Eine Waage mit Viren auf der einen und gesunden Zellen auf der anderen Seite der Waage.
Balanceakt der Dekontamination von Blutspenden: Schädliche Erreger auf der einen Seite und gesunde Zellen auf der anderen. Gesicht: GDJ/Pixabays, Zellen: Pixabays, Viren: Muhnaufals/Pixabays, Waage: OpenClipart-Vectors/Pixabays, Totenkopf: Coker-Free-Vector-Images/Pixabays, Bildmontage: Helen Kemmler

Blut spenden sind überlebenswichtig, dennoch gibt es zu wenig Spendende. Dabei wurden die Hürden letztes Jahr gesenkt. Wer kann wie oft Blut spenden? Und kann gespendetes Blut einfach von Infektionen bereinigt werden?

Welche Blutprodukte kann ich spenden?

Vollblutspende: Entnahme des Blutes direkt aus der Vene.

Apheresespenden: Bestimmte Bestandteile werden aus dem Blut herausgefiltert und entnommen. Der Rest wird wieder zurückgeführt.

Plasma-Spenden (Blutflüssigkeit) und Thrombozyten-Spenden (Blutplättchen) fallen darunter.

Wie oft darf ich Spenden?

Vollblut: Männer bis zu sechs Mal im Jahr, Frauen bis zu vier Mal im Jahr.

Blutplasma: Bis zu 60 Mal im Jahr.

Blutplasma bildet der Körper deutlich schneller nach. Zwischen jeder Plasmaspende müssen mindestens zwei Tage liegen.

Thrombozyten: Bis zu 26 Mal pro Jahr. Zwischen den Spenden müssen mindestens 14 Tage liegen.

Unfall, Operation oder Krankheit: Jeder Mensch kann plötzlich in die Situation kommen, eine Blutspende zu benötigen. Die Anzahl der Vollblutspenden geht jedoch seit mehreren Jahren leicht zurück, nur Plasma- und Thrombozyten-Spenden nehmen leicht zu (Stand 2022). Blutspendedienste wie die DRK beklagen regelmäßig einen Mangel vor allem an Vollblut-Konserven. Diese können nämlich maximal 21 Tage unverarbeitet gelagert werden.

Kritik an den alten Spende-Richtlinien

Die Initiative “Vielfalt rettet Leben” möchte jetzt Menschen ansprechen, die bislang selten oder gar nicht gespendet haben. Denn bis November 2023 waren die Richtlinien für die Spendetauglichkeit für manche Gruppen diskriminierend: Die Fragebögen bezeichneten Menschen, die homo- und bisexuell oder Trans sind, als „Männer, die Sex mit Männern haben“, kurz MSM. Diese schloss man kategorisch von der Blut-, Plasma- und Thrombozyten-Spende aus, wenn sie in den letzten vier Monaten Geschlechtsverkehr mit mindestens einer Person hatten.

Begründet wurde dies mit einem erhöhten Infektionsrisiko mit Krankheiten wie HIV oder Hepatitis in diesen Gruppen. Allerdings durften heterosexuelle Menschen in einer monogamen Beziehung spenden; homo- und bisexuelle oder Trans-Personen in einer monogamen Beziehung nicht. Die Richtlinien für die Spende legen das Paul-Ehrlich Institut und die Bundesärztekammer (BÄK) fest.

Wer darf heute Blutspenden?

Seit November 2023 gibt es neue Richtlinien für eine Spende: Es gibt kein maximales Spendealter mehr, jede Person ab 18 Jahren und mit mindestens 50 Kilogramm Körpergewicht ist spendefähig. Zudem muss jede Person, die Spenden möchte, die Frage nach der Anzahl der Sexualpartner*innen in den letzten vier Monaten beantworten – unabhängig vom Geschlecht – und ob sie Analverkehr gehabt habe. Mehr Informationen zu den Richtlinien hier (ab S. 20).

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) begrüßt diese Änderungen sehr. Blutspenden werde dadurch inklusiver und “mehr spendewillige Menschen erhalten die Chance Gutes zu tun”, so das DRK.

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Vollblut, Plasma und Thrombozyten. Tropfen: Coker-Free-Vector-Images/Pixabays, Bildmontage: Helen Kemmler

Gerade bei nicht heilbaren Infektionskrankheiten  – wie HIV – ist es essenziell, dass bestimmte Zeitabstände abgefragt werden, um Empfänger*innen einer Spende zu schützen. Die Viruskonzentration von HIV lässt sich nämlich erst nach frühestens zwei Wochen und spätestens sechs Wochen nach Infektion mittels PCR-Test nachweisen. Jedes gespendete Blutprodukt wird eingehend auf Krankheiten untersucht.

