Sauberes Trinkwasser direkt aus der Leitung – das ist in Deutschland selbstverständlich. Aufgrund der Klimakrise könnte sich das ändern. Lösungen dafür untersucht das Forschungsteam Safecrew in Hamburg.

Foto: Nicolas Comte

Im Alltag denken wir selten darüber nach: Wir putzen damit unsere Zähne, kochen Spaghetti darin, spülen die Toilette und gießen unsere Blumen damit. Gemeint ist aufwändig aufbereitetes Trinkwasser. Nicht erst seit 2023, dem wärmsten Jahr seit Wetteraufzeichnung, ist klar, dass Dürren und Hitzewellen aufgrund der Klimakrise auch in Deutschland immer häufiger auftreten. Bei hohen Temperaturen verdunstet das Wasser schneller, Flüsse trocknen aus und der Grundwasserspiegel sinkt. Und das ist ein Problem: Denn zwei Drittel des deutschen Trinkwassers werden aus Grundwasser gewonnen. Gehen wir verschwenderisch damit um, könnte es zukünftig in einigen Regionen nur eingeschränkt verfügbar sein, so der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Nicht nur Hitzewellen sind in Deutschland häufiger geworden, sondern auch Starkregen. Denn höhere Temperaturen verursachen eine höhere Verdunstung, die wiederum zu mehr Regen führt. Und der stellt das vermeintlich sichere Trinkwasser vor neue Herausforderungen. Regnet es zu viel in zu kurzer Zeit, könne der Boden das Wasser häufig nicht mehr aufnehmen, so der BUND. Das liege unter anderem auch an den versiegelten Flächen aus Asphalt und Beton. Stattdessen werde das Regenwasser in Mischkanalisationen abgeleitet, die für so große Mengen nicht ausgelegt sind. Die Folge: Die Kanalisation läuft über, schadstoffbelastetes Abwasser fließt in Gewässer wie beispielsweise in Flüsse, aus denen potentiell später Trinkwasser entnommen wird. Wissenschaftler*innen haben erkannt, dass Trinkwasser durch die Klimakrise gefährdet ist und beschäftigen sich mit möglichen Lösungen für die Trinkwasseraufbereitung.

Trinkwasseruntersuchung in Hamburg für ganz Nordeuropa

Laut Dr. Anissa Grieb von der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) an der Technischen Universität Hamburg (TU Hamburg) gibt es derzeit keine akute Gefahr, was die Wassermenge, als auch die Wasserqualität in Deutschland angeht. Durch klimatische Einflüsse könne sich das aber ändern und das sei auch schon in Ansätzen zu merken. Lösungen hierfür erforscht die Mikrobiologin Grieb als Koordinatorin des Projekts Safecrew an der TU Hamburg.

Anissa Grieb koordiniert das Projekt "SafeCREW” und untersucht die Entwicklung des Trinkwassers. Foto: Roman Jupitz
Anissa Grieb ist Mikrobiologin an der TU Hamburg und koordiniert dort das Projekt Safecrew. Foto: Roman Jupitz

Die Abkürzung für das Projekt leitet sich ab aus dem vollständigen Namen „Climate Resilient Management for Safe Disinfected and Non-Disinfected Water Supply Systems”. Es ist ein europäisches Verbundprojekt und an das Förderprogramm „Horizon Europe” angeschlossen. Dabei geht es um die zukünftigen Herausforderungen der Klimakrise im Bezug auf die Trinkwasserversorgung zum einen in Südeuropa, aber auch hier bei uns im Norden. Am Beispiel des Hamburger Trinkwassers wird die Entwicklung für Norddeutschland und für ganz Nordeuropa untersucht. Die Wissenschaftler*innen schauen sich an, ob und wann es Kipppunkte gibt, ab wann eine Desinfektion unseres Trinkwasser nötig wird. Weitere Untersuchungen finden in Spanien und Italien statt – dort wird Trinkwasser bereits desinfiziert. Deshalb fokussieren sich die Forscher*innen dort mehr auf die gesundheitsschädlichen Nebenprodukte, die bei der Desinfektion des Wassers mit beispielsweise Chlor entstehen.

