Titelbild: Jacqueline Kurjahn mit Canva
Fast jeder und jede zweite befragte Studierende der HAW Hamburg leidet unter Symptomen von depressiven Störungen und Angststörungen. FINK.HAMBURG sprach mit Experten, wie die Gesundheit im Studium verbessert werden kann.
Prüfungssituationen, Deadlines sowie emotionaler Stress und finanzieller Druck – Studierende müssen oft mit Situationen umgehen, die eine körperliche oder psychische Belastung mit sich bringen. Und dies kann Folgen haben. So zeigt knapp die Hälfte der befragten Studierenden der HAW Hamburg nach Selbsteinschätzung Symptome einer depressiven Störung oder einer Angststörung. Dies ergab die Gesundheitsberichterstattung des Forschungsprojektes CamPuls in Zusammenarbeit mit der HAW Hamburg und der AOK Rheinland/Hamburg. Es ist die erste hochschulweite Gesundheitsberichterstattung.
Insgesamt haben an der Befragung knapp 1700 Studierende aller Fakultäten der HAW Hamburg teilgenommen. Die Fragen waren dabei nur in deutscher Sprache zu lesen. Zur Erfassung der Daten verwendete CamPuls unterschiedliche Methodiken, Skalen und Screeninginstrumente. So beispielsweise einzelne Skalen des Copenhagen Psychosocial Questionnaires (COPSOQ).
HAW Hamburg: Psychische Gesundheit der Studierenden unterdurchschnittlich
Laut den Ergebnissen der Berichterstattung liegt die körperliche Gesundheit der befragten Studierenden nach der Selbsteinschätzung leicht über dem Durchschnitt der Vergleichswerte der Gesamtbevölkerung. Bei der psychischen Gesundheit schnitten sie unterdurchschnittlich ab – und das deutlich.
Körperlich scheint es den Studierenden der Befragung zufolge besser zu gehen. Psychisch zeigen sich Symptome von depressiven Störungen oder Angststörungen. Um dies herauszufinden, wendeten die Forscher*innen in der Befragung das sogenannte Screeninginstrument PHQ-4 an. „Auffällig“ (s. Grafik) meint dabei ein schlechtes Ergebnis, bei dem man einmal beim Arzt abklären lassen sollte, was tatsächlich dahintersteckt.
Professor Dr. Wolf Polenz, Projektleiter von CamPuls, überraschen die Ergebnisse nicht. „Master- sowie Bachelorarbeiten und auch Studien von anderen deutschen Universitäten zeigen ähnliche Ergebnisse", sagt er zu FINK.HAMBURG. Der aktuelle TK-Gesundheitsreport 2023 der Techniker Krankenkasse bestätigt unter anderem diese Aussage. Den Ergebnissen des TK-Reports zufolge ist mehr als jede*r dritte Student*in in Deutschland Burnout-gefährdet. Im Vergleich zu 2019 bekommen zudem bundesweit knapp 30 Prozent mehr Studierende Antidepressiva verschrieben.
Als Gründe für die schlechten Ergebnisse an der HAW Hamburg sieht Polenz unter anderem die Corona-Pandemie, den Ukrainekrieg, die damit verbundene Inflation als auch Zukunftsängste. So würden sich immer mehr Studierende fragen, was genau sie später mit ihrem Universitätsabschluss überhaupt erreichen können.
Doch auch der Stress im Studium beeinflusst die psychische Gesundheit der Studierenden HAW Hamburg. So ergibt die Gesundheitsberichterstattung von CamPuls, dass Studierende besonders von schnellem Arbeiten und dem Arbeiten unter Druck betroffen sind. Und dies hat Folgen. Laut der Umfrage haben die jungen Menschen während ihres Studiums vor allem mit Burnout-Symptomen und der Unfähigkeit abzuschalten zu kämpfen.
Dunkle Tage: Befragung fand im Winter statt
Die Befragung fand im Dezember 2022 statt. Inwiefern hat also die saisonal bedingte Depression, auch Winterdepression genannt, einen Einfluss auf die Ergebnisse? Von einer Winterdepression wird laut der Stiftung für deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention gesprochen, wenn Symptome einer depressiven Störung nur zu bestimmten Jahreszeiten auftreten. Neben den klassischen Symptomen leiden die Betroffenen hier oftmals unter atypischen Symptomen wie Heißhunger anstatt Appetitlosigkeit.
