In dieser Serie stellen wir Frauen und ihre Gründungsideen vor: Anna Bronowski und Juliana Holtzheimer machen nachhaltige Mode im minimalistischen Stil. Sie erzählen die Geschichte hinter jedem Kleidungsstück.
Mit einer Flasche Wein in der Schanze und dem Ärger über die neue H&M-Tochter & Other Stories fing alles an: “Jetzt bringen die schon eine neue Firma auf den Markt und verpassen trotzdem den Einstieg in die nachhaltige Mode”, sagte damals eine der beiden Frauen am Tisch. Das war im Sommer 2013. Ein Jahr später gründeten Anna Bronowski (27) und Juliana Holtzheimer (26), die zusammen Mode- und Designmanagement in Hamburg studiert haben, selbst ein nachhaltiges Modelabel: Jan’n June. Der Name ergibt sich aus ihren Geburtsmonaten: Januar und Juni.
Umweltschonende Kleidung konnte man zu der Zeit vor allem in den Bereichen Street Wear und Yoga kaufen. “Die Möglichkeit, den ganzen Kleiderschrank damit einzudecken, gab es aber nicht. Was es nicht gibt, muss man eben selbst machen”, sagt Juliana heute. Die Idee, ein nachhaltiges Modelabel zu gründen, entstand also aus einem persönlichen Bedürfnis heraus: “Wir wollten faire, ökologische und minimalistische Mode machen, die auch bezahlbar ist”, sagt Anna.
Nachhaltigkeit war schon während ihres Studiums ein Thema: Anna setzte sich in ihrer Bachelorarbeit mit neuer Materialentwicklung auseinander. Juliana besuchte während eines Praktikums in Indonesien große Nähereien und Wäschereien vor Ort.
Für ihr eigenes Unternehmen ist den Freundinnen Transparenz extrem wichtig. Deswegen haben sie eine Eco-ID für jedes Kleidungsstück geschaffen: Ein QR-Code wird auf das eingenähte Label gewebt. Scannen ihn Kunden ein, erfahren sie, woraus das Modell gemacht ist und wo es angefertigt wurde. “Es gibt zu jedem Kleidungsstück eine eigene Story, wieso sollten wir sie nicht erzählen?”, so Juliana. Bis das gewebte Etikett auch wirklich lesbar war, habe es zwar etwas gedauert, aber die Idee werde gut angenommen und habe zu vielen Nachfragen geführt: “Genau das wollten wir.”
Genäht wird unter fairen Arbeitsbedingungen in einem kleinen Familienbetrieb in Breslau, in dem die Näherinnen zum Teil schon seit 20 Jahren arbeiten. Der Standort hat auch einen persönlichen Bezug: Julianas Familie kommt ursprünglich aus Polen und sie besucht den Betrieb mehrmals im Jahr. In der Straße waren früher viele Produktionsstätten, jetzt gibt es nur noch drei. “Die großen Ketten, für die dort produziert wurde, sind mittlerweile alle nach Asien abgewandert. Wir finden es gut, die Region weiter zu unterstützen.”
“20 Prozent nachhaltiges Polyester ist besser als gar keins.”
In letzter Zeit werden die Gründerinnen oft gefragt, was sie von umweltfreundlichen Kollektionen großer Hersteller wie H&M oder Zara halten. Zum Glück, findet Anna. Denn das deute daraufhin, dass mehr Leute über das Thema nachdenken. “Dazu gibt es total unterschiedliche Meinungen”, sagt Juliana. “Ich persönlich finde es gut. Nur so kommt man an die große Masse ran. 20 Prozent nachhaltiges Polyester ist besser als gar keins.” Anna sieht es ähnlich: “Die Big Player erreichen einfach eine ganz andere Zielgruppe als wir.”
Die meisten Kunden werden über Social Media auf Jan’n June aufmerksam, vor allem über Instagram aber auch über Presseberichte: “Vor kurzem wurde in der Gala über uns berichtet und die entsprechende Bluse hat sich wahnsinnig gut verkauft.” Ob wegen der nachhaltigen Fertigung, oder weil sie einfach schön ist, das wissen die Unternehmerinnen nicht. Aber das sei auch nicht entscheidend. Am Ende sei es immer noch eine nachhaltige Bluse mehr, die gekauft wurde.