Aber wenn sich HIV nach sechs Wochen nachweisen lässt, wieso dann eine vier-monatige Sperre nach sexuellem Kontakt? Das begründet weder das Paul-Ehrlich-Institut noch die BÄK, sagt die Deutsche Aidshilfe. Auch sei die Annahme, Analverkehr erhöhe das Risiko für HIV stigmatisierend, denn Kondome oder die HIV Prophylaxe PrEP werde dabei nicht berücksichtigt.

Können Blutspenden von Infektionskrankheiten gereinigt werden?

Ja und nein: Die aktuell erforschten Verfahren sind noch nicht überall zugelassen und können nicht auf jedes Blutprodukt angewendet werden. Es gibt verschiedene, größtenteils photochemische Verfahren: Das bedeutet, sie arbeiten mit einer Kombination aus Licht und einer chemischen Reaktion. Auf diese Weise wird ein Farbstoff durch eine Strahlung mit einer bestimmten Wellenlänge aktiviert und reagiert mit den Pathogenen – das sind Viren, Bakterien, Pilze, Prione oder Parasiten im Blut.

Die Strukturformel von Riboflavin. Erstellt von Helen Kemmler.
Die Strukturformel von Riboflavin. Erstellt von Helen Kemmler.

Ein Beispiel für ein photochemische Verfahren ist die Mirasol Pathologen Reduction Technology, kurz PRT-System. Dabei färbt Riboflavin, ein B Vitamin, das Blutprodukt blau und wird mit UV-Licht bestrahlt. Diese Strahlung aktiviert das Riboflavin so, dass es eine Reaktion mit Pathogenen eingeht und sie zerstört. Die wichtigen Blutkomponenten sollen dabei erhalten bleiben, also nicht mit dem Riboflavin reagieren.

Der Vorteil von Riboflavin ist, dass es ein körpereigenes Vitamin ist und es so nach der Behandlung nicht wieder aufwendig aus dem Blutprodukt herausgeholt werden muss. Das ist bei anderen Verfahren mit Farbstoffen wie Amotosalen oder Meythylenblau der Fall. Das PRT-System ist bereits in einigen Ländern für die Plasma- und Thrombozyten-Spende zugelassen.

Wichtige Blutanteile des Vollbluts gehen kaputt

Für eine Vollblut-Spende können diese photochemischen Verfahren, stand heute, noch nicht verwendet werden. Eine Thrombozyten- oder Plasma-Spende hat einen „klaren“ Vorteil: Sie sind gelb-transparent und lassen sich leichter anfärben. Die Dekontamination, also das Zerstören von gefährlichen Substanzen, funktioniert nur, weil der Farbstoff durch die gewählte Strahlung reagiert. Das ist ein Balanceakt zwischen dem pathogenen Zelltod und den wichtigen Blutkomponenten, die nicht zerstört werden dürfen. Im Vollblut funktioniert das leider noch nicht, ohne das Blut dabei „kaputt“ zu machen.

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Licht-und-Chemie
Photochemische Reaktion: Licht und Chemie führen zum pathogenen Zelltod.
Lampe: Mosssss/Pixabays, Rundkolben: foobarbazbing/Pixabays
Blutspendeartikel, Viren: Muhnaufals/Pixabays, Totenkopf: Coker-Free-Vector-Images/Pixabays, Bildmontage: Helen Kemmler.

Außerdem kann zum Beispiel ein Virus im Blutplasma ein photochemisches Verfahren überstehen, wenn die Viruskonzentration sehr hoch ist. Deswegen sind die Fragen nach dem eigenen Risikoverhalten auch heute noch wichtig – nicht nur für das Vollblut, sondern für alle Blutprodukte.

Kunstblut statt Blutspende?

Auch daran wird geforscht, denn künstliches Blut würde die Blutspende-Situation drastisch entlasten. Vollblut – mit allen Bestandteilen – künstlich herzustellen, ist jedoch sehr komplex und aktuell noch nicht möglich. Manche Bestandteile, wie die roten (Erythrozyten) oder weißen (Leukozyten) Blutkörperchen, lassen sich aus Stammzellen bereits im Labor züchten. Bis diese Anwendungen aber in den medizinischen Alltag finden, wird es wohl noch dauern.

Blutspenden ist und bleibt also essenziell für uns alle.

Helen Kemmler, Jahrgang 1998, ist schon ein Chlorspeicher in die Luft geflogen. Denn für ihre Masterarbeit in der Gas-Chemie kochte sie vor allem im Labor an der FU Berlin und in Bologna. Durch die Berichterstattung in der Corona-Pandemie fiel der Chemikerin auf: Im Journalismus gibt es zu wenige Naturwissenschaftler*innen. Also verzichtete Helen auf eine Promotion. Stattdessen überquerte sie die Alpen und startete einen Blog über PFAS, Kontrabass und Berge. Außerdem arbeitete sie in einem Outdoor-Geschäft, wo sie unter anderem Klaas Heufer-Umlauf zum Schuhregal führte. Ihr Ziel: Wissenschaftsjournalistin, am liebsten bei Quarks. Kürzel: kem