Ein Auslandssemester in London machen – super Idee! Aber ist das nicht zu riskant, so kurz vor dem Brexit? Und welche weiteren Folgen hätte der EU-Austritt der Brit*innen überhaupt für Studierende in Hamburg? Ein Überblick.
Zwischen 2015 und 2017 war Großbritannien auf Platz drei der beliebtesten Zielländer für einen ausländischen Studienaufenthalt. Mit dem Brexit könnten sich die Voraussetzungen für einen solchen Auslandsaufenthalt ändern.
Die Hamburgerin Rita Osmani wird im September nach Großbritannien ziehen, um ein Business-Masterprogramm an der University of Westminster in London zu studieren. Sie macht sich wegen der Austrittspläne der Brit*innen keine Sorgen:
Mir bereitet der Brexit keine Kopfschmerzen mehr. Ich könnte mir aber vorstellen, dass viele Studierende verängstigt sind, weil sie zu wenig informiert sind. Deshalb bewerben sich manche bestimmt gar nicht erst in Großbritannien. – Rita Osmani, zukünftige Masterstudentin in London
Vor der Bewerbung habe sie sich nicht wirklich mit dem Brexit beschäftigt. Der schien noch zu weit weg. Für das Studium in London habe sie dann nach Informationen für Studierende gesucht. Sie wollte wissen, ob es überhaupt Sinn ergibt, sich zu bewerben. Von der Uni sei sie nicht auf den Brexit hingewiesen worden. Nach ihrer Recherche wusste sie: Ihr Studienjahrgang wäre sowieso nicht vom Brexit betroffen, da er vor dem 31. Oktober beginnt und nur ein Jahr (bis Herbst 2020) dauert. Damit wäre er auch im Falle eines ungeregelten EU-Austritts von einer Übergangsregelung erfasst.
Mögliche Szenarien für Studierende
Brexit: Wie war das noch?
Am 23. Juni 2016 entschied sich die britische Bevölkerung in einem Referendum für den Austritt aus der Europäischen Union. 51.9 Prozent waren dafür, 48.1 Prozent dagegen. Drei Jahre später, am 29. März 2019, hätte der Austritt vollendet sein sollen. Eine erste Verlängerung war für den 12. April 2019 ausgehandelt worden. Das britische Unterhaus kann sich aber bis heute mit den Bedingungen des Austrittsabkommens nicht anfreunden. Deshalb lehnte es mehrfach das von Premierministerin Theresa May mit der EU verhandelte Abkommen ab. Um einen ungeregelten Austritt ohne Übergangsregelungen zu verhindern, hatte die EU der Premierministerin am 10. April einen weiteren Aufschub bis zum 31. Oktober 2019 gewährt.
Laut Bundesministerium für Bildung und Forschung hat Großbritannien bei einem Brexit mit Austrittsabkommen bis Ende 2020 Zeit, Fragen über die zukünftige Zusammenarbeit mit der EU zu klären. In der Zwischenzeit würde das Land weiterhin wie ein EU-Mitgliedstaat behandelt werden. Studierende könnten weiterhin das EU-Freizügigkeitsrecht genießen, sich im Vereinigten Königreich aufhalten und dort studieren. Die Studiengebühren würden dank Förderprogramme weiterhin entfallen.
Ein ungeregelter Brexit brächte allerdings sofortige Schwierigkeiten mit sich:
- Ein Studienaufenthalt in Großbritannien wäre nicht mehr vom Freizügigkeitsrecht abgedeckt. Zur Einreise und zum Aufenthalt wäre ein Visum oder ein Aufenthaltstitel erforderlich.
- Die Studiengebühren würden sich erhöhen, wenn Großbritannien keine günstigeren Konditionen anbieten würden. Die Gebühren würden sich dann auf bis zu 30.000 Pfund für die reguläre Studienzeit belaufen.
- Die Anerkennung beruflicher Qualifikationen wäre nicht mehr von der derzeit geltenden Berufsanerkennungsrichtlinie gedeckt. Für eine Anerkennung in Deutschland können Einzelprüfungen notwendig werden.
Was passiert mit Erasmus-Plus?
Wie und ob überhaupt Großbritannien das Europa-Programm Erasmus-Plus fortführen wird, ist abhängig von den Brexit-Verhandlungen. Die britische Regierung hat jedoch mehrfach angekündigt, auch nach dem Brexit den internationalen Austausch unterstützen zu wollen. Für die Förderung sind nach Angaben des DAAD verschiedene Szenarien möglich.
Großbritannien nimmt das Austrittsabkommen bis zum 31. Oktober an:
- Es gibt eine Übergangslösung für Erasmus-Plus. Es ändert sich nichts bis zum Ende der Programmgeneration (bis 2022).
