Die Luftfahrtindustrie hat sich dem Kampf gegen die Klimakrise gestellt. Endlich kann man bei ausgewählte Airlines nachhaltiger fliegen. Von ernstgemeintem Interesse am Klima kann aber nicht die Rede sein. 

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Die Lufthansa ist aufgeflogen. Ihre Werbung für nachhaltiges Fliegen wurde von der britischen Werbeaufsicht in Großbritannien verboten. Nach AirFrance und Ethiad, Fluggesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate, geriet nun auch die Lufthansa in Turbulenzen. Der Grund: irreführende Werbung über nachhaltiges Fliegen. Mit dem Slogan „fly more sustainable“ also „nachhaltiger fliegen“ wollte Lufthansa seine seit Februar eingeführten „Green Fares“ – grüne Flugtarife – bewerben. Dies wurde laut der britischen Werbeaufsicht jedoch nicht deutlich aus der Anzeige. 

Damit ihre Emissionen mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind, hat die Lufthansa Group sich 2021 der „Science Based Target Initiative“ angeschlossen. Neben Flottenerneuerung und -optimierung, gehört auch ein nachhaltiger Treibstoff zu der Strategie. Dafür können die Passagiere nun extra zahlen und Lufthansa erreicht schneller ihr Ziel: CO2-neutrale Bilanz bis zum Jahr 2050.

Grün, grün, grün sind alle meine Flüge

Dank der teureren aber dafür „grünen Tarifen können sich Passagiere auf ausgewählten interkontinentalen und allen europäischen Routen nun endlich von ihrer Klimasünde freikaufen. Sie können für ein nachhaltigeres Fliegen ihre individuellen flugbezogenen CO₂-Emissionen ausgleichen. Bei schlechtem Gewissen also einfach einen Schein mehr in die Hand nehmen und gut ist?

Während sich in der Business-Class mit freiem Mittelsitz und grünem Tarif entspannt zurückgelehnt wird, werden die laut Lufthansa aktuell noch unvermeidlichen individuellen bei der Flugreise entstehenden CO₂-Emissionen also kompensiert.

Gerade einmal 0,2 Prozent

Fangen wir mal mit dem positiven Teil an. Auf Langstrecken gleicht Lufthansa zehn Prozent, innerhalb Europas 20 Prozent der CO₂-Emissionen durch nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuel – SAF) aus. SAF ist ein Flugkraftstoff, der emissionsärmer als Kerosin ist. Der Kraftstoff wird aus alten biogenen Reststoffen wie zum Beispiel Frittierfett hergestellt. Biogene Reststoffe haben zuvor CO₂ aus der Atmosphäre entzogen. Somit ist CO₂ selbst ein Rohstoff zur Herstellung des Kraftstoffs und es bildet sich einen Kreislauf. Die CO₂-Bilanz insgesamt sinkt, obwohl nicht weniger ausgestoßen wird. Das ist ein erster Ansatz in der Luftfahrt zur Dekarbonisierung, also die Reduktion kohlenstoffhaltiger Emissionen, die besonders durch Nutzung fossiler Energieträger entstehen. Klingt kompliziert, ist aber sehr wichtig für das Klima. Warum?

Die Luftfahrt zählt zu den am schwierigsten dekarbonisierbaren Sektoren. Auch wenn es Ansätze wie SAF gibt, können wir alle gar nicht so viele Fritten essen, um den Bedarf  an Treibstoff zu decken. Außerdem fehlt – Stand heute – noch die Infrastruktur dafür. 2022 machte der nachhaltige Treibstoff gerade einmal 0,2 Prozent des ganzen Treibstoffbedarfs der Gruppe aus. Zur Gruppe gehören neben den Lufthansa-Fliegern unter anderem die Passagierairlines Eurowings, Austrian Airlines, Brussel Airlines und Swiss.

Bei der Nutzung des nachhaltigen Treibstoffs gibt es ein weiteres Problem: Auch wenn Fluggesellschaften mehr SAF verwendet, können bei der aktuell verwendeten Methode maximal 50 Prozent SAF zu dem emissionsreichen Kerosin beigemischt werden.

Geld ausgeben statt Verzicht üben

Die anderen achtzig bzw. neunzig Prozent der CO₂-Emissionen kompensiert Lufthansa durch Klimaschutzprojekte. Für diese „hochwertigen Klimaschutzprojekte“ arbeitet Lufthansa mit „myclimate Deutschland“ zusammen. Dieses Unternehmen wurde im November 2022 von der Stiftung Warentest in ihrer Zeitschrift Finanztest mit „ausreichend” (4,0) benotet. Doch bevor man überhaupt den Button zum Kompensieren drückt, sollte man erst einmal nachdenken. Ist der Flug überhaupt notwendig oder sind die Emissionen vermeidbar? So kann man beispielsweise für den Inlandsflug Genf-Zürich einen grünen Tarif buchen, obwohl die Strecke mit der klimafreundlicheren Bahn nicht einmal drei Stunden dauert. 

