Über den Klimaschutz werden immer wieder hitzige Debatten geführt. Dabei ist Desinformation ein großes Problem. FINK.HAMBURG hat mit einem Experten für Klimakommunikation darüber gesprochen, wie man sie erkennt. 

Dr. Robin Tschötschel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg. Er forscht im Bereich der

Kommunikation über politische und gesellschaftliche Aspekte des Klimawandels.

Robin Tschötschel. Foto: Tom Dobber
Foto: Tom Dobber

FINK.HAMBURG: Wie nennt man es, wenn Informationen verbreitet werden, die sich negativ auf den Klimaschutz auswirken sollen? 

Robin Tschötschel: Bei Firmen spricht man von Greenwashing, wenn es Teil der PR ist, ihre Aktivitäten als grüner darzustellen, als sie sind. Im politischen Zusammenhang wird es als klimabezogene Desinformation bezeichnet, wenn Akteure beispielsweise behaupten, ein Tempolimit würde nichts bringen. Weniger offensichtlich ist es, wenn Verzögerungsdiskurse oder Verzögerungsnarrative eingesetzt werden, so nennt man das wissenschaftlich.

FINK.HAMBURG: Haben Sie dafür ein Beispiel?

Robin Tschötschel: Wenn jemand sagt, dass wir uns nicht jetzt anstrengen müssen, weil wir in der Zukunft bessere Technologien haben werden, die uns dann zum Beispiel ermöglichen, viel effizienter Kohlendioxid aus der Atmosphäre herauszufiltern. Das ist keine klare Desinformation, weil es zu einem gewissen Grad stimmt. Die Technologien werden sich sicher so weiterentwickeln, dass dies möglich sein und auch etwas bringen wird. Aber natürlich nicht in dem Ausmaß, dass es gerechtfertigt wäre, jetzt bei Maßnahmen auf die Bremse zu treten.

FINK.HAMBURG: Gibt es noch mehr solcher Narrative?

Robin Tschötschel: Es gibt eine ganze Reihe. Ein anderes besagt zum Beispiel, dass wir eh schon unsere Zeitfenster verpasst haben und uns jetzt der Klimakrise einfach hingeben müssen. 

FINK.HAMBURG: Wer verbreitet so etwas denn? Welche Akteure nutzen solche Strategien, um sich gegen den Klimaschutz zu positionieren?

Robin Tschötschel: Zu den prominentesten Beispielen zählen große Industriekonzerne. Allen voran natürlich die Energiewirtschaft und die Ölkonzerne. Sie behaupten gerne, dass keine Notwendigkeit besteht, ganz aus den fossilen Energien auszusteigen. Oder sie betonen, dass wir so abhängig davon sind, dass wir das gar nicht könnten. 

FINK.HAMBURG: Bedienen auch bestimmte Parteien gerne solche Narrative?

Robin Tschötschel: Ich würde als politische Akteure nicht unbedingt nur rechtspopulistische Parteien in den Fokus stellen, sondern auch sehr stark wirtschaftsliberale Parteien. Man darf hier ruhig auch mal die FDP beim Namen nennen. Die macht sich das schon immer wieder zu eigen. Nicht superprominent und nicht andauernd und nicht in jeder Hinsicht. Da geht es eher darum, die Ausgestaltung der Maßnahmen so zu steuern, dass die eigene Klientel nicht sofort so stark betroffen ist. 

FINK.HAMBURG: Aber der Rechtspopulismus ist auch ein Akteur?

Robin Tschötschel: Natürlich. Der Rechtspopulismus, gerade in den USA, ist sehr stark mit dabei. Dort hört man zum Beispiel, die Klimaschutzmaßnahmen seien prinzipiell ungerecht. Es gehe immer auf Kosten der „kleinen Leute”. Gerne wird auch die Erzählung bedient, dass ein zentraler, überbordender Staat allen Leuten bis ins kleinste Detail Vorschriften machen wolle. Und dass das Klima dabei nur ein vorgeschobenes Argument sei. Das ist eine klassische politische Desinformation, die man schon fast als Propaganda bezeichnen kann.

FINK.HAMBURG: Wann ist solche Desinformation besonders erfolgreich? 

Robin Tschötschel: Wenn es um konkrete Maßnahmen geht. Man hat es in Deutschland zum Beispiel bei der Debatte um das sogenannte Heizungsgesetz gesehen. Der Entwurf kam frühzeitig an die Öffentlichkeit, verbunden mit viel Desinformation, darüber was eine Umstellung kostet, für welche Gebäude welche Optionen in Frage kommen, wer gezwungen sein wird, wann umzubauen. Das hat die Stimmung gegen diese konkrete Maßnahme sehr stark befeuert. Wenn es um Details geht, kann man Desinformation auch teilweise nicht so einfach bekämpfen. Weil das voraussetzt, dass man sich sehr gut mit der Materie auskennt. Deshalb können die Desinformationsstrategien gravierende Konsequenzen auf das öffentliche Meinungsbild haben. Um beim Heizungsgesetz zu bleiben: Hier wurde schnell von verschiedenen Medien Stimmung gegen die Pläne der Bundesregierung gemacht, anstatt klarzustellen, dass es sich bei dem geleakten Papier um eine noch weitgehend unfertige Diskussionsvorlage handelt.    

