Wer Colin Farrell und Brendan Gleeson aus „Brügge sehen und sterben“ kennt, weiß, wie die beiden Schauspieler miteinander brillieren. In „The Banshees of Inisherin“ geben sie entzweite Freunde auf einer kleinen irischen Insel. Tragisch. Komisch. Tiefgründig.
Titelbild: Searchlight Pictures
Wem schon mal eine Freundschaft zerbrochen ist, weiß, wie weh so eine Trennung tut. Besonders schlimm ist es, wenn man nicht einmal den Grund dafür versteht. Jedes gesagte Wort, jede Bewegung, die verärgert haben könnte, wird hinterfragt. Wir haben uns nicht gestritten. … oder vielleicht doch?
114 Minuten lang „fuckin’ hell“ mit irischem Akzent
Genau so ergeht es Pádraic in „The Banshees of Inisherin“. Auf der kleinen Insel Inisherin, die an der Westküste Irlands liegt, versucht er zu ergründen, wieso sein bester Freund Colm nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Colm allerdings versucht Pádraic zu ignorieren. Gar nicht so einfach, wenn man gemeinsam auf einer Insel lebt, auf der jeder jeden kennt und es neben der Arbeit kaum etwas zu tun gibt, außer den Pub zu besuchen. Deshalb greift Colm zu immer drastischeren Maßnahmen, um Pádraic von sich fernzuhalten. Akustisch begleitet von einer ganzen Menge „fuck“, „fuckin‘ hell“ und „shit“ sehen die Zuschauer*innen 114 Minuten lang dabei zu, wie unterschiedlich die beiden Männer mit dem Ende ihrer Freundschaft umgehen.
„The Banshees of Inisherin“ ist Oscar-verdächtig besetzt
Die Tragikomödie von Martin McDonagh spielt im Jahr 1923, kurz vor Ende des Bürgerkriegs, auf dem irischen Festland. Die Insel Inisherin scheint von den turbulenten Zeiten aber – zumindest äußerlich – unberührt zu bleiben. Pádraic Súilleabháin, gespielt von Colin Farrell, ist Landwirt, stellt seinen eigenen Käse her und wohnt zusammen mit seiner Schwester und seinem Esel in einem abgelegenen Haus auf einem Hügel. Sein ehemaliger bester Freund Colm Sonny Larry, gespielt von Brendan Gleeson, ist Folkmusiker und wohnt mit seinem Hund nah dem Meer an einer Klippe.
Regisseur McDonagh hat mit Farrel und Gleeson auf ein eingespieltes Schauspiel-Duo zurückgegriffen, dass wir bereits aus seinem Filmdrama „Brügge sehen und sterben“ aus dem Jahr 2008 kennen. Eine Konstellation, die sich zu bewähren scheint – gemessen an den Preisen und Nominierungen, die das neue Werk bereits erhalten hat.
Die Uhraufführung von „The Banshees of Inisherin“ fand im September 2022 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig statt. McDonagh gewann dort den Preis für das beste Drehbuch und Colin Farrell erhielt den Volpi-Pokal als bester Darsteller. Im Oktober 2022 wurde der Film zunächst in den USA, dem Vereinigten Königreich und in Irland veröffentlicht. Darauf folgten im Dezember acht Golden-Globe-Nominierungen, von denen dann auch drei verliehen wurden. Der Film selbst erhielt die Preise “Bester Film – Musical oder Comedy” und “Bestes Drehbuch”. Colin Farrel räumte außerdem den Award als bester Hauptdarsteller (Komödie oder Musical) ab. Seit dem fünften Januar ist „The Banshees of Inisherin“ jetzt endlich auch in den deutschen Kinos zu sehen.
Der nächste große Schritt: die Oscars. Die Chancen für „The Banshees of Inisherin“, weitere Nominierungen und vielleicht sogar einen der begehrten, goldenen Männchen mit nach Hause zu nehmen, stehen nicht schlecht. In der Shortlist ist der Spielfilm bereits in der Kategorie „Beste Filmmusik” (Original Score) aufgeführt.
Tiefgründig im Inhalt, erhellend für die Stimmung, düster aber wunderschön in der Kulisse
Aufgrund des dramatischen Themas könnte man meinen, dieser Film würde einen herunterziehen. Die ein oder andere Szene lässt einen tatsächlich auch mal zurückschrecken oder eine Träne verdrücken. Tatsächlich ist „The Banshees of Inisherin“ aber vor allem für einige Lacher gut. Während der Aufführung im Rahmen des Filmfest Hamburg schallte mehrfach lautes Gelächter durch den Kinosaal. Ob es die naive Liebenswürdigkeit von Pádraic ist, mit der er versucht Colms Sinneswandel zu verstehen, um ihn wieder für sich zu gewinnen, die smarten und starken Bemerkungen seiner Schwester Siobahn, mit denen sie jeden vorlauten Mann auf der Insel wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt oder die unbeholfenen, aber überaus mutigen Flirtversuche von Polizistensohn Dominic, der Siobahn immer wieder vergeblich schöne Augen macht.
Vermutlich ist es eine Kombination aus allem, gemischt mit dem melodischen, irischen „R“ und vielen Flüchen, die besonders die Dialoge charmant und zugleich witzig machen. Im Idealfall schaut man sich diesen Film deshalb auch in der Originalfassung an, denn dann kann der Akzent der beiden gebürtigen irischen Hauptdarsteller seinen Teil dazu beitragen.
„No one remembers niceness in the future but musicians you do. But who cares?“
Durch Kamerafahrten und Drohnenflüge über die satt grünen Felder, rauen Felsen und das dunkle Meer Irlands wird die Insel Inisherin auch zu einem optischen Erlebnis. Doch dieser Film macht mehr als nur Spaß – auch an Tiefgründigkeit wurde hier nicht gespart. Im Grunde dreht sich der Film nur um die eine bedeutende Frage, die uns alle von Zeit zu Zeit umtreibt: der Sinn des Lebens. Geht es darum, vom eigenen Umfeld geachtet zu werden oder sollte man lieber etwas Bedeutendes schaffen, um dafür über das eigene Leben hinweg erinnert zu werden?
„Niemand erinnert sich in der Zukunft an dich, weil du nett warst, aber an Musiker erinnert man sich. Aber wen interessierts?“, sagt Pádraic an einer Stelle. Ein Satz, der auch nach dem Kinobesuch noch nachhallt. Die Welt scheint sich immer nur um Erfolg, Geld und Fame zu drehen. Viel schöner wäre das Leben jedoch, würden andere Werte im Fokus stehen, wie Liebe, Familie und Freunde.
„The Banshees of Inisherin“ ist ein Film, der auf allen Ebenen überzeugt: Schauspiel, Kulisse, Musik, Inhalt, Humor. Dieser Film unterhält, regt aber auch zum Nachdenken an. Viele Zuschauer*innen werden nach dem Abspann vermutlich zum Handy greifen, um ihren Freund*innen zu schreiben, wie gerne sie sie haben. Es gibt durchaus schlechtere Handlungsimpulse.