foto: unsplash / Greg Rosenke

Die Freibadsaison startet und bald ist es für alle Hamburger*innen Zeit, die Badehose anzuziehen. Im Kaifu-Bad und im Hallenbad Wandsbek reicht auch nur die Badehose, denn: In diesen zwei Einrichtungen der Bäderland Hamburg GmbH, der städtischen Betreibergesellschaft für öffentliche Schwimmbäder, ist seit Anfang Mai Schwimmen „oben ohne” für alle erlaubt. Zunächst probeweise als Pilotprojekt; dienstags im Kaifu-Bad und donnerstags in Wandsbek. An den anderen Wochentagen müssen weiblich gelesene Personen ihre Brüste bedecken.

Das Projekt ist eine gute Gelegenheit, über Nippel zu reden – über ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft und wie die neue Freiheit im städischen Bad tatsächlich angenommen werden könnte.

Nackte Oberkörper sollten allen egal sein

Die Veränderung der Schwimmbadregeln stößt ein heikles Thema an: Weibliche Brüste sind Symbole sexueller Attraktivität. Vor allem der Nippel steht bei der Entblößung im Fokus. Schließlich reicht es aus, eine weibliche Brustwarze mit dem kleinsten Stück Stoff zu bedecken, um die Gemüter abzukühlen.

Hier ein Beispiel: Meta verbietet, abgesehen von wenigen Ausnahmen, weibliche Nippel auf Instagram nackt zu zeigen. Nur im Kontext von Kunst, Gesundheit oder Geburt sind sie erlaubt. Zwei kleine Aufkleber bewirken, dass die Brust als bedeckt gilt. Das Bild darf bleiben. Männliche Nippel werden währenddessen überall in all ihrer Blöße präsentiert. Ja, Brüste weiblich gelesener Personen gelten als sekundäre Geschlechtsmerkmale. Aber das sind Bärte tatsächlich auch – und sowieso ist dies kein Argument, um die Verhüllung der weiblichen Brust zu begründen. 

Beim Schwimmen „oben ohne” für alle wird mit genau diesen Gewohnheiten gebrochen. Es ist ein Weg dahin, dass der Anblick der weiblichen, nackten Brust irgendwann genauso aufregend oder unaufregend wird, wie der Anblick einer männlichen, nackten Brust. Bis dahin, scheint es noch ein langer Weg.

Verhaltene Bereitschaft zum Baden oben ohne

Die Bäderland Hamburg GmbH hat eine repräsentative Onlinebefragung durchgeführt, um „einen validen Eindruck über sich vielleicht verändernde gesellschaftlich übliche Normen” zu erlangen. Zwölf Prozent der 16.000 Personen haben den Fragebogen komplett ausgefüllt, das sind 2.400 Menschen. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten befürworten Baden ohne Oberteil zu ausgewählten Uhrzeiten und an bestimmten Standorten, die Offenheit lässt mit steigendem Alter nach. Neun Prozent der weiblichen Befragten würden oben ohne schwimmen gehen. 70 Prozent gaben an, das Angebot nicht nutzen zu wollen.

Verständlich, angesichts der Reaktionen, die Frauen schon erlebt haben. Gegen weiblich gelesene Personen, die öffentliche Schwimmbäder oberkörperfrei besucht haben, gab es Hass und Hetze. So ging es Lotte Mies aus Berlin. Gegenüber dem Tagesspiegel schildert sie Beleidigungen und Gewaltandrohungen. In Siegen berichtet die Sprecherin der Kommune von einer Vielzahl von Beschwerden, Beleidigungen, Drohungen per Mail, Briefen und Anrufen. Erschreckend, was ein fehlendes Stück Stoff auslösen kann.

Aber aus diesen Erfahrungen kann man lernen – indem man ein optimales Umfeld für Frauen schafft, die ohne Oberteil schwimmen wollen. Das muss doch gehen können, in der Sauna sind schließlich auch alle nackt.

Ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich mit und ohne Bikini-Oberteil wohlfühlt, ist jetzt auch Aufgabe der Betriebe. Das kann bedeuten: Aufklärung über die Erlaubnis schon an der Kasse. Eine Aufsicht, die eingreifen kann, wenn belästigt und beleidigt wird. Und natürlich entsprechende Konsequenzen für die gewaltausübende Person. Genauso wichtig ist die Unterstützung von allen Seiten, sowohl durch männlich, als auch weiblich gelesene Personen. Keine Beleidigungen, kein Starren.

Ja, es ist schwierig, jahrhundertelange Normen und Gewohnheiten zu ändern. Aber nein, das ist kein Grund, nicht im Kleinen damit anzufangen – wie bei den Schwimmbadregeln. 

Jahrgang 1997, hat schon einmal für den HR die Europameister im Fliesenlegen begleitet. Sie selbst legt lieber Musik auf. Als die Clubs in der Corona-Zeit geschlossen waren, brachte sie sich selbst bei, House-Musik zu mixen. Musik ist für Anna ein großes Thema. Ihr Abitur machte sie auf dem bekannten Musikgymnasium Montabaur. Neben dem Studium der Germanistik und Kommunikationswissenschaften in Münster arbeitete sie für die “Westfälischen Nachrichten” als Kultur- und Onlinejournalistin. Bei dem Campussender ihrer Uni leitete sie die Onlineredaktion und schrieb für das Straßenmagazin "draußen e.V." über öffentlichen Raum. Annas großer Traum: ein eigener Radiosender auf Spiekeroog.

1 KOMMENTAR

  1. Schlimm dass immernoch über Frauen bestimmt wird was sie anzuziehen haben. Bei Männern ist es anders, die dürfen uns Frauen jeglichen Anblick zumuten. ich bin dafür dass ALLE gleich behandelt werden: Badeanzug für alle! Und keine Ausnahme mehr für Männer.

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