FINK.HAMBURG: Wie kann man Desinformation erkennen? 

Robin Tschötschel: Man muss Quellenkritik betreiben. Die ersten Fragen, die man sich stellt, könnte lauten: Wer behauptet etwas? Liegt es in dessen Kompetenzbereich? Wenn der- oder diejenige sich auf jemanden berufen, kann man sich anschauen, was das überhaupt für eine Quelle ist. Es gibt ja viele Thinktanks und Lobbyorganisationen, die die Argumente durch fragwürdige oder sogar schlechte Studien untermauern. Man sollte sich also auch fragen: Kann ich den Quellen vertrauen, auf die sich bezogen wird? Welche externen Leute stimmen den Aussagen zu? Kann ich unabhängige Informationen zu diesem Thema finden? Also noch einmal selbstständig auf Informationssuche gehen und schauen, dass man von Quellen wegkommt, die dem politischen Akteur oder der Firma nahestehen. Einfach ist es auf jeden Fall nicht, Desinformation zu erkennen und zu entkräften.  

FINK.HAMBURG: Was für Desinfiormations-Strategien hat man auf der Weltklimakonferenz gesehen? 

Robin Tschötschel: Bei der COP28 wurde in klassischer Manier eine Diskussion über die wissenschaftlich klar erwiesene Notwendigkeit des Ausstiegs aus den fossilen Energieträgern vom Zaun gebrochen. Jedes Mal, wenn man über sowas diskutieren muss, wird damit zumindest ein strategisches Ziel erreicht: Man diskutiert nicht über etwas anderes. Auch nicht darüber, wie es jetzt konkret weitergehen kann. Stattdessen macht man nochmal eine Grundsatzdiskussion auf, die eigentlich schon abgeschlossen ist. Das war auf der Klimakonferenz auf jeden Fall ein großes Problem.  

FINK.HAMBURG: Diskussionen sind also eine Verzögerungsstrategie? 

Robin Tschötschel: Gewisse Diskussionen sind im demokratischen Prozess natürlich notwendig. Gesetze beispielsweise müssen gut diskutiert werden. Aber Debatten aufzumachen, die aus einer faktischen Sicht schon längst abgeschlossen sind, das ist eine klassische Verzögerungstaktik. Dann streitet man sich über ein Thema, sorgt da wieder für Polarisierung, macht Grabenkämpfe auf und zieht die ganze Aufmerksamkeit darauf. Dabei sollten die Zeit und die mentale Energie eigentlich in gute Lösungsstrategien fließen. Diese Verzögerungstaktik hat schon mit den klassischen Klimaleugnern angefangen. Das ist jetzt quasi alter Wein in neuen Schläuchen. Also eine ähnliche Strategie in einem etwas anderen Zusammenhang. 

FINK.HAMBURG: Gibt es Hoffnung, dass Menschen lernen, nicht mehr so leicht auf Desinformation reinzufallen? 

Robin Tschötschel: Es gibt viele Studien, die zeigen, dass es so etwas wie eine Impfung gegen Desinformation gibt. Wenn man im Vorfeld schon ein bisschen aufgeklärter ist und weiß, was mögliche Desinformationsstrategien sind, dann fällt es einem schon viel leichter, Informationen nicht einfach anzunehmen, sondern kritisch zu hinterfragen. Deshalb freut es mich sehr, wenn Menschen sich mit dieser Thematik auseinandersetzen.  

Moritz Löhn, Jahrgang 1996, hat schon einmal ein Sachbuch in 30 Tagen geschrieben. “Fußball Fakten – Von der Bundesliga bis zur WM” heißt es und enthält 40 Geschichten über das schönste Spiel der Welt. Fürs Fußballschauen wird Moritz sogar bezahlt: Er tickert für sport.de und hat schon in der Online-Redaktion von Sport1 gearbeitet. Sportjournalismus ist auch sein Berufsziel – am liebsten investigativ. Studiert hat er Medien und Information an der HAW Hamburg. Auch ehrenamtlich engagiert er sich: Er betreut ein Ferienzeltlager in Dänemark und ist Co-Trainer bei der vierten Herrenmannschaft des USC Paloma. Moritz ist Mate- und Mario-Kart-süchtig. Eine gute Grundlage für die nächsten Bücher.
(Kürzel: mol)