Was sind Trinkwasserdesinfektionsmittel?
Aktuell sind in Deutschland fünf Stoffe als Trinkwasserdesinfektionsmittel zugelassen: Natrium- und Calciumhypochlorit, Chlordioxid, Chlor und Ozon. Die eingesetzten Mittel bleiben zum Teil im Trinkwasser, weshalb sie nicht gesundheitsschädlich sein dürfen. Sie dürfen nur verwendet werden, wenn sie hygienisch zwingend notwenig sind und nur in einer möglichst geringen Dosierung.

Muss auch deutsches Trinkwasser bald desinfiziert werden?

Aufgrund des Klimawandels gibt es auch vermehrt Starkregen in Deutschland. „Der schwemmt mehr organische Verbindungen ins Wasser als üblich”, sagt Grieb. Organische Verbindungen bestehen zum Großteil aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff. Kohlenstoff dient als Grundlage für das Wachstum von Bakterien, die gesundheitsschädlich für den Menschen sein können. In Hamburg gebe es dieses Problem bisher noch nicht, da die Hansestadt ein tiefes Grundwasser hat, die Folgen der Klimakrise werden also erst später sichtbar. In Deutschland muss Trinkwasser auch noch nicht desinfiziert werden – es sei denn, es gibt einen Notall, so Grieb. Stattdessen werde durch die Aufbereitung versucht, Nährstoffe für Bakterien aus dem Wasser rauszuholen, sodass erst gar keine Krankheitserreger aufwachsen können, dann müssen Versorger es auch nicht desinfizieren.

Warum und wie wird Wasser desinfiziert?

Mikroorganismen gibt es fast immer im Wasser. Es gibt krankheitserregende und solche, die nicht krankheitserregend sind. Wenn es von letzteren zu viele gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch krankheitserregende Bakterien im Wasser sind. Um das zu vermeiden, wird desinfiziert. Dafür werden häufig chlorbasierte Mittel verwendet, die mit ins Netz reingehen. Der Vorteil: Der Effekt bleibt länger. Der Nachteil: Es können gesundheitsschädliche Nebenprodukte des Desinfektionsmittels im Wasser bleiben.

Kritischer werde es in Ländern wie Spanien, wo die Temperaturen höher sind und zusätzlich noch Trinkwasser aus oberflächennahem Wasser wie Flüssen genutzt wird. Hier müsse desinfiziert werden, weil in oberflächennahem Wasser, was lange in Flüssen steht, mehr Nährstoffe vorhanden sind und sich somit vermehrt Bakterien bilden, sagt Grieb.

Ein weiteres Problem: Steigende Temperaturen im Trinkwassernetz selbst. Bei der Aufbereitung des Trinkwassers ergibt sich dann folgendes Problem: Je mehr Desinfektionsprodukte eingesetzt werden, desto höher sind auch die Anteile von Desinfektionsnebenprodukten im Wasser. Diese wiederum können schädlich für die Gesundheit sein. Deswegen sei es wichtig, die Substanzen dieser Nebenprodukte aus dem Wasser herauszufiltern. Die Fallstudie in Deutschland beschäftigt sich genau damit:

„Wir wollen, dass wir vorbereitet sind, falls wir so eine Qualitätsveränderung haben, dass wir irgendwann desinfizieren müssen.” – Anissa Grieb

Dabei geht es um eine möglichst sichere und sanfte Desinfektion. Allerdings sei Hamburg mit seinem tiefen Grundwasser erst später als andere Regionen davon betroffen.

Leitfäden für Politik und Wasserversorger

Ein Ziel von Safecrew ist es, Leitfäden für Wasserversorger, Behörden und die Politik zu erstellen, damit diese wissen, welche Methoden sie auf welches Wasser anwenden können und wie sie Nebenprodukte am besten reduzieren. Es gebe außerdem Monitoring-Verfahren, mit denen in Echtzeit überprüft werden kann wie viel Organik sich im Wasser befindet. Künstliche Intelligenz berechne dann den Verlauf und erstelle Vorhersagen über die Zeit und andere Parameter. „Dann kann man die Desinfektionsmittel dementsprechend anpassen und braucht nur so viel verwenden wie auch wirklich nötig ist”, so Grieb. Ein Beispiel: In der spanischen Fallstudie geben die Wissenschaftler*innen Chlor in eine Leitung und können ermitteln, wie viel davon nach fünf Kilometern noch in der Leitung übrig ist und wie viele Nebenprodukte sich gebildet haben.

