Am Energiecampus in Hamburg-Bergedorf forscht Felix Scholl an Lösungen für elektrisch betriebene Fähren – und das mit einer neuen Kombination aus Superkondensatoren und Batterien. Wie das möglich ist und was ihn antreibt.
Titelbild: Illustration von Anne Geßner
Am Rande Bergedorfs, an der Autobahn A25, direkt gegenüber des Windparks, befindet sich ganz am Ende einer Straße etwas zurückgelegen der Energiecampus der HAW Hamburg. Ein großes graues Gebäude mit Flachdach, obendrauf Solarpanels. Es wirkt fast ein bisschen futuristisch. Einsicht ins Innere bekommt man von der Straße aus kaum. Doch ein Blick durch die Fenster des großen Garagentores lässt erahnen, was hier passiert. Hier wird an Lösungen für die Energiewende geforscht: Ob E-Autos, regenerative Energiesysteme für Norddeutschland oder elektrische Fähren. Denn Fähren und Schiffe stoßen nicht nur CO₂ aus, sondern verschmutzen die Umwelt zudem mit Schwefeloxiden, Feinstaub und Ruß. Steuert die Politik jetzt nicht dagegen, könnten die CO₂-Emissionen des Seeverkehrs laut des Umweltbundesamts im Vergleich zu 2012 in den nächsten 25 Jahren um bis zu 250 Prozent ansteigen.
Die gute Nachricht: Lösungen für eine emissionsreduzierte Schifffahrt gibt es reichlich. Eine davon entwickelt Umwelttechniker Felix Scholl im Forschungsprojekt „Applicatio Super condensatori Ad Pontonibus” (Asap) am Energiecampus in Bergedorf. Schon nächstes Jahr soll eine Versuchsfähre am benachbarten Schleusengraben starten. Diese fährt dann anstelle von Diesel, mit Superkondensatoren.
Was ist ein Superkondensator?
Superkondensatoren sind elektrochemische Kondensatoren, die aufgrund ihrer schnellen Ladezeit und ihrer langen Lebensadauer an Beliebtheit gewinnen. Sie eignen sich sehr gut für Bereiche, in denen eine zuverlässige, sofortige und abrupte Stromversorgung benötigt wird.
Kleines Team, große Wirkung
Hinter Asap steckt ein kleines Team, das sich zum Ziel gesetzt hat, Fähren mit Superkondensatoren zu betreiben. Neben Felix Scholl vom Department Biotechnologie, wirken Prof. Dr. Hans Schäfers und Sebastian Farrenkopf am Projekt mit. Scholl hat selbst an der HAW Hamburg Umwelttechnik studiert, weil er „irgendwas Gutes machen wollte für die Welt”. Ingenieur zu werden, um Panzer zu bauen, sei für ihn nie in Frage gekommen. So fand er nach einigen Jahren beruflicher Weiterentwicklung den Weg zurück an die HAW Hamburg und somit an den Energiecampus.
Der Energiecampus des Competence Centers für erneuerbare Energien und Energieeffizienz (CC4E) in Hamburg-Bergedorf ist das Labor des kleinen Teams. Hier entstehen Ideen und hier wird die Ladeinfrastruktur für die elektrisch betriebene Fähre aufgebaut. Um diese Technologie später auf größere Szenarien zu übertragen, sammelt das Team gemeinsam mit der Mareval AG Leistungsdaten von Fähren und Arbeitsschiffen. Der Hamburger Ingenieurs-Dienstleister habe auch die Idee für das Projekt gehabt und sich das CC4E als wissenschaftlichen Partner dazu geholt, sagt Scholl.
Superkondensatoren: Die Sprinter für eine emissionsfreie Schifffahrt
Bereits im vergangenen Sommer hat sich die International Maritime Organisation (IMO) darauf geeinigt, die Treibhausgasemissionen von Schiffen zu reduzieren. Auch auf der letzten Weltklimakonferenz, der COP28, wurden im Rahmen der Green Shipping Challenge viele Versprechen von Unternehmen wie Amazon und Ländern wie Deutschland gemacht. Der Ansatz, den Scholl und sein Team für kleinere elektrisch betriebene Fähren verfolgen: Superkondensatoren einsetzen. Zwar kann man Fähren auch mit Batterien antreiben, allerdings haben Superkondensatoren auf Kurzstrecke gesehen einen Vorteil. Scholl erklärt den Unterschied:
„Der Superkondensator ist der Sprinter und die Batterie ist der LANGstreckenläufer.” – Felix Scholl
Batterien können also auf längeren Strecken eingesetzt werden, da sie eine hohe Energiedichte haben. Dafür haben sie keine hohe Leistungsdichte, so Scholl. Für eine Fähre, die häufig hin und her fährt und schnell beschleunigt und abbremst, ist eine Batterie also wenig sinnvoll. Die könne nicht schnell geladen werden und zusätzlich müsse man sie bei solch einem Benutzungsverhalten häufig wechseln. Deshalb untersucht das Asap-Team, wo der Einsatz von Superkondensatoren sinnvoll ist. Denn im Gegensatz zu Batterien können sie viel häufiger geladen und entladen werden, ihre Leistungsdichte ist viel höher.
Zum Vergleich: Batterien haben 5.000 bis 6.000 Ladezyklen, bis sie entsorgt werden müssen. Superkondensatoren dagegen haben etwa eine Million.
Wie viel umweltfreundlicher Superkondensatoren in Produktion und Entsorgung sind, könne man noch nicht zu 100 Prozent sagen, sagt Scholl. Sie seien aber auf jeden Fall besser als Batterien, da keine Säuren verwendet werden. Wie in anderen Bereichen auch, werde sich für Superkondensatoren eine entsprechende Recyclingindustrie entwickeln.
