Tentation: Wenn aus Zelten neue Mode wird

Upcycling von Festivalmüll

Zelte in neuem Gewand: Upcycling von Tentation
Katrin Rieber gibt mit Tentation alten Zelten ein neues Gewand. Foto: Marieke Weller

Früher Campingbett, heute Bauchtasche: Katrin Rieber macht Klamotten aus alten Zelten und gibt dem Material so ein neues Leben. Tentation heißt ihr nachhaltiges Modelabel aus Hamburg. Die Idee zum Upcycling kam ihr auf einem Festival.

Ein Beitrag von Katharina Böhmer und Marieke Weller.

Katrin Rieber war 2017 auf dem Fusion Festival auf der mecklenburgischen Seenplatte. Anders als die meisten Festivalbesucher reiste sie erst am Montag ab, um noch den Mülltrupp bei der Arbeit zu unterstützen. Müll gab es genug: ausgebrannte Grills, Flaschen und kaputte Pavillons. „Wurfzelte wehten über den Platz wie Steppenläufer im Westernfilm“, so Katrin.

Dieses Bild, brachte die Designerin auf eine Idee: All das, was für die Besucher:innen nicht mehr zu gebrauchen war, könnte sie weiterverwerten. Sie gründete Tentation, ein Label für upgecycelte Mode.

Katrin Rieber machte sich an die Arbeit und sammelte zurückgelassene Zelte. Das Material sei weder verschmutzt noch stark beschädigt gewesen – hier eine gebrochene Stange, dort ein kleines Loch.

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Eine Kollektion ganz aus Zelten

Regenhüte, Brillenetuis, Brustbeutel, Bauchtaschen und Regenmäntel in knalligen Farben liegen auf dem großen Tisch in Riebers kleinem Atelier in Altona. Aus den alten Zelten sind neue Kleidungsstücke geworden. Erdölbasierte Kuststoffe seien für sie eigentlich ein No-Go. Aber: „Rohstoffe sind endlich und wir möchten vorhandene vor der Vernichtung retten”, so Katrin.

Ideen, was daraus noch werden könnte hat sie etliche – beispielsweise Outdoor-Kissen oder Duschvorhänge. Sie schnappt sich einen Zettel und einen Bleistift und beginnt zu zeichnen: eine Strandtasche mit Griff. „So könnten wir auch die Zeltstangen noch nutzen“, sagt sie.

Grundsätzlich versucht Katrin alle Bestandteile der Zelte wiederzuverwerten. Sie trennt die Reißverschlüsse heraus und näht sie in Taschen für Yoga-Matten, nutzt die durchsichtige Folie, um Zwischenfächer in Bauchtaschen einzunähen und auch der Zeltboden wird kurzerhand zum Brustbeutel. “Die meisten Zelte sind grün, blau oder grau.” Deshalb sind auch die Modestücke vor allem in diesen Farben. All ihre Produkte sind in Handarbeit gefertigt. 

„Ich bin ein Öko, seit ich ein kleines Kind war“, sagt Katrin. Mit Tentation will sie ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft setzen. Bisher hat die Mode- und Kostümdesignerin eher künstlerisch gearbeitet. Industriemode sei nichts für sie. „Mode ist für mich Kunst und Ausdruck, sie erzählt eine Geschichte und hat viel mit Kultur zu tun”, sagt sie. 

Stoffen durch Upcycling ein längeres Leben geben

2018 habe sie mit ihrem Team zurückgebliebene Zelte auf der Fusion und dem Hurricane Festival gesammelt: „Das konnte man einfach so machen.“ Am Ende seien die großen Bagger gekommen und hätten alles auf einen Haufen geschoben. „Ich bezweifle, dass dort noch getrennt wurde.“ Zumindest die Zelte bekämen so ein längeres Leben und würden vor der Verbrennung bewahrt.

Aus dem Müll der beiden Festivals entstand die erste Tentation-Kollektion. Ein Jahr später konnte Rieber mit ihrem Team einen Probelauf mit dem Verkauf der ersten Kollektion auf der Fusion starten. Die Leute seien auf das Thema angesprungen. Gemeinnützigen Organisationen, die Zelte für Obdachlose sammeln, lassen Rieber und ihr Team den Vortritt. „Wir wollen nicht in Konkurrenz stehen.“ Was noch als Zelt zu gebrauchen sei, würde nicht zerschnitten.

Für das Jahr 2020 waren Kooperationen mit dem About You Pangea Festival, dem Fusion Festival, dem Artlake und Highfield Festival geplant. Katrin Rieber und ihr Team hätten einen Stand in der Nähe der Müllstationen gehabt. Dort wäre für Festivalbesucher die Abgabe von alten Zelten möglich gewesen. Die Zelte wären direkt vor Ort gereinigt und getrocknet worden. Auch ihre Mode wollten sie dort verkaufen. Doch dann kam Corona.

Ein Ziel: eine eigene inklusive Werkstatt in Hamburg

Um ihr Label bekannter zu machen, hat Rieber nun ein Crowdfunding gestartet. Sollte sie in Serien-Produktion gehen, möchte sie mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein zusammenarbeiten. Und dann irgendwann eine eigene inklusive Werkstatt in Hamburg eröffnen. Ihre Mode soll zu 100 Prozent in Deutschland hergestellt werden und fair sein. Um für Materialnachschub zu sorgen, will sie Campingplätze und Kiteschulen kontaktieren.

Bunte Einzelstücke als Souvenir

Katrin Rieber hat schon hunderte Stunde Arbeit in ihr Projekt investiert, sagt sie. Sie will Materialien länger nutzbar machen. Deshalb eine ihrer Ideen: Wer seinen Tentation-Artikel nicht mehr trägt, soll ihn zurückgeben können, sodass daraus wieder etwas Neues werden kann. „Wir wollen ein Kreislaufsystem mit unseren Produkten entwickeln.” Denn die Wirtschaft funktioniere nicht mehr lange so verschwenderisch.

In Zukunft plant Rieber auch eine Merchandise-Linie mit den Logos der Festivals, auf denen sie ihre Stücke verkauft: ein besonderes Andenken. Auch individuelle Stücke aus dem eigenen Zelt und persönliche Farbwünsche sind möglich. „Das richtige Feeling ist wichtig, um passende Erinnerungsstücke wie unsere Modestücke von Tentation zu kaufen”, so Rieber. Deshalb setzt sie große Hoffnungen in die nächste Festival-Saison.