Der Hamburger SV ist abgestiegen. Trotz des Sieges gegen Gladbach wird der Verein ab August zum ersten Mal seit Gründung der Fußball-Bundesliga nicht mehr in der Ersten Liga mit dabei sein. Ein Bericht aus dem Stadion.
2:1 gewonnen – und trotzdem den Klassenerhalt verpasst. Nach dem Heimsieg am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach ist der Abstieg des Hamburger Sportvereins besiegelt. Der VfL Wolfsburg gewann zeitgleich in seinem letzten Saisonspiel gegen den zweiten Absteiger Köln mit 4:1 und sicherte sich den Relegationsplatz.
Fans feiern Trainer Titz
Das Spiel gegen Gladbach und die Amtszeit von HSV-Trainer Christian Titz haben einiges gemein: Seit seinem Amtsantritt Mitte März stemmte sich die Mannschaft gegen das drohende Aus, auf Rückschläge hatte sie immer eine Antwort parat. So auch am Samstag.
Titz, ehemals Trainer der zweiten Mannschaft des HSV, leitet erst seit 61 Tagen die Geschicke der Profimannschaft. Übernommen hatte er ein Team in schlechter Verfassung und in aussichtsloser Lage auf dem letzten Tabellenplatz – und er formte eine Gemeinschaft. Die Bilanz: acht Spiele, davon vier Siege, ein Unentschieden und drei Niederlagen. Der bereits abgeschriebene Relegationsplatz 16 war plötzlich wieder eine Möglichkeit. Es gab sogar ein Endspiel um den Ligaverbleib gegen Gladbach – Schützenhilfe vom 1. FC Köln vorausgesetzt.
Bevor das Finale am Samstag begann, hatten die Hamburger Anhänger ihr Team bei Ankunft des Mannschaftsbusses am Stadion mit Applaus empfangen. Auch von der Tribüne sorgten sie für eine positive Stimmung. Besonders Titz wurde mit Sprechchören gefeiert.
Zwischen Hoffen und Bangen
Kurz nach Spielbeginn war Konkurrent Wolfsburg gegen Köln in Führung gegangen, im Volkspark hatte Stürmer Filip Kostić die erste gute Gelegenheit des HSV aus der Distanz. Zehn Minuten später verwandelte Aaron Hunt einen Elfmeter sicher – das 1:0. Schiedsrichter Felix Brych hatte erst nach Ansicht der Videobilder auf Strafstoß entschieden. Zuvor war ein Gladbacher Spieler nach Schuss von Lewis Holtby mit der Hand am Ball gewesen. Die Fans wurden lauter.
Auch im Anschluss blieb der HSV mit guten Tormöglichkeiten von Holtby und Kostić am Drücker und hatte eindeutig die Kontrolle über das Spiel inne. Doch Mitte der ersten Halbzeit führte ein Fehler von Hunt zu einem Gegenzug, der im Gladbacher Ausgleich durch den Ex-Hamburger Josip Drmić mündete.
Nach dem schnellen 1:1 waren die Hamburger sichtlich geschockt. Ihre Fans reagierten mit noch lauterer Unterstützung. Nach der Pause erwischten die Gastgeber den besseren Start und scheiterten mehrmals an Borussia-Torwart Yann Sommer. Auch ein Elfmeter wurde den Gästen verwehrt, dazu vergab Oscar Wendt eine Großchance für Gladbach. Auf den Dämpfer, die Nachricht über das 2:1 in Wolfsburg, reagierte der in den letzten Wochen starke zentrale Mittelfeldspieler Holtby. Er erzielte die erneute Führung zum 2:1.
20 Minuten vor Spielende zeichnete sich der Abstieg wegen des nächsten Wolfsburger Treffers ab. Die friedlichen Fans setzten in einer spielarmen Schlussphase zur lautstarken Unterstützung an und sangen immer wieder HSV-Parolen. Bei vielen der 50.000 Hamburger Fans flossen Tränen.
Zum ersten Mal in der Zweiten Liga
Die weniger friedlichen Fans dagegen spannten zehn Minuten vor Ende eine schwarze Plane im Block auf – darunter wurden Böller und Pyrotechnik vorbereitet und gezündet. Der Rest des Stadions wandte sich gegen die Randalierer: „Feiglinge! Wir sind Hamburger und ihr nicht!”
Der Schiedsrichter musste die Partie unterbrechen. Polizisten und Ordner schritten ein und sicherten das Spielfeld, die Spieler wurden in Sicherheit gebracht. Knapp 50 Vermummte ließen sich dennoch nicht davon abhalten, Böller und Pyrotechnik zu zünden. Einige Anhänger verließen in dem Chaos aus Angst die Arena. Nach etwa 15 Minuten beruhigte sich die Lage. Die Chaoten verließen auf Druck der restlichen Anhänger ihren Block. Das Stadion applaudierte den Sicherheitskräften. Einmal wurde das Spiel noch angepfiffen – für einen Abschlag von HSV-Torwart Julian Pollersbeck.
Nachdem der Schlusspfiff ertönt war, waren viele Fans fassungslos und traurig. Seit Gründung der höchsten deutschen Spielklasse im Jahr 1962 war der Hamburger Sportverein Mitglied dieser gewesen. Nun der erste Abstieg, nachdem er sich in den vergangenen Spielzeiten immer gerade so noch hatte retten können. Ab August ist der HSV zweitklassig.