Scham, Unsicherheit, fehlendes Geld: Für viele Jugendliche ist die Periode eine Herausforderung. An 20 Hamburger Schulen soll es zunächst für ein Jahr kostenfreie Periodenprodukte geben. Aber ist es damit getan?
Foto: Laura Krone
Kostenfreie Tampons und Binden gibt es im kommenden Schuljahr an ausgewählten Schulen in Hamburg – das beschloss kürzlich die Hamburger Bürgerschaft auf Antrag der Regierungsfraktionen von SPD und Grüne. Grund zur Freude? Noch nicht, wenn man bedenkt, dass es sich dabei erst einmal nur um ein Pilotprojekt handelt. Warum bekommen nicht alle Schulen kostenlose Hygieneprodukte und warum ist es nur ein Projekt auf Zeit und keine langfristige Entscheidung? Aufhören zu menstruieren werden die Jugendlichen sicherlich nicht.
Die Scham, eine tägliche Begleiterin
Ein Drittel der Menstruierenden fühlt sich unrein, wenn sie ihre Periode haben. Das ergab eine Studie der unabhängigen humanitären Organisation Plan International. Sie ist in Kooperation mit Wash United entstanden, einer internationalen Koalition aus NGOs und Regierungen. Gemeinsam haben sie 1000 Frauen und 1000 Männer zwischen 16 und 45 Jahren in Deutschland zum Thema Periode befragt. Dabei ging es, neben Scham und finanziellen Mitteln, auch um die Wahrnehmung der Periode im öffentlichen Diskurs.
Erschreckend: Knapp 30 Prozent aller menstruierenden Personen bleiben während ihrer Periode Zuhause, weil sie keine schlecht ausgestatteten oder schmutzigen Toiletten nutzen möchten. Für 75 Prozent sind Schmerzen ein Grund, um nicht raus zu gehen. Da ist der Ansatz der Hamburgischen Bürgerschaft, die Toiletten mit Hygieneartikel-Automaten auszustatten, ja schon mal nicht schlecht. Aber warum erstmal nur auf Zeit? Schüler*innen sollten langfristig entlastet werden. Denn nicht jede menstruierende Person kann sich Periodenprodukte leisten oder bekommt die nötige Unterstützung von Zuhause – sei es finanzieller oder emotionaler Art.
Zwölf Prozent aller Frauen zögern den Wechsel von Periodenprodukten hinaus
Gerade im Hinblick auf die finanzielle Lage vieler Jugendlicher scheint die Idee der Bürgerschaft sinnvoll: Denn ist nicht genug Geld da, wird gespart, wo es nur geht. Das zeigt die Umfrage von Plan International: Zwölf Prozent aller Befragten zögern den Wechsel von Tampons, Binden oder Slipeinlagen bewusst hinaus, um länger damit auszukommen. Das ist nicht nur unhygienisch, sondern kann bei Tampons auch zum toxischen Schocksyndrom führen. Das tritt laut Robert Koch-Institut jedoch glücklicherweise sehr selten auf. Die Häufigkeit liege bei drei bis sechs Fällen auf 100.000 Frauen.
Hygieneprodukte nicht mehr auf einer Ebene wie Trüffel
Für fast ein Viertel aller Teilnehmer*innen der Umfrage sind die monatlichen Kosten für Periodenprodukte eine finanzielle Belastung. Immerhin hat die Bundesregierung am 1. Januar 2020 beschlossen, den Mehrwertsteuersatz von Periodenartikeln von 19 auf sieben Prozent zu senken und sie somit als Grundbedarf zu deklarieren. Gerade für Menschen mit geringerem Einkommen ist es schwer, die monatlichen Kosten zu tragen. Das Bürgergeld sieht seit Januar 2023 19,16 Euro für den gesamten Bereich der Gesundheitspflege vor. Je nachdem wie viele und welche Produkte man benutzt, fallen für die Menstruation schon fünf bis 15 Euro pro Monat an. Dann kommen in der Regel noch Kosten für Medikamente und andere Pflegeprodukte dazu. Und dann wird es knapp.
Von der reinen Bereitstellung der Produkte mal ganz abgesehen, könnte an Schulen noch mehr über die Menstruation aufgeklärt werden. Und das plant auch die Hamburgische Bürgerschaft, wenn auch zunächst in den Pilotprojekten. Das ist auch nötig: Jede fünfte menstruierende Person in Deutschland weiß bei ihrer ersten Periode nicht, was genau mit ihr passiert, so Plan International. Zudem sollte mehr auf nachhaltige Periodenprodukte wie die Menstruationstasse oder Periodenunterwäsche aufmerksam gemacht werden. Denn allein jede Frau produziert pro Jahr etwa ein bis sechs Kilogramm Müll aus Tampons und Binden, so das Info-Portal Erdbeerwoche. Natürlich komme es dabei darauf an, wie stark die Blutung ist. In öffentlichen Einrichtungen können zwar keine Menstruationstassen oder Ähnliches angeboten werden, aber auch hier gibt es Alternativen wie Bio-Tampons.
Schottland, Frankreich und Neuseeland machen es vor
Nicht nur für Schülerinnen ist die Menstruation im Alltag eine Hürde, sondern für alle Menstruierenden. Wie wäre es also, wenn in Hamburg und auch anderswo, für alle Frauen kostenlose Periodenprodukte zur Verfügung stünden? Die Linke hatte das bereits 2021 gefordert. Andernorts ist das schon Realität: Schottland hat es als erstes Land der Welt im letzten Jahr eingeführt. Laut dem „Period Products Act“ müssen städtische Einrichtungen und Bildungseinrichtungen Periodenprodukte kostenfrei zur Verfügung stellen. An Schulen sind diese schon seit 2021 kostenlos. In Frankreich stellen Universitäten und Hochschulen entsprechende Produkte bereit, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch in Neuseeland gibt es gratis Periodenartikel für Schülerinnen.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Ähnlich wie in Hamburg gibt es zum Beispiel auch in Heidelberg und Karlsruhe Pilotprojekte an Schulen. Manche Institutionen stellen auch Produkte zur Verfügung, ohne es zu müssen oder sich damit zu rühmen. Eins ist jedoch klar: Während wir hier Pilotprojekte starten und schauen wie groß der Nutzen ist – bei 42 Millionen Frauen in Deutschland dürfte sich die Frage danach eigentlich nicht stellen – sind andere uns schon weit voraus. In Schottland finanziert der Staat die Kosten der Periodenprodukte im Wert von etwa 11,6 Millionen Euro pro Jahr. In Deutschland müsste dafür erstmal ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Denn so wie Toilettenpapier sollten auch Tampons und Binden auf öffentlichen WCs Grundbestand sein.
Laura Krone, geboren 1999 in Rotenburg (Wümme), weiß, wie Weizen und Wasser harmonieren. Bei einer Reise durch Australien ernährte sie sich fast nur von Nudeln mit Pesto, zu Hause hat sie eine eigene Nudelmaschine. In Bremen studierte Laura Medien- und Politikwissenschaft, in Bordeaux den lokalen Wein. Bei der ELBFISCHE Content Group bloggt sie über das, was andere kochen. In einem eigenen Podcast sprach sie mit einer Freundin über Themen von Astrologie bis Gen Z. Gerne würde sie auf weiteren Reisen Insekten probieren. Und dann darüber schreiben, wie man auch daraus eine gute Pasta-Soße machen kann. (Kürzel: kro)