Schnacken, schnüstern, schnökern: Norddeutsche Sprache kann so schön klingen, auch in den Ohren von Zugereisten aus dem Süden. Weniger wohlklingend: Würste in Norddeutschland.

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Nach über einem halben Jahr in Norddeutschland ist der Kulturschock bislang ausgeblieben. Ein wenig verwunderlich ist das, liegt meine Heimatstadt Innsbruck doch über 700 Kilometer Luftlinie südlich von Hamburg. Dabei ist in Hamburg einiges anders: Hügel mit 150 Höhenmeter werden Berg genannt, statt Schnee gibt es im Winter Schietwetter, „Moin“ ist eine Begrüßung zu jeder Tageszeit. Alles Dinge, an die man sich gewöhnen kann. Womit ich nicht zurechtkomme? Mit Würsten in Norddeutschland – insbesondere deren Namen.

Alles hat ein Ende, nur die Verwirrung um Würste nicht

Disclaimer: Als jemand, der sich maximal „vegetarische Erzeugnisse nach Art eines Würstchens“ einverleibt, bin ich vielleicht nicht die richtige Person, über Wurstnamen zu urteilen.

Dennoch habe ich bei der Vielfalt der deutschen Sprache appetitlichere Wortkreationen erwartet. Aber vielleicht ist es die norddeutsche Direktheit, die dafür sorgt, dass die Bezeichnungen für feinpürierte Tierreste im (Kunst)Darm so klingen, wie sie klingen: Ekelhaft. Zumindest für mich hören sich Grützwurst, Beutelwurst und Kochwurst wenig verlockend und ein bisschen nach posthumer Tierquälerei an. Wenn das Tier schon sterben muss, könnte man nicht zumindest die sterblichen Überreste ein wenig schmeichelhafter benennen?

Dennoch scheinen sich die Leute in der Hochschul-Mensa, an Imbiss-Buden und im Supermarkt wenig an den Namen zu stören. Vielleicht lebe ich einfach noch nicht lange genug im Norden, um den hiesigen Wurst-Jargon nicht weiter hinterfragen zu wollen. So ganz will ich mich aber nicht alleine für mein Problem verantwortlich machen.

Grünkohl mit… Wie bitte?

Norddeutschland macht es einem auch nicht leicht, seine Würste als solche zu identifizieren: Wie soll ich als orts- und kulturfremde Person erahnen, was sich hinter Mettenden und Saurer Rolle versteckt?

Dabei gibt es Instanzen, denen es ein Anliegen ist, Konsument*innen nicht zu verwirren: Der Europäische Gerichtshof hat 2017 entschieden, dass vegane Milchalternativen nur mehr “Drink” genannt werden dürfen. Es könnte ja zu Verwechslungen mit „normaler Eutersekretion“ von Tieren kommen. Metzger*innen dürfen aber noch immer unbehelligt Aalrauchmettwürste verkaufen. Ich rate lieber nicht, was genau darin steckt. Maximale Verwirrung auf Verbraucher*innenseite: Wo bleibt der Europäische Gerichtshof, wenn man ihn braucht?

Aber lieber verwirrt als verstört. Als ich zum ersten Mal von Grünkohl mit Pinkel gehört habe, wurde ich stutzig. Ich traute mich nicht nachzufragen, ob man Kohl in diesen Breitengraden mit Körpersäften konserviert. Denkbar erleichtert war ich, als eine kurze Onlinesuche nur Wurstbilder zu Tage brachte.

Ein versöhnliches (Mett)Ende?

Zugegebenermaßen: Neutral betrachtet klingen österreichische Wurstnamen kaum appetitlicher. Der Unterschied ist bloß, dass ich mit “Kaskrainern”, “Knackern” und “Kranzlextras” sozialisiert wurde. Dennoch ist mein Wursthunger seit Jahren ungebrochen klein. Vielleicht sind doch nicht die Namen Schuld, sondern was dahinter steckt.

Daran ändert auch mein Umzug nach Hamburg nichts. Generell bin ich kulinarischen Neuentdeckungen gegenüber offen – wenn es aber um die Wurst geht, hört meine Neugierde auf. Auf Mettenden und Pinkel verzichte ich gerne. Vielleicht funktionieren Wurstnamen ja auch ein wenig wie Warnbilder auf Zigarettenschachteln: Bei Raucher*innen zeigen sie kaum Wirkung, in Nichtraucher*innen rufen sie dafür Ekel, Angst und Traurigkeit hervor.