Wie geht man mit einer Vergewaltigung um: Vergessen oder Rache üben? Dieser Herausforderung muss sich im Film “Das schönste Paar” ein junges Lehrerpaar stellen, nachdem es von drei Jugendlichen überfallen und sexuell missbraucht wurde.
“Kommt, wir hatten doch jetzt unseren Spaß!”, sagt einer der drei Jugendlichen, die ungebeten durch die Terrassentür in das Ferienhaus des Lehrerpaares Liv und Malte eingedrungen sind. Doch Sascha, der Anführer des Trios, lässt seinen Blick nicht von dem Paar ab und nötigt die beiden unter Androhung von Gewalt zu Geschlechtsverkehr. Es gibt kein Entkommen: Malte neigt seinen nackten Oberkörper über Liv. Er schluchzt, zittert und versucht es. Doch er scheitert. Sascha verliert die Geduld. Seine zwei Begleiter zerren Malte von Liv weg und fesseln ihn mit einem Kabelbinder. Sascha wirft sich auf Liv und vergewaltigt sie.
Zwei Jahre später hat sich das Paar scheinbar von dem traumatischen Ereignis erholt, bis Malte plötzlich durch Zufall auf ihren Peiniger Sascha trifft. Von da an beginnt eine Verfolgungsjagd, getrieben von Maltes Drang nach Vergeltung. Dabei setzt er allerdings das Vertrauen und die gerade zurückgewonnene Stärke seiner Beziehung zu Liv aufs Spiel, die einfach nur vergessen will.
Es gibt nicht den einen richtigen Weg
Von Beginn an durchströmen den Zuschauer Gefühle von Beklemmung und Anspannung. Im nächsten Moment die Frage: Wie geht man als Paar mit den Folgen eines sexuellen Missbrauchs um? Konfrontation? Rache? Oder einfach Vergessen? Sven Taddickens Drama zeigt, wie unterschiedlich die Antworten darauf sein können. Während Liv nach einer Psychotherapie mit den traumatischen Ereignissen abschließen und vergessen will, wählt Malte den Weg der Vergeltung, als sich ihm unverhofft die Möglichkeit dazu bietet. Zwischen Angst, Wut, Verzweiflung und Hoffnung findet das Paar aber auf berührende Art und Weise immer wieder zueinander und hält an seiner Liebe fest.
Verdienen wir Liebe?
“Das, was in ‘Das schönste Paar’ passiert, ist das Worst-Case-Szenario für jedes Liebespaar. Dieser Alptraum hat meine Gedanken beherrscht. Und ich fragte mich, ob es ein Heilmittel für ein Paar gibt, dem dieses Schicksal widerfährt”, sagt Regisseur und Drehbuchautor Taddicken. Damit liegt der Fokus der Geschichte nicht auf dem Verbrechen oder der Figur des Täters, sondern auf den Höhen und Tiefen der Liebesbeziehung zweier Menschen.
Menschliche Beziehungen und Intimität sind zwei Komplexe, die sich durch Taddickens Filme ziehen, wie zum Beispiel in “Emmas Glück” oder “Mein Bruder, der Vampir”. Dazu sagt der Autor selbst: “Die Frage, die mich immer antreibt, ist: Verdienen wir Liebe? Die Charaktere, die mich interessieren, sind jene, die ein großes Bedürfnis danach empfinden, geliebt zu werden. Gleichzeitig sind sie aber unsicher, ob sie diese verdienen. Im Film ‘Das schönste Paar’ würde die Kernfrage also lauten: Verdiene ich es, geliebt zu werden, obwohl ich unfähig war, meinen Partner zu beschützen?”
Das totgeschwiegene Thema
Die emotionalen Folgen von Vergewaltigung, die sich für Opfer ergeben, sind als Thema kaum präsent in unserer Gesellschaft. Und das trotz der erschreckenden Zahlen: Alleine im Jahr 2017 wurden laut Bundeskriminalamt insgesamt 11.282 Fälle von sexueller Nötigung und Vergewaltigung in Deutschland angezeigt, während es 2016 noch 7.919 waren. Taddicken gelingt es, das Schweigen zu brechen. Sein Film behandelt das Thema mit Offenheit und gleichzeitig mit der nötigen Sensibilität und zeigt die Bandbreite an Emotionen, die sexueller Missbrauch im Menschen auslösen kann.
Letztendlich gibt die Geschichte von “Das schönste Paar” nicht den einen richtigen Weg vor, wie man als Opfer von sexueller Gewalt mit dem Trauma umgeht. Sie zeigt aber, dass Vergeltung keine Lösung ist, und dass sich ein Opfer seine Autonomie und Selbstachtung zurückerkämpfen kann.
Für den Film gewannen die Produzenten von “Das schönste Paar” Jamila Wenske und Sol Bondy beim Filmfest Hamburg den Hamburger Produzentenpreis “Deutsche Kinoproduktion”. Am 21.03.2019 startet der Film in deutschen Kinos.