Reden übers Sterben ist für viele nicht leicht. Es helfe aber dabei, Trauer zu verarbeiten, sagt Elsa Schwarz. FINK.HAMBURG hat die Trauerbegleiterin zum Interview getroffen und genau das gemacht, was vielen so schwerfällt: über den Tod gesprochen.

Titelbild: Valentina Rössel

FINK.HAMBURG: Du arbeitest ehrenamtlich als Trauerbegleiterin. Wie bist du dazu gekommen?

Trauerbegleiterin Elsa Schwarz
Trauerbegleiterin Elsa Schwarz

Elsa Schwarz: Das war eine Kombination aus vielen persönlichen Erfahrungen. Ich habe selbst einige Menschen verloren. Darüber hinaus habe ich gemerkt, dass ich kein Problem damit habe, über meine Trauer und auch den Tod zu sprechen. Ich bin damit schon immer sehr offen umgegangen.

Aber gab es einen konkreten Anlass, weshalb du eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht hast?

Schwarz: Ich habe nach dem Tod meiner Mutter auf Instagram über meine Trauer geschrieben. Auf der Plattform habe ich dann das Hamburger Unternehmen Vergiss Mein Nie entdeckt. Der kreative Schwerpunkt und die frischen und modernen Ansichten in deren Trauerarbeit haben mich direkt abgeholt. Daher habe ich dort eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht. Aktuell bin ich dort im Social-Media-Bereich tätig und leite eine wöchentliche Kreativ-Trauer-Werkstatt.

Vergiss Mein Nie bietet nicht nur die Ausbildung zur Trauerbegleiterin an. Bei dem Unternehmen mit Sitz in Eimsbüttel kann man auch Trauerbegleitung in Anspruch nehmen, an kreativen Erinnerungswerkstätten teilnehmen und Trauergeschenke kaufen. “Vergiss mein Nie” unterstützt auch begleitend nach dem Verlust deines Haustieres.

Einige denken, dass irgendwas falsch bei ihnen ist, weil sie nach vielen Wochen, Monaten oder Jahren immer noch traurig sind.

Wie unterstützt du als Trauerbegleiterin Menschen, die einen Verlust erlitten haben?

Schwarz: Indem ich einfach da bin. Ich glaube, dass das oft einer der größten Punkte ist. Vielen Menschen nimmt es eine Last von den Schultern, zu wissen, dass ich in dem Moment dafür da bin, mit ihnen über ihre Trauer zu reden. Viele haben Angst, ihr Umfeld mit ihrer Trauer zu belasten, zu überfordern oder auch zu nerven. Einige denken auch, dass irgendwas falsch bei ihnen ist, weil sie nach vielen Wochen, Monaten oder Jahren immer noch traurig sind.

Warum fällt es Menschen schwer, mit ihrem Umfeld über den Tod zu sprechen?

Schwarz: Ich glaube, dass da viele Ängste und Unsicherheiten zusammenkommen. Einerseits macht es verständlicherweise vielen Leuten richtig viel Angst, sich mit dem Tod und der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass viele Menschen auch mit vermeintlich negativen Gefühlen überfordert sind. Oft besteht die Sorge: Was ist, wenn ich eine trauernde Person anspreche und die fängt dann an zu weinen? So, als wäre es das Schlimmste, wenn wir weinen.

Die meisten Menschen haben keinen Umgang damit gelernt, wie man auf eine Person reagieren kann, die einen Verlust erlitten hat. Ist es gut, sie anzusprechen? Ist es besser, sie nicht anzusprechen? Menschen machen sich so viele Gedanken, dass sie sich in ihrer Hilfe selbst ausbremsen. Daher ist der größte und wichtigste Schritt, den man machen kann: die eigene Überforderung zuzugeben.

Trauerbegleiterin: “Der Tod ist in den Medien oft ein Klischee”

In der Öffentlichkeit, etwa in den Medien, ist der Tod sehr präsent. Erst im November hat der Tatort mit 13 Millionen Zuschauer*innen seine Bestmarke geknackt. True-Crime Podcasts sind super beliebt und Autor*innen wie Sebastian Fitzek und Charlotte Link verkaufen millionenfach ihre Krimis. Vermitteln die ein realistisches Bild von Tod und Trauer?