Die Designerinnen sagen über sich selbst, sie hätten nicht “diese typische Gründermentalität” und hätten keine Wirtschaftsuniversität besucht, um gezielt ihr eigenes Unternehmen aufzubauen. “Wir fanden Selbstständigkeit zwar spannend, so richtig geplant haben wir die Gründung aber nicht.” Außerdem konnten sie sich nur vorstellen, diesen Weg als Team zu gehen: “Alleine wäre ich gar nicht stark genug gewesen”, sagt Anna. Die wichtigen Impulse seien beim gemeinsamen Brainstorming entstanden und dann weiterentwickelt worden.
„Die Lieferanten fangen erst langsam an, Potential in diesem Markt zu sehen.”
Das nötige Geld für ihre Ideen sammelten sie via Crowdfunding und waren mit 11.000 Euro sogar leicht überfinanziert. “Wir haben damals alle zwei Sekunden die Seite aktualisiert”, sagt Juliana lachend. Sie nutzten das Portal auch als Feedback-Kanal: “Die Unterstützung von Familien und Freunden ist zwar wichtig, aber sie sind nicht die objektivsten Berater. Vor allem wenn sie nicht auch aus der Branche kommen”, sagt Anna. Das Produkt einmal auf den Markt zu schmeißen und zu sehen, wie viele Leute etwas vorbestellen, habe sie auf jeden Fall in ihrer Idee bestärkt und mit einem besseren Gefühl an die Produktion herangehen lassen.
Zwei Kollektionen bringt das Hamburger Label im Jahr heraus. Hier hängen die Ideen für den nächsten Sommer. GIF: Harriet Dohmeyer
Es gab aber auch Dämpfer. Sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, sei wichtig. Ein Beispiel: “Auf der ersten Messe war Anna ohne mich unterwegs und kam euphorisch zurück, hatte aber nicht nach den Mindestabnahmemengen für Stoff gefragt”, so Juliana. Die liegen allerdings meistens bei 800 Metern. Für ihr Label brauchte das Duo am Anfang höchstens 20 Meter pro Farbe und pro Stoff. Schnell war ihnen klar, warum viele erst einmal nur mit T-Shirts und Hoodies anfangen, für die man nur einen einzigen Stoff braucht. Außerdem sehen viele Stoffe toll aus und fühlen sich toll an, sind aber nicht nachhaltig produziert. “Die Lieferanten fangen erst langsam an, Potential in diesem Markt zu sehen und Alternativen zu produzieren”, sagt Anna.
Auch Jan’n June soll wachsen. “Wir wollen in ein größeres Atelier ziehen und eine Kollektion für Männer herausbringen”, sagt Juliana. Außerdem wollen die Freundinnen von ihrer Arbeit leben können. Zwar zahlen sie sich mittlerweile ein Gehalt aus, aber: “Wir werden nach wie vor von unseren Eltern unterstützt. Das ist okay, wir sind ja auch noch nicht so alt. Aber irgendwann wollen wir schon auf eigenen Beinen stehen.”
Tipps für Neugründer haben die beiden nach drei Jahren Erfahrung reichlich. Das sind für Juliana die zwei Wichtigsten:
Erstens: Von der Idee erzählen. Das mussten wir auch selbst erst lernen, aber so schnell kann eine Idee gar nicht geklaut werden – vorausgesetzt es handelt sich um ein Konzept und nicht um ein Patent. Dafür bekommt man ehrliches Feedback und Input, der zu noch besseren Ergebnissen führen kann.
Zweitens: Nicht belächeln lassen. Vor allem Gründungsideen, bei denen es um die Herstellung von Produkten geht, werden von Gründern aus der Tech-Branche nicht ernst genommen. Das ist natürlich völliger Quatsch. Bloß, weil man nicht in der hippsten Branche unterwegs ist, heißt das nicht, dass die Idee schlecht ist.
Einen weiteren Rat hätte Juliana am liebsten vorher schon bekommen: “Man braucht immer, wirklich immer, mehr Zeit und Geld, als man denkt.” Deshalb: Lieber mit einem zu großen Puffer an Zeit und Geld planen. “Egal wie gut man plant, irgendetwas Unvorhersehbares passiert immer!”
In der Serie Gründerinnen beleuchtet FINK.Hamburg die Hamburger Startupszene und stellt Frauen vor, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben.