Riesige Schiffe, brenzlige Situationen und immer mehr Verkehr: Jörg Pollmann ist Hafenkapitän und trägt Verantwortung für 30.000 Schiffsbewegungen im Jahr. Trotzdem sieht er sich nur als kleines Zahnrad, das hilft, das Tor zur Welt zu öffnen.
„Dann ist man auf einmal Beamter. Da habe ich mir gedacht: du meine Güte!“, sagt Jörg Pollmann. Der groß gewachsene Ostfriese sitzt in seinem Büro der Hamburg Port Authority in der Speicherstadt und fasst sein bisheriges Leben zusammen. Zunächst fuhr er als Seefahrer um die Welt und übernahm dann das Amt des Hafenkapitäns. Der Familie wegen ging er an Land und fand, nach anfänglicher Skepsis, damit seinen Traumjob.
Seit mehr als 20 Jahren sorgt Pollmann als höchste nautische Instanz im Hafenbecken der Hansestadt für fließenden Verkehr und die Sicherheit aller Schiffe, die hier die Elbe passieren. Eine wichtige Aufgabe: Vom Container-Riesen bis zur Touristen-Barkasse steuert der Hafenkapitän rund 30.000 Schiffsbewegungen im Jahr mit, von der Verkehrsleitstelle aus und auch an Bord.
“dann würde ich schon längst mit einem Magengeschwür oder Herzinfarkt in der Ecke liegen“
Jörg Pollmann entscheidet, welche Schiffe in den Hafen einlaufen und zu welcher Zeit sie ihn wieder verlassen. Dafür erarbeitet er komplexe Simulationen, berechnet Windstärke sowie Tide und kümmert sich als Leiter des Oberhafenamtes auch um Liegeplätze. Wenn Reedereien ein neues Schiffsmodell entwickeln, geschieht das häufig in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Hafen. Sicherzustellen, dass der Hafen das immer höher werdende Verkehrsaufkommen stemmen kann, gehört ebenfalls zu Pollmanns Aufgaben. „Es ist eigentlich nicht nur alles größer geworden, die Abläufe sind auch schneller. Alles wird immer effizienter gemacht”, sagt er.
Glücklicherweise arbeitet der Hafenkapitän mit einem zuverlässigen Team zusammen. „Wenn ich alles nur alleine entscheiden müsste, dann würde ich schon längst mit einem Magengeschwür oder Herzinfarkt in der Ecke liegen“, sagt er. Trotzdem wird es manchmal gefährlich. Dann klingelt schon mal um drei Uhr morgens das Telefon. Pollmann bleibt auch dann entspannt. “Da muss man dann schnell und professionell reagieren. Es kann immer was passieren, mit großen Schiffen und mit kleinen“, sagt er gelassen.
Wenn Jörg Pollmann spricht, zeichnet er manchmal Linien in die Luft, die seine Ideen verorten – fast wie auf einer Karte. Er wirkt glücklich, wenn er neue technische Entwicklungen erklärt und wie die Dinge genau funktionieren. Ein Hafenkapitän muss vor allem mit analytischem und technischem Verständnis ausgestattet sein. Heute hilft moderne Technik bei der Arbeit. Das war nicht immer so. Als er das Oberhafenamt übernahm, gab es in der Verwaltung gerade einmal zwei Computer: „Da hatte die technische Entwicklung noch nicht wirklich Einzug gehalten, es wurde überwiegend noch mit Karteikarten gearbeitet. Aber ich habe in kurzer Zeit alles geändert. Wir haben heute effiziente Abläufe und daneben eine der modernsten Verkehrsleitstellen weltweit”, sagt er und ruft über die App Port Monitor in Echtzeit Informationen über die Schiffe im Hafen ab.
Ein Pudel hilft dem Hafenkapitän
Nach der Arbeit verbringt Pollmann am liebsten Zeit mit der Familie. Der 59-Jährige wohnt mit seiner Frau in einem Einfamilienhaus im Alten Land und spaziert zum Entspannen mit seiner Pudelhündin Whoopi durch die Obstplantagen. Selbst dann kommen ihm manchmal Ideen, was sich im Hafen noch alles optimieren ließe. Seine Mitarbeiter meinen dann oft: „Oh Gott, er war wieder mit dem Hund unterwegs.“ Pollmann lacht.
Auch mit seinen Enkeln verbringt er viel Zeit. “Enkel sind etwas Geniales. Bei Kindern muss man immer auf die Erziehung achten, aber bei Enkeln kann man das lockerer angehen“, so Pollmann. So entspannt geht er auch bei der Arbeit gerne mit seinem Team um, lässt sie oft eigene Entscheidungen treffen.
“Sparkasse ist doch auch nicht schlecht”
Schon als Kind war es Jörg Pollmanns großes Ziel, Kapitän zu werden. „Ich komme aus einer Seefahrerfamilie. Aber meine Eltern haben immer gesagt: ‚Sparkasse ist doch auch nicht schlecht.‘ Das hat mich aber nie interessiert“, sagt er. Vielleicht wollten ihn die Eltern so in vermeintlich sicheres Fahrwasser lenken. Und dennoch: Bereits als Schüler war Jörg Pollmann auf der Nord- und Ostsee unterwegs und schon damals fiel seine Entscheidung für eine Kapitänskarriere.
Die Begeisterung spürt man immer noch, wenn der 59-Jährige von seiner Zeit auf See erzählt. Als seine erste Tochter geboren wurde, entschied er sich, das Schiff gegen den Hafen einzutauschen. Heute spricht er von sich “als kleines Zahnrad, das so ein bisschen daran mitarbeitet”, das Tor zur Welt zu öffnen. Man dürfe die eigene Position nicht zu wichtig nehmen, sagt Pollmann.