Immer häufiger werden Journalisten von demokratisch gewählten Regierungsvertretern als “Verräter” oder “Terroristen” bezeichnet. In der neuen Rangliste für Pressefreiheit zählen vor allem europäische Länder zu den Verlierern.
In der Rangliste für Pressefreiheit hat Reporter ohne Grenzen e.V. (ROG) die Situation von Journalisten aus 180 Ländern miteinander verglichen. Großen Anlass zur Sorge biete die Lage in Polen, Ungarn und Tschechien. Hier werde die Berichterstattung teils wörtlich vorgegeben. Außerdem wurden dort Medienschaffende ermordet: Im Februar 2018 wurde in der Slowakei der Investigativ-Reporter Jan Kuciak getötet, der unter anderem an der Auswertung der Panama Papers beteiligt war und krude Geschäftsverbindungen prominenter Unternehmer in seinem Land recherchierte. Der mittlerweile zurückgetretene Ministerpräsidenten Robert Fico soll Reporter in diesem Zusammenhang als “dreckige, anti-slowakische Prostituierte” beschimpft haben.
Auch der stärkste Absteiger, Malta, stammt aus Europa. Die Republik verschlechterte sich um 18 Plätze auf Platz 65. Norwegen und Schweden führen indes die Rangliste an – hier gibt es laut ROG die besten Berufsbedingungen für Journalisten. Der größte Aufsteiger ist Gambia. Das Land rückte auf Rang 122 vor und macht damit im Vergleich zum vergangenen Jahr 21 Plätze gut. Die Schlusslichter sind erneut Nordkorea und Eritrea.
Übergriffe beim G20-Gipfel in Hamburg
Deutschland verbesserte sich im weltweiten Vergleich von Platz 16 auf Rang 15 – Probleme gibt es aber laut ROG auch hierzulande. Kritisiert werden insbesondere die tätlichen Übergriffe auf Journalisten sowie Drohungen und Einschüchterungsversuche während des G20-Gipfels in Hamburg. Auch das zum Jahresbeginn in Kraft getretene BND-Gesetz und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Hassäußerungen in den sozialen Medien entgegenwirken soll, wurden als problematisch bewertet. „Mit diesem Gesetzesentwurf wirft der Bundesjustizminister einen zentralen Wert unseres Rechtsstaats über Bord“, sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp bereits in der Entwurfsphase des Gesetzes.
In der Türkei sitzen weltweit die meisten Journalisten im Gefängnis
Keine Überraschung ist, dass die Türkei im Ranking weiter abgerutscht ist. Zwar wurde der inhaftierte Welt-Korrespondent Deniz Yücel nach mehr als einem Jahr am 16. Februar 2018 freigelassen, jedoch sitzen nach wie vor in der Türkei mehr professionelle Journalisten im Gefängnis als in jedem anderen Land. „Die Pressefreiheit in der Türkei liegt seit fast zwei Jahren in Ketten”, sagte Janine Uhlmannsiek, Expertin für Europa und Zentralasien bei Amnesty Deutschland, der dpa. In Massenprozessen würden Journalisten zu hohen Haftstrafen verurteilt und Urteile des Verfassungsgerichts zugunsten der Inhaftierten größtenteils nicht umgesetzt.
Ich danke für die Glückwünsche & bitte um Verständnis, dass ich derzeit nicht antworten kann. Ausnahmsweise sind wir mal zum Spaß hier @welt pic.twitter.com/7SxPbsGPAR
— Deniz Yücel (@Besser_Deniz) 18. Februar 2018
Wieso ist die Pressefreiheit wichtig?
Wer sich gegen die Presse- und Informationsfreiheit ausspricht, spricht sich auch gegen eine demokratische Gesellschaft aus. Ohne eine unabhängige Berichterstattung findet keine öffentliche Kontrolle von Prozessen statt und Regierungen können eigene Interessen zu Ungunsten des Volkes durchsetzen. Ohne die Pressefreiheit ist keine freie Meinungsbildung möglich, ebenso wenig wie ein friedlicher Interessenausgleich.