Trinkwasser könnte zukünftig teurer werden

„Das, was wir für unser Trinkwasser zahlen, ist ziemlich günstig”, sagt Grieb. Je mehr Aufbereitungsschritte für die Vermeidung der Desinfektion dazukommen, desto mehr werden Endverbraucher*innen dafür zahlen müssen. Das gilt nicht nur für Aufbereitungsschritte, die aufgrund der Klimakrise nötig werden, sondern auch für erhöhte Nitratwerte als Folge von Überdüngung. „Die Wertschätzung für Trinkwasser ist einfach noch nicht so da, kommt aber langsam”, so Grieb. Wüssten die Endverbraucher*innen, dass die Kosten für die Aufbereitung auf sie zukommen, dann würden sie vielleicht auch höheren Druck auf die Politik und die Versorger ausüben.

Auch Dr. Wolf Merkel, DVGW-Vorstand für den Bereich Wasser, sagt: „Trinkwasser hat nicht nur einen Wert, sondern auch einen Preis.” Den treibt nicht nur die Aufbereitung des Wassers in die Höhe, sondern auch der Erhalt und Ausbau der Wasserinfrastruktur. In ländlichen Regionen nimmt die Bevölkerungzahl ab, das Wassernetz ist dementsprechend zu groß, muss aber trotzdem erhalten werden. Das lasse sich nicht einfach zurückbauen und an die gesunkene Bevölkerungszahl anpassen. Gleichzeitig steige der Wasserbedarf in Großstädten, wo Infrastruktur ausgebaut werde müsse. Den Sanierungsstau will die Bundesregierung mit ihrer im März verabschiedeten nationalen Wasserstrategie angehen.

Trinkwasser für den Garten?

Laut Grieb sind die Methoden für eine widerstandsfähige Wasserversorgung häufig schon da. Sie müssen aber auch von den Wasserversorgern umgesetzt werden. Das kostet jedoch viel Geld und sei teilweise aufgrund von anspruchsvollen politischen Regeln schwer umsetzbar. Wichtige Punkte seien außerdem, die Ressourcen zu erhalten und die Umwelt erst gar nicht mit Verunreinigungen zu belasten. Außerdem müsse die Menge an Wasser, die zur Verfügung steht, reguliert werden. Man müsse sparsam damit umgehen und zum Beispiel Regenwasser für Bewässerung nutzen. In Hamburg gibt es schon Projekte, wo das so umgesetzt wird. Das hochwertige Trinkwasser sollte nicht für Zwecke verwendet werden, die diese Qualität gar nicht brauchen, sagt Grieb. Dazu zählt beispielsweise die Bewässerung von privaten Gärten oder Parks mit Trinkwasser.

Ein Rasensprenger bewässert einen Garten. Foto: Jordan Hopkins/unsplash
Häufig wird hochwertiges Trinkwasser für die Bewässerung von privaten Gärten oder Parks genutzt. Foto: Jordan Hopkins/unsplash

„Jeder nimmt es als selbstverständlich hin, dass wir hier Trinkwasser aus dem Wasserhahn bekommen, aber vielleicht ist das irgendwann nicht mehr selbstverständlich,” sagt Grieb. Es müsse jetzt gehandelt werden, damit es erst gar nicht dazu kommt, dass sauberes Wasser aus der Leitung nicht mehr selbstverständlich ist. Auch der BUND warnt: Mit der Zunahme von langen Trockenperioden und Hitzewellen steigt die Nachfrage nach Wasser, deshalb sollten die Industrie, die Landwirtschaft und die Verbraucher*innen möglichst nachhaltig mit den Wasserressourcen umgehen.

Laura Krone, geboren 1999 in Rotenburg (Wümme), weiß, wie Weizen und Wasser harmonieren. Bei einer Reise durch Australien ernährte sie sich fast nur von Nudeln mit Pesto, zu Hause hat sie eine eigene Nudelmaschine. In Bremen studierte Laura Medien- und Politikwissenschaft, in Bordeaux den lokalen Wein. Bei der ELBFISCHE Content Group bloggt sie über das, was andere kochen. In einem eigenen Podcast sprach sie mit einer Freundin über Themen von Astrologie bis Gen Z. Gerne würde sie auf weiteren Reisen Insekten probieren. Und dann darüber schreiben, wie man auch daraus eine gute Pasta-Soße machen kann. (Kürzel: kro)