Ob an der Alster, in St. Georg oder in Billstedt: Der Orient ist in Hamburg an vielen Ecken zu finden. Eine Spurensuche.

Prächtige Minarette, eine himmelblaue Kuppel und arabische Kalligraphie auf türkisfarbenem Kachelmosaik: Mitten in Hamburg fühlt man sich wie im Morgenland. Im Vorgarten der Blauen Moschee, die zwischen den prachtvollen weißen Villen in Uhlenhorst heraussticht, empfängt den Besucher ein weißer Steinbrunnen.

Seit Beginn der 60er Jahre steht die Moschee an der Schönen Aussicht, wie die Straße direkt an der Alster heißt. Der Träger der Moschee ist das Islamische Zentrum Hamburg e.V. (IZH). 1953 hätten sich einige iranische Muslime in Hamburg dazu entschlossen, ein islamisches Zentrum zu bauen, heißt es in der Infobroschüre. Der Iran finanzierte hierfür den Bau. In der Moschee finden regelmäßig Feste und Trauerveranstaltungen statt, auch Attraktionen für Kinder wie Feiern mit Hüpfburgen und Malwettbewerbe werden ausgerichtet. Das Gebäude wurde 2013 unter Denkmalschutz gesetzt.

Im Inneren der Moschee entführen Farben und Formen den Besucher in eine andere Welt. Unter der Kuppel befindet sich ein beeindruckender blauer Teppich: 200 Quadratmeter ist er groß, das entspricht in etwa der Oberfläche von 48 nebeneinander gestellten Tischtennisplatten. Das Prunkstück wiegt eine Tonne und ist damit einer der größten runden Teppiche weltweit  und er ist handgeknüpft. 22 Menschen knüpften mehr als drei Jahre lang 80 Millionen Knoten. Ein prachtvoller silberner Kronleuchter hängt unter der Kuppelwölbung und sorgt mit unterschiedlich großen Kristallkugeln für glänzende Lichtreflexe im ganzen Raum.

Heller Gebetsbereich
Der helle Gebetsbereich füllt sich zu den islamischen Gebetszeiten. Foto: Shahrzad Rahbari

Neben dem Eingang zum Gebetsbereich steht das Hauptgebäude der Islamischen Akademie. Hier widmen sich Studenten und Studentinnen einem zehnjährigen Theologiestudium. In diesem Gebäude befindet sich auch eine gut ausgestattete Bibliothek.

Auch Jafar (gebürtig Georg) Elsner, PR-Beauftragter des Islamischen Zentrums, führt täglich mehrere Gruppen durch die Moschee. Der gebürtige Deutsche ist 32 und mit 20 Jahren zum Islam konvertiert. „Bereut habe ich diesen Schritt nie“, sagt er. Elsner trifft in dieser Moschee auf unterschiedliche Menschen, mit denen er religiöse Gespräche führt.

Sogar AfD-Anhänger seien zu einem Gespräch vorbeigekommen und hätten ihn auf Themen angesprochen, die im Islam in der Kritik stehen. Elsner zufolge sind auch diese Diskussionen friedlich verlaufen, er lädt zu offenen Gesprächen ein. „Natürlich hat man vor den Themen Angst, über die nicht gesprochen wird. Ich gebe zu, dass wir erst offener werden, wenn man uns mit kritischen Themen konfrontiert. Aber immerhin reden wir über Missverständnisse und das sehr gerne.“ Außerdem fügt er hinzu, dass ihn die wiederkehrenden Vorwürfe gegen die Moschee bedrücken.

Die Moschee stand in der Vergangenheit in der Kritik. So berichtete das “Hamburger Abendblatt” 2017, dass Funktionäre wiederholt an einer israelfeindlichen Demo teilgenommen hätten. Auch der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet die Moschee seit 35 Jahren. „Zu wenig Kommunikation und immer mehr Annahmen sind Gründe für solche Aussagen”, findet Elsner.

“Doch wir als Muslime müssen auch einen Beitrag leisten”

Seine Freunde, die aus einem islamischen Land stammen, reagieren humorvoll auf seine Nationalität: „Ich bin immer so der Deutsche“, sagt der gelernte Koch belustigt und findet das nicht schlimm.

Portrait von Herrn Elsner
Jafar Elsner (32) ist stolzer Muslim. Foto: Shahrzad Rahbari

Laut Statistischem Bundesamt leben den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2011 zufolge in Hamburg etwa 140.000 Muslime unterschiedlicher Herkunft. Hauptsächlich sind dies türkisch-, iranisch- und afghanisch-stämmige Muslime. Sie sind auch andernorts in Hamburg anzutreffen.

Little Istanbul in St. Georg

Auf meinem Weg zum Steindamm, einer Einkaufsstraße in St. Georg östlich vom Hauptbahnhof, bekommt man das Gefühl, nicht mehr in Deutschland zu sein. Links und rechts sind zahlreiche türkische Läden und Supermärkte mit Menschen aus aller Welt. Beim Vorbeilaufen höre ich türkischen Gesang. Verschiedene Düfte liegen in der Luft und locken einen geradezu in die Restaurants und zu den Bäckern. Sämtliche Friseurläden tragen sogar türkische Namen und benutzen ganz traditionell das Rasiermesser.

An einer Straßenecke treten zwei weitere Minarette hinter einem Gebäude hervor. Es ist der berühmte Lindenbazar, der ein riesengroßer Supermarkt und Moschee zugleich ist. Hier findet man viele Delikatessen und türkische Einrichtungsartikel wie Wanduhren mit kalligraphischen Gravuren und Vorhängen aus Samt.

Lindenbazar
Die Al-Nour Moschee hinter dem Lindenbazar. Foto: Shahrzad Rahbari

Berdan Akoy, ein junger Mann kurdischer Herkunft, führt mich durch die Straße. Der 21-Jährige erzählt, dass seine deutschen Freunde gerne herkommen und stundenlang Zeit verbringen. „Es fühlt sich an wie eine Nacht in Istanbul. Und das in Deutschland.“

Zahlreiche kleine Menschengruppen stehen an den Straßenrändern und unterhalten sich. Schnell bemerkt man, wie groß die Vernetzung unter den Nationalitäten ist. In einigen Stadtbezirken Hamburgs wird sie besonders deutlich.

„Ich bin Deutscher“

Billstedt ist dem Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung zufolge ein migrantenbesiedelter Bezirk in Hamburg. Auf der Billstedter Hauptstraße befinden sich mehrere Shisha-Bars, aus denen laute Musik zu hören ist. Im „Goodfellas“ bedeckt Rauch die Sicht und aus jeder dunklen Sitzecke vernehme ich den Geruch von fruchtigem Wasserpfeifentabak.

Der noch in Afghanistan geborene Besitzer Amir Yaghubi ist 34 Jahre alt. Er berichtet von vielen Besuchern ausländischer Herkunft. Dabei betont er immer wieder, wie glücklich er über die Tatsache ist, dass seine Bar als Treffpunkt für verschiedene Nationalitäten genutzt wird. „Ich wünsche mir, dass die Menschen sich gegenseitig mehr zuhören und aufeinander zugehen“, sagt er. „Es macht mich glücklich, wenn hier Albaner, Türken und auch Deutsche zusammen rauchen und Fußball schauen, und es gar nicht zur Debatte steht, woher man kommt und an was man glaubt. Warum kann es nicht auf der Straße auch so sein?“ Auf die Frage, ob er sich als Deutscher oder Afghanen sehe, antwortet er:

„Ich bin Deutscher. Ich lebe hier und könnte auch nirgendwo anders leben“