Schwarz: Nein, nicht wirklich. Der Tod ist zwar präsent in den Medien, wird aber oft sehr klischeehaft dargestellt. Die Leute machen dort einen Verlust oft mit sich alleine aus: Sie gehen einen trinken, manchmal gibt es noch einen Wutanfall. Oft werden auch romantische Geschichten erzählt. Menschen, die einen Partner verloren haben, treffen irgendwen anders, verlieben sich neu und alles ist rosarot. Es gibt kaum ein normalisiertes Bild von Trauer, das medial aufgegriffen wird. Zum Beispiel kann beides existieren: Ich kann meinen Partner verlieren, mich neu verlieben und trotzdem bleibt die Trauer um die verstorbene Person präsent.

Sprechen wir vor allem in Deutschland zu wenig über den Tod?

Schwarz: Ja, das ist definitiv ein sehr deutsches Phänomen. In anderen Ländern gibt es Bräuche rund um den Tod. Große Feste werden veranstaltet, Erinnerungen hervorgeholt und das Leben gefeiert – bunt und laut. Wir können uns definitiv an einigen Ländern und Kulturen ein paar Scheiben abschneiden. In Deutschland tragen Trauernde immer noch schwarz und sind bei Trauerfeiern möglichst still. Es geht natürlich nicht jede Familie gleich mit dem Tod um, aber hier muss ich ein bisschen verallgemeinern, wenn wir über die Gesellschaft sprechen.

“Trauer empfinden wir auch bei einem verlorenen Kuscheltier”

Was können wir verbessern im Umgang mit Trauer?

Schwarz: Wir können den Tod einfach schon von klein auf thematisieren. Auch Kinder können sich mit Tod und Trauer auseinandersetzen. Trauer empfinden wir bei einem verlorenen Kuscheltier, wenn ein Haustier stirbt oder eine Freundin wegzieht. Gerade Kindern wird dann häufig beigebracht, dass sie aufhören sollen zu weinen: “So schlimm ist das doch gar nicht.”

Ich habe das Gefühl, dass mit solchen Aussagen vielen Menschen eine gewisse Trauerkompetenz, die sie eigentlich von sich aus mitbringen, abgesprochen wird. Stattdessen wird gelehrt: Das Gefühl von Trauer ist nicht gut und es ist besser, wenn es einem schnellstmöglich wieder gut gehe.

Was kannst du als einfache Lehre mit auf den Weg geben?

Schwarz: Menschen einfach auf ihre Trauer ansprechen. “Einfach” ist eigentlich das falsche Wort. Es kostet viel Überwindung und Mut, das zu tun, das weiß ich. Man sollte dennoch versuchen, die Angst vor dem Ansprechen zu verlieren. Es hilft bereits zu sagen: „Hey, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe keine Worte für deinen Verlust. Aber ich möchte gerne für dich da sein.“ Es gibt keine perfekte Handlungsanweisung. Man sollte im Moment sein – beieinander und aufrichtig.

Das Leben von Valentina Rössel, Jahrgang 1998, läuft in der Regel nach Plan. Für Abwechslung sorgen gelegentliche Abenteuer. Die 23-Jährige probiert gerne Neues: schläft im Outback am Lagerfeuer, reitet Wellen auf Bali, knuspert in Mexiko Heuschrecken. In Norddeutschland geboren, in Köln aufgewachsen, war Valentina schon immer klar, dass sie einmal in Hamburg landen wird. Ihre erste Station war die Pressestelle im Hamburger Rathaus. Dort hat sie als Praktikantin den Ersten Bürgermeister auf Pressetermine begleitet und Social-Media-Posts für den Senat erstellt. Zuvor studierte sie Sprache und Kommunikation in der globalisierten Mediengesellschaft kombiniert mit Medienwissenschaft in Bonn. Die Frage: „Wie viele Heuschrecken kannst du essen?“ war zwar nicht prüfungsrelevant, ihren Bachelor hat sie trotzdem gut bestanden. Kürzel: var