Große Trecker haben diese Woche bei den Bauernprotesten viel Stimmung im Gepäck, die sie vom Land in die Städte tragen. Dabei muss bei den Demonstrierenden unterschieden werden. Nicht alle sollten eine Plattform bekommen.
In einer Demokratie ist es das gute Recht, zu demonstrieren — und die kleinen und mittleren Agrarbetriebe haben es wirklich nicht leicht. Das liegt auch an der Agrarpolitik der CDU und CSU in den vergangenen Jahrzehnten, die von 2005 bis Ende 2021 die Landwirtschaftsminister*innen stellte. Das vergessen diese traditionsbewussten Parteien aber gerne. Lieber lehnen sie sich zurück und schieben die Schuld auf die Ampel.
Aber zur Erinnerung, was unter CDU/CSU passiert ist: Von 2000 bis 2022 ist die Anzahl der Höfe in Deutschland fast um die Hälfte gesunken, nämlich um 45,2 Prozent. Das berechnet das Magazin Katapult anlässlich der Bauernproteste. Dabei ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche fast gleich groß geblieben, wie auch das Statistische Bundesamt zeigt. Unterm Strich gibt es also jetzt große Landwirtschafts-Player, die kleinere Höfe verdrängen. Mittlere und kleinere Betriebe befinden sich in einer präkereren Situation und wegfallende Subventionen, wie beim Agrardiesel, bekommen sie stärker zu spüren. Selbst wenn die Diesel-Subventionen nur sechs Prozent der gesamten staatlichen Förderung für die Landwirt*innen ausmachen.
Unterstützung dort, wo sie gebraucht wird
Aber wichtiger als kleine Geldspritzen ist eine langfristige, nachhaltige und ökologische Agrarpolitik, die dem Klima- und Strukturwandel gerecht wird. Bäuer*innen sollten dort unterstützt werden, wo sie es wirklich brauchen. Finanziell abgesicherte Großbetriebe sind resistenter gegen auslaufende Subventionen, vor allem dank der Rekordeinnahmen in den letzten Jahren. Dass die Ampel-Regierung so schnell Zugeständnisse für alle machte, indem sie bei Kfz-Steuer und Agrardiesel zurückruderten, dient eher den Wählerstimmen, als der Agrarpolitik. Gute Agrarpolitik braucht nicht das Festhalten an Dieselfahrzeugen durch Subventionen, die für Großbäuer*innen keinen finanziellen Unterschied machen. Gute Agrarpolitik sollte auch die kleineren Betriebe und Jungbäuer*innen in den Blick nehmen. Die Landwirtschaft hat andere Probleme, wenn die halbe Ernte von Überschwemmungen und Trockenheit zerstört wird.
Die Bauernproteste müssen sich abgrenzen
Aber auch der Ruf auf den Bauernprotesten nach denjenigen Parteien, die den Karren kleinerer Betriebe jahrelang Richtung Wand gesteuert haben, ist verfehlt. Gleichfalls sollte niemand rechten Trittbrettfahrer*innen eine Plattform bieten, die auf Schildern Galgen und Regierungsumsturz fordern. Die AfD hat potenzielle Wählerschaft gewittert und schnell das alte Grundsatzprogramm (“Weg mit Subventionen, her mit Wettbewerb!”) unter den Tisch gekehrt, spontan den Bäuer*innen die Liebe erklärt und rechte Kräfte freuen sich über Umsturzfantasien und Ampel-Hass. Sollten Landwirt*innen mit ernsthaften Absichten sich wirklich gemein mit denjenigen machen, die nur auf ihre Kosten die Gunst der Stunde nutzen? Oder mit einem “Weiter so wie bisher” langfristig ihre eigene Lebensgrundlage zerstören? Wie es funktionieren kann, haben die Jungbäuer*innen gezeigt. Gemeinsam positionierten sie sich gegen Hass und Hetze und für konstruktiven, zukunftsgewandten Dialog — da können sich die Älteren ein Beispiel nehmen.
Zurück bleibt nach den Bauernprotesten in Hamburg keine Gülle auf öffentlichen Plätzen und Autobahnen. Was hängen bleibt, ist neben der Forderungen der Bäuer*innen aber leider trotzdem brauner Mist. Der ist auf dem Trecker einiger Demonstrant*innen mitgefahren oder wurde bewusst von anderen eingeladen. Dieser Mist hat weder in der Stadt noch auf dem Land etwas zu suchen.
Jahrgang 1997, hat schon einmal für den HR die Europameister im Fliesenlegen begleitet. Sie selbst legt lieber Musik auf. Als die Clubs in der Corona-Zeit geschlossen waren, brachte sie sich selbst bei, House-Musik zu mixen. Musik ist für Anna ein großes Thema. Ihr Abitur machte sie auf dem bekannten Musikgymnasium Montabaur. Neben dem Studium der Germanistik und Kommunikationswissenschaften in Münster arbeitete sie für die “Westfälischen Nachrichten” als Kultur- und Onlinejournalistin. Bei dem Campussender ihrer Uni leitete sie die Onlineredaktion und schrieb für das Straßenmagazin "draußen e.V." über öffentlichen Raum. Annas großer Traum: ein eigener Radiosender auf Spiekeroog.