Wie digital ist Hamburg? 130 “Hamburger Spitzen” trafen sich, um über die Hansestadt und das Netz zu diskutieren. Twitter-Deutschland-Chef Thomas de Buhr beantwortete FINK.HAMBURG Fragen über Shitstorms und Informationswellen.
„Ist Donald Trump eine PR-Maschine für Twitter?“ Der Moderator Oliver Hollstein, der als Hamburg-Redakteur für die Wochenzeitung “Die Zeit” arbeitet, eröffnete den Talk mit einer Frage an Thomas de Buhr. Neben dem Managing Director von Twitter Deutschland saßen am Dienstagabend zwei weitere Gäste auf der Bühne im Hotel Reichshof: Melanie Leonhard, Senatorin der Sozialbehörde und Christoph Wöhlke, Geschäftsführer von Budnikowsky. Zum Thema „Hamburg im Netz: Transformation oder Tradition?“ wollte man sich im Rahmen der Reihe “Hamburgs Spitzen” austauschen. Die Agentur Gute Leude Fabrik hatte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur, Medien, Sport und Wissenschaft ins im Hotel Reichshof geladen.
Thomas de Buhr antwortete auf die Frage des Moderators: Er glaube nicht, dass Trump etwas mit den steigenden Nutzerzahlen von Twitter in Deutschland zu tun habe. Und der Präsident der Vereinigten Staaten sei natürlich auch kein Werbeträger für das Netzwerk. “Aber er zeigt, wie Twitter funktioniert“.
Die Sozialsenatorin Melanie Leonhard sieht die voranschreitende Digitalisierung kritisch. Gerade Politiker haben bei der Nutzung sozialer Medien zur Verbreitung von Informationen eine große Verantwortung. Dennoch nutzt Leonhard Social-Media-Kanäle: “Wir haben ein hohes Bedürfnis die Leute da zu erreichen, wo sie sind“. Außerdem müsse aufgrund von Gefahren bei der digitalen Kommunikation die Medienbildung der Hamburger schneller vorangetrieben werden.
Auch Budni-Geschäftsführer Christoph Wöhlke findet, dass in Hamburg noch nicht ausreichend auf Digitalisierung eingegangen wird. Es handle sich nicht nur um ein technisches Thema, sondern vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Umwälzung: „Da muss man die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft fragen, ob die wissen, was Digitalisierung heißt“.
Auch unter den 130 Gästen der Netzwerkveranstaltung gehen die Meinungen auseinander. Bei einer Sache ist man sich jedoch einig: Die Digitalisierung der Hansestadt müsse vorangetrieben werden – ohne auf Altbewährtes zu verzichten.
“Eine Gesellschaft, in der Twitter sehr lebendig ist, ist eine gesunde Gesellschaft.”
Im Interview mit FINK.HAMBURG erklärt Thomas de Buhr, Deutschland-Chef von Twitter, warum es bei der Digitalisierung nicht darum geht, etwas Bestehendes kaputtzumachen.
Was sind die großen Twitter-Themen?
Thomas de Buhr: Twitter ist “what’s happening”. Also alles, was live ist und Menschen bewegt: Sport, Musik, Politik und Nachrichten. Dazu zählt zum Beispiel ein Fußballspiel in der Champions League. Das gibt ein riesiges Echo. Einen Tag später lebt das Thema dann durch die Berichterstattung weiter – und die Diskussion darüber. Das ist immer der gleiche Mechanismus.
Warum sollte jeder Hamburger einen Twitter-Account besitzen?
De Buhr: Twitter liberalisiert und demokratisiert, weil es Meinungsmacht aufhebt. Jeder hat die Chance, seine Meinung zu äußern, Themen zu setzen und Gehör zu finden. Eine Gesellschaft, in der Twitter sehr lebendig ist, ist eine gesunde Gesellschaft. Das ist ein bisschen so wie mit dem Wahlrecht. Menschen sollten die Möglichkeit zu wählen, wahrnehmen. Das ist ein zentrales Gut unserer Demokratie.
Viele Unternehmen haben Angst vor einem Shitstorm. Was sind No-Gos für die Kommunikation via Twitter?
De Buhr: Twitter ist ein sehr authentisches Medium, für das die klassischen Kommunikationsregeln gelten. Wenn ich als Unternehmen diese Authentizität unterlaufe, fühlen sich die Nutzer nicht ernst genommen. Und dann reagieren sie sehr direkt. Ein Beispiel: Mitarbeiter von United Airlines zogen neulich einen Passagier aus dem Flugzeug. Das wäre eigentlich eine lokale Nachricht gewesen. Es hat eine einzelne Person betroffen, die nicht von A nach B fliegen durfte. Nicht schön, aber auch keine wirklich große Sache. Aber viele Menschen haben einen Groll auf Airlines, weil sich ein Flugunternehmen mal unpassend verhalten hat. Deshalb identifizieren sich nun sehr viele Menschen mit dem Betroffenen. Auf der Metaebene ist das sehr typisch für einen Shitstorm, den es im Übrigen auf allen Plattformen geben kann: Die Wut von vielen Betroffenen entlädt sich. Das kann aber auch auf positive Weise passieren.
Viele sehen noch eine weitere gefährliche Entwicklung bei Twitter: eine ungefilterte Informationswelle, wie zum Beispiel während des Amoklaufs in München.
De Buhr: In München hat sich vor allem gezeigt, dass sich die Polizei München durch einen sehr klaren und guten Auftritt die Meinungs- und Informationsführerschaft gesichert hat. Sie hat sehr stark darauf geachtet, wichtige Anleitungen und richtige Informationen zu geben. Am Ende setzt sich die vertrauenswürdigste Quelle durch. Das ist auch der Grund, warum immer mehr Polizei- und auch Feuerwehrdienststellen auf Twitter aktiv sind.