Ein Screenshot von einer Werbeanzeige von Eurowings, in der sie für klimabewussteres Fluegen wirbt.
Eurowings gehört zu Lufthansa und wirbt in Deutschland mit klimabewussteren Fliegen dank CO₂-Kompensation. (Screenshot)

Warum reden alle nur von CO₂?

Zwar bemüht dich die Luftfahrtindustrie, doch ob das Begriffe wie „nachhaltiger Fliegen (Lufthansa) oder „Tatkräftiges Engagement für umweltbewussteres Reisen (AirFrance) verdient, bleibt fragwürdig. Denn ein entscheidener Teil wird in den ganzen Rechnungen vergessen: Die nicht CO₂-bedingten Einflüsse. Doch was ist das überhaupt?

Fakt ist: Fliegen ist klimaschädlich. Der Flugverkehr ist für etwa 2,5 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Doch mindestens genauso wichtig und oft außer Acht gelassen: die nicht CO₂-bedingten Einflüsse wie Ruß, Wasserdampf oder Stickoxide. Am offensichtlichsten sind wahrscheinlich die weißen Streifen am Himmel, wenn ein Flieger vorbei fliegt. Klingt harmlos, sieht schön aus, aber es handelt sich um Kondensstreifen oder auch menschengemachte Wolken, die einen wärmenden Effekt haben. Wie sich diese durch beispielsweise nachhaltigen Treibstoff verringern, wird derzeit noch erforscht. Rechnet man jedoch diese Extra-Einflüsse mit in die Klimabilanz der Luftfahrt ein, dann ist fliegen noch sehr viel schädlicher als oft dargestellt. Der Luftverkehr trägt dann zu 3,5 Prozent der Erwärmung der Erde bei. Davon machen die nicht CO₂-bedingten Einflüsse zwei Drittel aus und die CO₂-Emissionen ein Drittel.

Ablasshandel der Luftfahrtindustrie

Dass Airlines ihren Fokus auf CO₂-Kompensation legen ist kein Wunder, denn auch die übergeordnete Organisation ICAO kümmern sich erstmal nur darum. Beziehungsweise noch schlimmer: Sie kümmern sich nur um sogenannte wachstumsbezogene CO₂-Emissionen. Die Luftfahrt wächst jährlich, um aber nicht noch mehr zur Klimakrise beizutragen, hat sich die Internationale-Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) ein Tool ausgedacht. Dank des CO₂-Kompensations- und Reduktionsinstruments „CORSIA“ sollen Fluggesellschaften für wachstumsbedingte Emissionen zahlen. Dieses Geld investiert ICAO, wie die Airlines selbst, in Klimaschutzprogramme. Durch diese Art des Ablasshandels kann die Luftfahrtindustrie dann entspannt weiter wachsen. Man macht ja etwas, um dieses Wachstum auszugleichen. Mal wieder wird kompensiert, mal wieder wird sich mit Geld freigekauft und mal wieder bleiben die nicht CO₂-bedingten Probleme unbenannt.

Es gibt kein nachhaltiges Fliegen

Zwar werden Flotten erneuert, um die CO₂-Emissionen zu senken und Passagiere bezahlen die Airlines, um ihr Gewissen reinzuwaschen, aber das reicht nicht aus. Airlines müssen noch mehr in die Pflicht genommen werden. Ein klareres Signal für Klimaschutz wäre es, neben dem langen Prozess der Dekarbonisierung mit SAF, Inlandsflüge zu streichen. Auch in der Politik muss international zusammenarbeitet werden, damit Kerosin endlich besteuert wird. Außerdem muss die Gesellschaft überzeugt werden wirklich nur dann Langstrecke zu fliegen, wenn es absolut notwendig ist. Reines Ausgleichen der CO₂-Emissionen wird die Klimakrise nicht abwenden, auch weil die nicht CO₂-bedingten Einflüsse die Erderwärmung weiter vorantreiben. Nur manövrieren da derzeit Klimaschutz und das Geschäftsmodell von Airlines in zwei unterschiedliche (Himmels-)Richtungen.

Das Fachgebiet von Anna-Lena Schou, geboren 1997 in Walsrode, sind digitale Schlagfallensysteme – das sind Nagetierfallen, die eine Nachricht schicken, wenn sie zuschnappen. Das lernte sie in ihrem Job bei einem Schädlingsbekämpfer. Während ihres Bachelor-Studiums in International Tourism Studies schrieb sie für diverse Online- und Printmedien der Hochschule Harz in Wernigerode. Später verkaufte Anna-Lena Social-Media-Beiträge für Foodguide – über Essen schreibt sie besonders gern. Eigentlich aber will sie generell viel lieber schreiben als verkaufen. Zur Not auch über Schlagfallensysteme. (Kürzel: als)