Polenz zufolge sind die Ergebnisse der HAW Hamburg deutschlandweit kein Einzelfall und somit nicht abhängig von Jahreszeiten. Befragungen seien zudem immer nur Momentaufnahmen. Hätte man die Befragung verschoben, etwa auf die kurz danach stattfindende Prüfungsphase, wären wohl noch schlechtere Ergebnisse zu erwarten gewesen, vermutet er.
Gesundheit im Studium: nur ein weiteres To-Do auf der Liste?
Die Studierenden der HAW Hamburg wurden auch zu ihrer eigenen Gesundheitskompetenz befragt, also dem „Wissen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und im Alltag anzuwenden“. So die Definition des Bundesgesundheitsministeriums. So schneiden die HAW-Studierenden besonders bei der Selbstregulation und -kontrolle verhältnismäßig schlecht in ihrer Gesundheitskompetenz ab. Allgemein liegen die Ergebnisse der HAW Hamburg unter den Vergleichswerten anderer Studierender und Erwachsener.
Und die Uni Hamburg? Die hat eine Blitzumfrage zur psychischen Gesundheit der Studierenden durchgeführt, die Ergebnisse stehen allerdings noch aus. Laura Wagenhausen von Beat!, dem studentischen Gesundheitsmanagement der Uni Hamburg, sieht es vor allem als große Herausforderung, dass Studierende ihr Wissen auch praktisch anwenden. Durch Plattformen wie Instagram sei vieles bekannt. Aber oft sei es schwierig, das Gesundheitswissen auch im Studienalltag umzusetzen. Wenn Gesundheit nur ein weiteres To-Do auf der Liste sei, werde sie schnell vernachlässigt. „Das muss eigentlich in das Studium eingebettet sein. Zum Beispiel die Gesundheitskompetenzen zu erlangen, für die man dann auch Credits bekommt“, sagt Wagenhausen. Beat! bietet deshalb schon jetzt Bewegungsangebote, Meditationen sowie Veranstaltungen zur Achtsamkeit, Waldbaden und Beratung an.
Welche Angebote es an der HAW Hamburg schon gibt
An der HAW Hamburg wurden die Ergebnisse der CamPuls-Umfrage bereits den einzelnen Fakultätsräten, Dekan*innen und Departments vorgestellt. Hier sei eine gewisse Betroffenheit zu bemerken gewesen, so Polenz. Besonders die Studien- und Prüfungsbedingungen sollten nun in den Blick genommen werden. Zudem soll nachgeforscht werden, was einzelne Gruppen belastet. Studienbeginner*innen seien anderen Problemen und Situationen ausgesetzt als Studierende, die bald ihren Abschluss erhalten.
An den Fakultäten werden auch bereits Ersthelfer*innen für mentale Gesundheit ausgebildet, als Ansprechpersonen bei psychischen Problemen vor Ort. Auch das Gesundheitsfestival „Healthyland“ oder das Lernangebot „Gesund durchs Studium“ seien weitere Hilfen, um die eigene Gesundheit zu stärken. Dennoch werde dieses Hilfesystem noch nicht ausreichend wahrgenommen, sagt Projektleiter Polenz.
Die Befragung zur Studierendengesundheit an der HAW Hamburg soll 2024 erneut durchgeführt werden. Dann soll sie auch auf Englisch und für ausländische Studierende zugänglich sein.
Jacqueline Kurjahn, Jahrgang 2000, gewann einmal einen Pokal für einen Laufwettbewerb, obwohl sie eigentlich gar nicht daran teilnehmen wollte – sie trat als einzige in ihrer Altersklasse an. Aufgewachsen ist sie in Visbek bei Oldenburg, bis heute organisiert sie dort Ferienlager für Jugendliche. In Salzgitter studierte sie Medienkommunikation. Um die mediale Aufmerksamkeit für unter anderem Start-ups bemühte sie sich in einer kleinen PR-Agentur. Als Werkstudentin setzt sie in der Vermarktungsabteilung der Hamburger Morgenpost Social-Media-Kampagnen für Anzeigenkunden um. Auch privat ist Jacqueline viel auf Instagram unterwegs – als lebendes Newsportal für Promi-Tratsch. (Kürzel: jac)