Lustig verkleiden und kräftig trinken – so einfach sind viele Jungessellenabschiede heute nicht mehr. Längst haben Profis das Geschäft mit dem geplanten Exzess für sich entdeckt – doch manche Wirte können die Party-Trupps nicht mehr sehen.
Menschenmassen drängen sich die Straße hinab. Wie auf Schienen treibt es sie immer weiter in dieselbe Richtung. Getränke im Anschlag – die Stimmung ist laut und ausgelassen. Von überall dröhnt Musik, und auch an den Tischen der umliegenden Bars ist kaum noch eine Sitzgelegenheit zu finden. Es ist ein typischer Freitagabend auf der Hamburger Reeperbahn.
Mittendrin ist auch eine kleine Gruppe junger Frauen unterwegs. „Wir sind aus Hamburg“, sagt eine der Damen, während eine ihrer Begleiterinnen einen kräftigen Schluck aus einer übergroßen Flasche Krimsekt nimmt. Gut erkennbar sind sie, farblich genau aufeinander abgestimmt, in schwarzen Lederjacken, roten Krawatten und den knalligen, pinken Röcken.
„Sandra wird bald heiraten und deshalb wollen wir heute noch einmal so richtig die Sau rauslassen“, erzählt die junge Frau weiter. Sandra ist durch ein Schild um ihren Hals gut erkennbar: „Just married“ steht darauf. Das Just wurde mit einem grünen Edding hilfsweise durchgestrichen. Sandra und ihre Freundinnen sind kein ungewöhnliches Bild auf dem Kiez. Kaum einem Besucher wird es am Wochenende gelingen, die Reeperbahn zu passieren, ohne auf mindestens einen Hochzeits-Partytrupp zu treffen.
Abschiede werden gerne zum “Hangover”
Dabei steigt die Anzahl der Junggesellenabschiede in Hamburg kontinuierlich an. „Seit Veröffentlichung des Hollywood-Films Hangover im Jahre 2009 kann man das generell beobachten“, bestätigt uns Maximilian Hitzler, Fachmann für Suchmaschinenoptimierung. Er betreibt ein Portal rund ums Thema Junggesellenabschiede und vermittelt zwischen Interessenten und Veranstaltern. Dabei gibt es vor allem gravierende Unterschiede zwischen den Geschlechtern. “Frauen haben einen eher nachhaltigen Ansatz und suchen nach etwas mit Erinnerung. Bei Männern steht dagegen mehr der Eventfaktor und der Konsum von Alkohol im Vordergrund”, sagt Hitzler.
Ein Problem, das auch manche Wirte sehen. In einigen Städten haben Kneipiers deshalb bereits reagiert: In München und Regensburg sind Junggesellenabschiede in manchen Bars verboten, die Betreiber haben sich eigens zusammengeschlossen.
„Wir schließen generell niemanden aus“, sagt dagegen ein 67-jähriger Wirt, der seinen Laden nahe der Großen Freiheit betreibt. „Leider haben wir aber in der Vergangenheit oft die Erfahrung gemacht, dass solche Leute entweder ihre eigenen alkoholischen Getränke mitbringen oder diese sogar den anderen Gästen verkaufen wollen.“
Der Kneipier hatte zu diesem Zweck extra ein gut sichtbares Verbotsschild vor seinem Laden platziert. „Zwei Mal wurde uns dieses jedoch entwendet oder ein weiteres Schild wurde mutmaßlich beschädigt“, klagt der Wirt. Sollte sich in Zukunft wieder einmal eine Partygemeinschaft in seine Bar verirren, will er trotzdem lieber den Einzelfall prüfen: „Wer seine Getränke bei uns kauft und die anderen Gäste nicht belästigt, ist jederzeit willkommen.“
Junggesellenabschiede – ein Riesengeschäft
Die Ausgestaltung der Junggesellenabschiede hat sich stark verändert. Waren es früher eher spontane und wilde Nächte, die Partygemeinschaften in Hamburger Bars und Clubs verbrachten, gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Agenturen, die feste Programmpunkte anbieten und kräftig an den Gästen mitverdienen wollen. Vom Besuch bestimmter Kiez-Kneipen oder berühmter Sex-Shops bis hin zu Mitmachseminaren sind diese Touren im Voraus genau planbar und individuell gestaltet.
So wirbt eine Hamburger Agentur mit dem sogenannten „Olivia Jones Junggesellenabschieds-Special“. Für knapp 70 Euro pro Person bekommen der Interessent und seine Partygäste dann einen Tisch für eine Stunde in der Bar, einen Begrüßungssekt und die Einbeziehung des Heiratswilligen in die Show des Abends. Für deutlich mehr Geld sind auch sogenannte VIP-Programmpunkte hinzubuchbar: mehr Freigetränke, eine Kiezführung oder sogar ein Limousinen-Pickup-Service. Für das „Rund-um-sorglos-Paket“, das die Agentur auf ihrer Seite bewirbt, sind über 250 Euro pro Teilnehmer fällig. Und nach oben gibt es keine Grenze – sehr gerne trinken die Gäste in der Bar oder auf dem Kiez ja noch weiter.
Hitzler sieht eine Entwicklung: “Oft gehen die Vorstellung vom Abend und die späteren Kosten weit auseinander. Es macht ja einen großen Unterschied ob es ein Wochenendtrip mit Wellness, eine Kneipentour für 10 Personen oder noch ein Ausflug in eine Paintballhalle sein soll.” Eins, sagt Hitzler, sollte man sich vorher klarmachen: “Die spätere Hochzeit wird auch noch einmal viel Geld kosten.“
Konkrete Buchungszahlen nennen die Agenturen nicht
An konkrete Buchungszahlen der Agenturen zu kommen, gestaltet sich schwierig. Auf FINK-Nachfrage wollte keines der sieben kontaktierten Unternehmen Fragen zu den Umsatzzahlen beantworten. Zu groß scheint der Konkurrenzdruck in einem eher undurchsichtigen Markt. „Es gibt leider sehr viele schwarze Schafe unter den Anbietern, die ihre Gäste in andere Kneipen lotsen und da dann richtig abkassieren wollen“, sagte uns ein Agenturmitarbeiter auf Nachfrage.
Lukrativ scheint das Geschäft jedenfalls zu sein. Da viele Anbieter ihre Dienste mehrmals die Woche zur Verfügung stellen, und die Auslastung laut Online-Buchungskalendern hoch ist, kann man von guten Umsätzen ausgehen. Bei zwei der sieben recherchierten Agenturen waren die Termine für 2017 bereits restlos ausgebucht.
An dieser Stelle stand eine Google-Maps-Karte, die aus Datenschutzgründen entfernt werden musste.