Die Hamburger Band Neonschwarz stellt sich schon immer konsequent gegen Rechts. Nach sechs Jahren Protest und Mobilisierung scheinen die RapperInnen auf ihrem neuen Album “Clash” aber musikalisch müde.
Als sich im Deutschrap-Mainstream gerade der Wachwechsel von Aggro Berlin zu Selfmade Records anbahnte, spaltete sich in der Nische ein Untergenre ab – der Zeckenrap. Während sich manche Bands und Rapper gegen den Stempel wehrten, hielt Neonschwarz die Zeckenrap-Fahne selbstironisch hoch.
Seit 2012 macht das Hamburger Quartett, bestehend aus Marie Curry, Captain Gips, Johnny Mauser und Spion Y, zusammen Musik. Die Band steht für deutliche Ansagen gegen Nazis und für fast schon an Popmusik grenzende Eingängigkeit. Mit ihrem neuen Album „Clash“ ordnet sich Neonschwarz nun musikalisch deutlich stärker in den HipHop-Kosmos ein. Es wird mehr gerappt und weniger gesungen. Insbesondere Marie Curry beeindruckt dabei mit schnellen Sprechgesangspassagen.
Mehr Rap – im Guten wie im Schlechten
Prototypisch für diese Entwicklung steht das Lied „Ananasland“. Inhaltlich eine Gentrifizierungskritik, ist es musikalisch eine große Rap-Hommage. Die Strophen tragen alle drei MusikerInnen mit K.I.Z.-ähnlichem Flow vor, für die Strophe wird die Struktur von Eminems „Without Me“ übernommen und zwischendurch nochmal ein Sample des amerikanischen DJs Grandmaster Flash eingestreut.
Auch in den anderen Tracks geht es fröhlich durch Jahrzehnte der HipHop-Geschichte: „Der Opi aus dem 2. Stock“ ist eine politische Fortsetzung zu „Die Omi aus dem 1. Stock“ von Eins Zwo. „Verrückt“ klingt nach dem frühen Cro und mit „Maradona“ fügt Neonschwarz ein weiteres Kapitel dem nervigsten Rap-Trend des Jahres hinzu: Fußball-Songs. So wurden schon „Ibrahimovic“ (von Felly), „Neymar“ (von Capital Bra) und „Mohamed Salah“ (von Play69) besungen – jedes Mal mit Charterfolg aber ohne wirklichen Bezug zum Fußballer.
Neonschwarz‘ Alleinstellungsmerkmal
Politische Themen schimmern dabei immer wieder durch. Aber „Zeckenrap wie ZM“, wie Captain Gips auf dem Lied „Neonröhre“ rappt? Nein, mit der Wut und dem Wortwitz des Berliner Hip-Hop-Duos Zugezogen Maskulin kann Neonschwarz nicht mehr mithalten.
Paradoxerweise wird gerade mit dem Album, das musikalisch näher an die Rap-Szene rückt, die Band textlich poppiger. So entstehen einerseits Ohrwürmer wie in „Maradona“, „Fieber“ oder „Gleis 13“. Andererseits fehlt den Tracks die Wucht und das bisherige Alleinstellungsmerkmal: In einer Zeit, in der sich immer mehr Bands politisieren, geht Neonschwarz dann irgendwo zwischen Moop Mama und Casper unter.
Neonschwarz scheint müde und so wird „Clash“ leider von Song zu Song harmloser. „N.E.O.N.“ und „Fieber“ klingen noch wuchtig – am Ende geht es dann zu sommerlichen Beats nur noch um die eigene Coolness, entspannte Tage in der Sonne oder Gruppenzusammenhalt. Selbst wenn es dann politischer wird, wie mit „5 nach 12“, fehlt die Substanz.
Wir haben’s euch gesagt
Besonders deutlich wird diese Müdigkeit bei „2018“. Es ist die dritte politische Bestandsaufnahme von Neonschwarz nachdem sie auf ihren letzten Alben bereits „2014“ und „2015“ veröffentlichten. Nur während mit „2014“ vor rechten Tendenzen gewarnt wurde und „2015“ eine Grenze ziehen sollte, klingt „2018“ fast schon resigniert. Es bleiben dann nur noch Allgemeinplätze, die viele vor ihnen schon cleverer formuliert haben. Was soll man aber auch sagen, wenn die deutlichen Aufforderungen aus „2014“ und „2015“ schon nichts bewirkten?
“Clash” von Neonschwarz erschien am 12.10.2018.