Zwei Hamburgerinnen haben sich mit einer spannenden Geschäftsidee selbständig gemacht: Sie verleihen modische Klamotten und sprechen sich damit gegen den Massenkonsum aus. Ein Besuch in der Kleiderei.
Es geht vorbei an riesigen Regalen, Kleider reihen sich an Kleider. Neben dem Zischen des Dampfbügeleisens hört man das fröhliche Lachen von Thekla Wilkening und Pola Fendel. Den beiden gehört Die Kleiderei, ein Onlineshop für Mode zum Ausleihen, untergebracht in einem Bürogebäude in Hammerbrook. Hier gibt es nachhaltig produzierte Designerteile – Alltagskleidung, aber auch das Party-Outfit für jeden Anlass.
Der Gedanke, mit Fremden den eigenen Besitz zu teilen, ist schon in etlichen Bereichen selbstverständlich: Die eigene Wohnung für einige Tage anderen zu überlassen, ist heute kein Problem. Ein leihbares Auto findet man an jeder Ecke für den Feierabend-Einkauf. Wer teilt, lebt minimalistischer und achtet auch die Umwelt. Er überlegt, was wirklich nötig ist und sagt sich von Zwängen los: weniger Besitz, mehr Freiheit. Warum also nicht auch anfangen, Kleidung zu teilen?
Das dachten sich auch die beiden jungen Frauen. „Die Kleiderei soll eine Lücke schließen zwischen bewusstem Konsum und Spaß mit Mode“, sagt Wilkening.
Ein bewusster Umgang mit Mode ist gefragt, wenn man weiß, wie schwerwiegend die Umweltbelastungen sind, die durch die Textilindustrie entstehen und durch den Massenkonsum gefördert werden. Für die Herstellung von Polyester wird etwa die nicht-erneuerbare Ressource Erdöl und viel Wasser verbraucht, daneben belasten gesundheitsschädliche Stoffe die Abwässer der Modeindustrie. So ist etwa die Chemikalie Nonylphenolethoxylate (NPE) in vielen Kleidungsstücken bekannter Hersteller enthalten.
Laut Greenpeace stellen die gemessenen Konzentrationen der NPE-Reste für Träger kein unmittelbares Risiko dar, wohl aber für die Menschen in und um die Produktionsstätten. NPE wird umgewandelt und zum giftigen Nonylphenol (NP) abgebaut, das sich auch in den Abwässern der Produktionen nachweisen lässt. Dort reichert es sich an und gelangt in die Nahrungskette aller Lebewesen. Der chemische Stoff ist hormonell wirksam und schon in geringer Konzentration schädlich. „Darum müssen wir Konsumenten aufhören, massenhaft Kleidung zu kaufen. Denn nur wenn die Aufträge kleiner und die Ansprüche an Qualität höher werden, kann sich etwas ändern“, sagt Wilkening.
Wie funktioniert das Ausleihen?
Mehr als 10.000 Kleidungsstücke haben die beiden Kölnerinnen in ihrer Wahlheimat Hamburg für ihre Kundinnen zusammengestellt. Es gibt ein Leih-Abo für 49 Euro monatlich, mit dem sie vier Kleidungsstücke direkt nach Hause geschickt bekommen. Diese können sie online selbst auswählen. Probierfreudige können sich auch ein Überraschungspaket zusenden lassen. So ist es möglich, sich abwechslungsreich zu stylen – ohne Kleidung zu horten. Nebenbei schont es auch noch den Geldbeutel.
Die Idee zur Kleiderei kam den Freundinnen schon recht früh. Sie kennen sich seit der Gymnasialzeit – und tauschten schon damals Kleider. Auch wenn der Geschmack sehr unterschiedlich war. An einem Abend etwa hatte Thekla Wilkenings ein schickes Kleid an. „Können wir es tauschen“, fragte Pola Fendels. Die Freundin sagte zu. „Und so tauschten wir hinter einem Auto unsere Outfits“, erinnert sich Wilkenings. „Ich hatte definitiv den Kürzeren gezogen. Pola lief in meinem schönen silbergrauen Kleid durch den Club und ich trug ihren Jeansrock und ein braunes, mit rosa Herzen bedrucktes Shirt.“ Trotzdem hat ihnen die Idee gefallen.
Auf die Frage, ob es ein allerliebstes Kleidungsstück gibt, das Thekla Wilkening niemals teilen würde, antwortet sie: „Meine Lederjacken. Wobei, eine habe ich letztens doch verliehen.“ Generell teil sie ungern Jacken. „Ich liebe sie. Sie sind mein Schutzschild und Begleiter im Alltag. Jeden Morgen entscheide ich mich, ob ich heute eher cool in der Lederjacke oder chic im Mantel erscheine.“
Über mangelnde Resonanz können sich die beiden Gründerinnen offenbar nicht beschweren. Paket für Paket wird verpackt, für jede Kundin wird eine handgeschriebene Karte dazugelegt. Das Abrollgeräusch des Paketrollers ist regelmäßig zu hören. Dann folgt das dumpfe Geräusch des Stempels. „Er wird am Ende auf jeden Brief oder Paket gesetzt“, sagt Wilkening. „Ein gutes Gefühl, wieder etwas geschafft zu haben. Die beiden verschicken ihre Pakete mittlerweile bundesweit – von Hamburg, nach Köln bis München.
Die Kleiderei ist für die Gründerinnen ein geglückter Anfang. Mit viel Girl Power sind sie vom kleinen Shop in Hamburg zum Großunternehmen gewachsen. Ihre Vision ist, dass es in jeder Stadt einen solchen Shop gibt. „Dann könnte man ganz ohne Gepäck reisen“, sagt Wilkening. Und das würde ja auch zusätzlich die Umwelt schonen.
In der Serie Gründerinnen beleuchtet FINK.Hamburg die Hamburger Startupszene und stellt Frauen vor, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben.
Update: Die “Kleiderei” legt zeitweise eine Pause ein und ist momentan über die Website nicht erreichbar. Wann und ob der Onlineshop für Mode zum Leihen die Tätigkeiten wieder aufnimmt, ist bislang unklar. Auf Nachfrage von FINK.HAMBURG wollten sich die Inhaberinnen dazu nicht äußern.