HAW-Professorin Anke Feuchtenberger beteiligt sich mit einem Bild an der Ausstellung „100 Jahre Frauenwahlrecht – 19 + 1 Künstlerinnen“. Die Arbeiten werden ab dem 17. Januar im Bundestag präsentiert.

Vom 17. Januar bis zum 31. März stellen 20 Künstlerinnen im Bundestag ihre Arbeiten zum 100-jährigen Jubiläum der Einführung des Frauenwahlrechts aus. Eine von ihnen ist Anke Feuchtenberger, Professorin für Zeichnen und Medienillustration an der HAW Hamburg. Im Interview mit FINK.HAMBURG spricht sie über ihre Kunst und wieso der Eintritt der DDR in die Bundesrepublik für Frauen ein Rückschritt war.

FINK.HAMBURG: Frauenwahlrecht, Gleichberechtigung und die Emanzipation der Frauen im frühen 20. Jahrhundert – das sind große Themen, die in den Medien und in der Kunst sehr unterschiedlich dargestellt werden. Was hat Sie zu Ihrem ausgestellten Werk inspiriert?

Anke Feuchtenberger: Diese Themen sind in ihrer gelebten Form ganz generell das Thema meiner Kunst. Im Grunde ist diese Zeichnung (Wahl, 2018, Anm. der Redaktion) einer Serie von Zeichnungen aus dem Jahr 2017 entsprungen. Diese setzt sich mit Ressourcen und Zukunft auseinander.
Mich hat ein Motiv aus der mittelalterlichen Alchemie angeregt, in dem das Meer, der Kosmos und die Retorte eine Metapher bilden. Das Motiv der Bedrängtheit, des Knappen – die Insel mit den zu vielen Frauen und des Unendlichen, Unerschöpflichen erschien mir in dieser Form, wie ich es gezeichnet habe, komisch und zugleich dramatisch zu sein.

Ausstellung „100 Jahre Frauenwahlrecht – 19 + 1 Künstlerinnen“
Wann : 17. Januar bis 31. März 2019
Wo : In der Abgeordnetenlobby im Bundestag
Führungen : Während der Kunst- und Architekturführungen im Reichstagsgebäude
(täglich zwischen 10:30 Uhr und 18:30 Uhr) oder Sonderführungen am 23. Januar, 6. und 27. Februar, 6. und 27. März 2019 um 14 Uhr nach vorheriger Anmeldung.

Für den Betrachter ist es immer schwer einzuschätzen, was sich der Künstler bei der Gestaltung gedacht hat. Welche Gedanken stecken hinter Ihrem Bild?

Ich bin immer wieder fassungslos, dass es erst 100 Jahre her ist, dass Frauen wählen dürfen. Das muss man sich mal vor Augen führen – die Hälfte der Menschheit!

Ich habe 1990 zur ersten gemeinsamen deutschen Wahl die Wahlplakate des Unabhängigen Frauenverbands gestaltet. Ich finde es interessant, wie das Thema in den Medien seit damals behandelt wird. Mit dem Wechsel vom sozialistischen Ostdeutschland in eine konsumorientierte Gesellschaftsordnung habe ich für mich als Frau einen gesellschaftlichen Rückschritt erlebt.
Viele Themen schienen mir selbstverständlich schon geklärt. Fragen wie Berufstätigkeit der Frau, Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit – alles kam noch mal auf den Tisch, als wäre es neu.

Wahl, 2018 von Anke Feuchtenberger. Angefertigt für die Ausstellung „100 Jahre Frauenwahlrecht – 19 + 1 Künstlerinnen“.
Wahl, 2018 von Anke Feuchtenberger. Angefertigt für die Ausstellung „100 Jahre Frauenwahlrecht – 19 + 1 Künstlerinnen“.

Und wie hat sich diese Erfahrung auf Ihre Zeichnung ausgewirkt?

In meiner Zeichnung habe ich versucht, das Thema Wahl, so ist auch der Titel der Zeichnung, nochmal als Urfrage zu stellen. Ein Thema, was offensichtlich nicht viele interessiert, weil es selbstverständlich erscheint. Erst in der Erfahrung der Ungleichheit der Frauen wird es zum Problem, nämlich wenn Frauen vor die Frage gestellt werden, ob sie Kinder bekommen möchten. In der Zeichnung scheint alles auf diese Wahl reduziert: Ja oder Nein.

Aber das ist nicht das einzige Thema, das in Ihrem Bild behandelt wird.

Es gibt noch ein anderes Thema, welches nicht offensichtlich im Bild zu lesen ist, mich aber beschäftigt hat: Dass das Frauenwahlrecht nichts zur Verhinderung des zweiten Weltkrieges beigetragen hat.

Anteilig beschäftigen sich mehr Künstlerinnen mit Themen wie Frauenwahlrecht oder Gleichberechtigung. Die damit einhergehenden Veränderungen beeinflussen aber das Zusammenleben aller Geschlechter. Wieso beschäftigt sich nur ein kleiner Teil der männlichen Künstler mit diesen Themen in Ihrer Kunst?

Das müsste man Männer fragen! Außerdem: Wer gibt schon freiwillig seine Macht auf?
Wer beschäftigt sich schon gern mit Themen, die dazu führen, dass man gesellschaftlich als Spielverderber*in angesehen wird?

Anke Feuchtenberger ist eine der renommiertesten Illustratorinnen Deutschlands. Der Comicaltar "Tracht&Bleiche" wurde 2018 im Landesmuseum Münster ausgestellt.
Anke Feuchtenberger ist eine der renommiertesten Illustratorinnen Deutschlands. Der Comicaltar “Tracht&Bleiche” wurde 2018 im Landesmuseum Münster ausgestellt.

Neben Ihrer Lehre an der HAW waren Sie dort auch zehn Jahre lang Gleichstellungsbeauftragte. Gibt es an der Hochschule noch viele Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Ich war zehn Jahre Gleichstellungsbeauftragte für das Department Design, zeitweilig auch für die Fakultät. Das Verhältnis von Männern und Frauen ist in den Departments jeweils verschieden, aber immer noch ziemlich altmodisch. Auch was die Studierenden angeht: Kinderbuchillustration, Mode, Kostüm, Textil ist vorwiegend Frauensache, Pflege, Soziales und Gesundheit auch. Medientechnik ist nach wie vor eine Männerdomäne, auch für die Professoren. In der Fakultät generell hat sich das Gleichgewicht allerdings recht gut eingeschaukelt.

Was können wir noch heute aus den Kämpfen um das Frauenwahlrecht lernen?

Man muss sich mal vergegenwärtigen, wie kurz die Zeitspanne ist, in der es das Frauenwahlrecht gibt. Und man muss wissen, wie lange Erfahrungen von Ungerechtigkeit, Erniedrigung und Entmündigung im sozialen Erbgut haften bleiben. Dann braucht sich jeder und jede nur selbst anschauen und beobachten, wie er oder sie sich im gesellschaftlichen Umfeld verhält.

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.

Anke Feuchtenberger ist seit 1997 Professorin für Zeichnen und Medienillustration am Department Design. Sie studierte an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. 1988 schloss sie ihr Studium mit einem Diplom ab und arbeitet seither freiberuflich. Im Rahmen verschiedener Kooperationen veröffentlichte sie Erzählungen wie „die kleine Dame“, „die Hure H“ und „Frau A in der großen Stadt“.