- Nach der Übergangslösung wird für die Programmgeneration 2021-2027 eine ständige Lösung entwickelt, die noch nicht mit den Brit*innen verhandelt wurde.
Großbritannien nimmt das Austrittsabkommen nicht bis zum 31. Oktober an:
- Alle Teilnehmer*innen, die spätestens am 31. Oktober vor Ort studieren, werden bis zu ihrem Abschluss gefördert. Ein Wintersemester in Großbritannien ist also in jedem Fall noch förderfähig.
Gibt es nach dem Brexit noch Bafög?
Nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bedeutet ein geregelter Austritt aus der EU auch für den Bafög-Bezug, dass es bis Ende 2020 zu keinen Änderungen kommen wird. Alles darüber hinaus wird in weiteren Verhandlungen geklärt.
“Wir sorgen für den Fall eines harten Brexits vor. Insbesondere für die vielen Studierenden, die aktuell an einer Hochschule im Vereinigten Königreich eingeschrieben sind, schaffen wir Rechts- und Planungssicherheit”, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek bei der Verkündung der Übergangsvorschrift im Bafög. Studierende aus Deutschland, die einen Auslandsaufenthalt im Vereinigten Königreich absolvieren oder noch vor dem ungeordneten Austritt beginnen, erhalten dann bis zum Abschluss des Studiums weiterhin Förderungsgelder.
Ein Studium, das erst nach einem No-Deal-Brexit beginnt, ist nicht von der Übergangsregelung betroffen. Das gilt auch für Masterstudiengänge, die auf einen Bachelor aufbauen, der vor dem Austritt begonnen wurde. Studierende erhalten dann dieselben Förderungen wie in anderen Ländern außerhalb der EU. Die Förderungsdauer beträgt in Drittstaaten grundsätzlich nur ein Jahr.
Verlieren wir britische Lehrbeauftragte und Kommiliton*innen?
Der Brexit und die Wirtschaft
Verlässt das Vereinigte Königreich die Europäische Union, verlässt es auch den EU-Binnenmarkt sowie die Zollunion. Die grundlegenden Warenverkehrs-, Diensleistungs-, Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheiten der EU gelten dann nicht mehr für Großbritannien. Der Brexit wird in Hamburg unter anderem weitreichende wirtschaftliche Folgen haben.
Während der Übergangsphase bis zum 31. Januar 2020 soll das Vereinigte Königreich wie ein Mitgliedstaat der EU behandelt werden. Ab dem 1. Januar 2021 gelten für britische Staatsangehörige die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen für sogenannte Drittstaatsangehörige. Jedoch können besondere Privilegien für die Brit*innen im Abkommen mit der EU bestimmt werden.
Laut Einwohner-Zentralamt Hamburg trete auch für den Fall eines No-Deal-Brexits eine bundesrechtliche Regelung für einen Übergangszeitraum von drei Monaten in Kraft. Demnach seien in Deutschland lebende Brit*innen für drei Monate ab Austrittsdatum von der für Drittstaatsangehörige geltenden Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit. Das hieße: Bis maximal zum 31. Januar 2020 wären sowohl Aufenthalt als auch Erwerbstätigkeit in Deutschland rechtsmäßig.
Über dieses Datum hinaus ist nach aktuellem Stand nichts gesichert. Deshalb müssen britische Staatsangehörige in Deutschland bis zum 31. Januar 2020 einen Aufenthaltstitel beantragen. Der Antrag reiche erstmal aus, um rechtmäßig auch über diesen Tag hinaus in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Für die Einreise nach Deutschland brauchen die Brit*innen dann ein Visum.
Der Brexit und die Europawahl
Am 24. Mai gab Premierministerin Theresa May ihren Rücktritt bekannt. Bei der Europawahl zwei Tage später erreichte die EU-feindliche Brexit-Partei von Nigel Farage 31,6 Prozent der Stimmen, gefolgt von den proeuropäischen Liberaldemokraten mit 20,3 Prozent.
Das bedeutet, dass britische Lehrbeauftragte nicht fluchtartig das Land verlassen müssen, sollte der Brexit in den nächsten Wochen vollzogen werden. Der weitere Aufenthalt in Deutschland ist zwar mit Aufwand verbunden, aber nicht unmöglich. Dasselbe gilt für britische Studierende: Sie müssen ein Visum für ihr Auslandsstudium beantragen. Und auch für sie gilt, dass sie BAföG in Deutschland weiterhin beziehen können. Jedoch können deutsche Universitäten und Hochschulen höhere Studiengebühren verlangen, sofern keine besonderen Konditionen mit Großbritannien verabredet sind.
Die letzten Ereignisse im Brexit-Verfahren
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