Am 13. Mai 1944 fand das ehemals sehr lebendige Chinesenviertel auf St. Pauli ein abruptes Ende: Nazis zerschlugen das Hamburger China-Town. Das St. Pauli-Archiv gedenkt am Montagabend diesem Ereignis in der Talstraße. 

Wo St. Pauli heute ein Vergnügungsviertel mit Sexshops, Tanzclubs und Bars ist, sah es vor 75 Jahren noch ganz anders aus. Chinesische Gaststätten und Geschäfte prägten das Bild. Am 13. Mai 1944 war alles vorbei: Im Rahmen der “Chinesenaktion” wurden alle in der Schmuckstraße und Umgebung ansässigen Chinesen von der Gestapo verhaftet und in Arbeitslager gebracht. Mehr als 100 chinesische Zuwanderer misshandelten die Nazis.

Die Gestapo verdächtigte die Chinesen schon zuvor, Opiumhandel und andere zwielichtige Geschäfte zu betreiben. Nach der Kriegserklärung Chinas im Jahr 1941 nahm die Verfolgung ein katastrophales Ausmaß an.

St. Pauli gedenkt den Opfern

Auch in diesem Jahr möchte das St. Pauli-Archiv mit einer Gedenkveranstaltung, in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, an das Ereignis des 13. Mai erinnern. Schon seit mehr als 20 Jahren gedenkt das Stadtteilarchiv jährlich der Chinesenverfolgung zur NS-Zeit. Letztes Jahr sogar mit einer großen Ausstellung. So sollen auch Minderheiten, die Opfer des NS-Regimes wurden, nicht vergessen werden.

In diesem Jahr soll es nach einer Begrüßung Ecke Schmuckstraße/Talstraße und einer kurzen Andacht neben der eigens errichteten Chinesenaktion-Gedenktafel zu Fuß zum Gemeindesaal der St. Joseph Kirche gehen, sagte eine Mitarbeiterin des St. Pauli-Archivs zu FINK.HAMBURG. Dort halten der Historiker Lars Amenda und der Gedenkstättenpädagoge Martin Reiter Vorträge über die Verfolgung von chinesischen Zuwanderern und über die Nachkriegsgeschichte und die nicht erfolgte Entschädigung der Opfer.

Hong-Kong Bar ist einziges Übrigbleibsel

Heute findet man kaum noch Spuren des ehemaligen Chinesenviertels – nur die Hong-Kong Bar ist übrig geblieben. Als eine der ältesten Bars auf dem Hamburger Berg ist die Hong-Kong Bar wohl vielen Hamburgern ein Begriff. Der frühere Besitzer der Bar, Chong Tin Lam, wurde, wie all die anderen Chinesen, vor 75 Jahren von den Nazis verhaftet. Seit 1982  leitet seine Tochter, die 77-jährige Marietta Solty, den Laden und kämpft gegen das Vergessen ihrer Familiengeschichte. Schon seit den 1920er Jahren ist das Lokal im Familienbesitz. Zunächst führte Soltys Großonkel die Bar, Anfang der 30er-Jahre übernahm ihr Vater das Geschäft und baute es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Hotel um.

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FINK.HAMBURG hat mit Marietta Solty über die Geschichte des Hamburger Chinesenviertels und die fehlende Anerkennung der Verfolgung gesprochen.

Interview mit Marietta Solty, Gastwirtin der Hong-Kong Bar (Teaser) | FINK.HAMBURG

Titelfoto: Astrid Benölken