Emissionsfrei von den Landungsbrücken bis zum Fischmarkt
Wenn die Fähren an Land andocken und ihren Speicher aufladen, brauchen sie große Mengen an Energie. „Das ist eine riesige Belastung im Netz, welches die maximale Leistung abkönnen muss”, sagt Scholl. Auch hierfür hat das Asap-Team eine Lösung. Man brauche landseitige Speicher für die Fähren, so müsse das Netz nicht groß ausgebaut werden. Das wäre viel zu aufwändig und auch nicht sinnvoll. Scholl vergleicht das mit einem großen Auto, das man nur einmal im Jahr für eine große Fahrt braucht. Um also das Netz nicht sinnbildlich für diesen einen Ausflug im Jahr groß auszubauen, koppelt man den schwimmenden Energiespeicher, also die Fähre, mit dem Speicher an Land. Die beiden können sich dann gegenseitig laden und entladen, so Scholl.
Für Kurzstreckenfähren wie die HVV-Fähren wären Superkondensatoren beispielsweise gut geeignet. Kurze Wege von 200 bis 300 Meter seien auf jeden Fall machbar. Wie weit genau die Strecke zwischen den Ladestationen sein darf, finde man noch heraus, erklärt Scholl. Es gibt aber auf jeden Fall Grenzen: Fähren zwischen Lübeck und Malmö beispielsweise könnten nicht damit ausgestattet werden.
Das bringt Asap konkret fürs Klima
Die weltweite Schifffahrt ist laut Umweltbundesamt für 2,6 Prozent der weltweiten CO₂-Ausstöße verantwortlich. Das klingt erstmal wenig, allerdings liegt die Problematik eher in den nicht vorhandenen Regularien für die Schifffahrt. Die sind im Gegensatz zur Autoindustrie, wo beispielsweise Kraftstofffilter eingesetzt werden, nämlich nicht vorhanden. Neben dem CO₂-Ausstoß sind in der Schifffahrt noch viel mehr Schwefeloxide und Stickoxide belastend für die Umwelt. „Schiffe sind unfassbar dreckig”, so Scholl. Mit Asap soll die Entstehung klimaschädlicher Gase bei Fähren reduziert werden. Wie in vielen Bereichen, sind es aber vor allem wenige große Fähren, die laut Scholl den „Löwenanteil” der Verschmutzung ausmachen. Das belegt die Siemensstudie „Decarbonizing maritime transport” am Beispiel von Deutschland: Von 105 deutschen Fähren sind die 15 größten für knapp zwei Drittel der Emissionen verantwortlich. Dabei handelt es sich um Fähren, die länger als 150 Meter sind und beispielsweise nach Schweden, Dänemark oder Polen fahren. Die könnten künftig hybridisiert werden, um Emissionen einzusparen.
Containerschiffe mit Segeln?
Auf der COP28 hat Deutschland im Rahmen der Green Shipping Challenge einen nationalen Aktionsplan für eine emissionsfreie Schifffahrt angekündigt. Scholl’s Einschätzung: Bei Fähren und bei der Binnenschifffahrt sei das definitiv möglich, das wäre es auch jetzt schon. Die Studie von Siemens zeigt, dass Schiffe bis 150 Meter Länge, mit einem Fahrtweg von unter einer Stunde, elektrifiziert werden können. Alles darüber kann hybrid funktionieren.
Eine andere Idee geht eher „back to the roots”: Die amerikanische Reederei Cargill und die französische Reederei Zéphir & Borée haben Containerschiffe mit Segeln entwickelt, während die norwegische Reederei Hurtigruten ein Postschiff mit Segeln und zusätzlichen Solarmodulen plant. Containerschiffe mit Segeln strebt auch die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd an. Bei der weltweiten Schifffahrt sei Klimaneutralität aber deutlich schwieriger zu erreichen als beim Fährverkehr, sagt Scholl. Ein Vorreiter der emissionsfreien Schifffahrt ist Norwegen. Das skandinavische Land hat auch bei der COP28 eine führende Rolle für das Thema eingenommen. Laut der Siemens-Studie laufen bereits 70 Prozent des norwegischen Fährverkehrs emissionsfrei. Dazu müsse man aber sagen, so Scholl, dass das Land viel Geld durch Öl gemacht hat, wodurch sie wiederum Projekte mit erneuerbaren Energien finanzieren können.
Viele kleine Schritte führen zum Erfolg
„Ich glaube, es ist wichtig für jede einzelne Person zu wissen, dass selbst wenn der eigene Anteil klein ist, es einen Unterschied macht. Auch wenn es nur ein kleines Projekt ist”. Zum Beispiel könne man sich als Privatperson zu Hause Balkonkraftwerke installieren. „Aus der Summe wird dann eine schöne Geschichte”, sagt Scholl. Neben der Wissenschaft brauche es aber genauso Leute, die Photovoltaikanlagen planen, die Superkondensatoren herstellen und die diese klimaschützenden Komponenten auch einbauen können.
Laura Krone, geboren 1999 in Rotenburg (Wümme), weiß, wie Weizen und Wasser harmonieren. Bei einer Reise durch Australien ernährte sie sich fast nur von Nudeln mit Pesto, zu Hause hat sie eine eigene Nudelmaschine. In Bremen studierte Laura Medien- und Politikwissenschaft, in Bordeaux den lokalen Wein. Bei der ELBFISCHE Content Group bloggt sie über das, was andere kochen. In einem eigenen Podcast sprach sie mit einer Freundin über Themen von Astrologie bis Gen Z. Gerne würde sie auf weiteren Reisen Insekten probieren. Und dann darüber schreiben, wie man auch daraus eine gute Pasta-Soße machen kann. (Kürzel: kro)